7.

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Am nächsten Morgen - Nico hatte übrigens die Nacht bei mir verbracht - saß ich vor meinem MacBook und starrte den FaceTime Kontakt meines Verlobten an. Seit mehr als 10 Minuten konnte ich mich nicht dazu durchringen, ihn anzurufen. Nico schlief noch seelenruhig in meinem Bett, während ich nervös auf meiner unteren Lippe herumkaute. Auch wenn ich das bei Gott nicht tun wollte, drückte ich dennoch auf das grüne Symbol und betete, dass er nicht abheben würde, vergeblich. Es klingelte nicht einmal eine Minute, bevor sein Lächeln auf meinem Bildschirm auftauchte. Ich zwang mich dazu, es zu erwidern, auch wenn mir in diesem Moment eher zum Weinen zumute war. "Hey, Schatz!", begrüßte er mich fröhlich. "Hey!", antwortete ich und versuchte dabei genauso glücklich zu klingen. "Rate mal, wo ich bin!", kam es von ihm. Da ich mir seinen Hintergrund nicht wirklich angesehen hatte, tat ich das nun und ich ahnte böses. Es sah aus, als säße er im Wartebereich eines Flughafens. "Ein Flughafen?", fragte ich unsicher nach. Genau in diesem Moment konnte ich hören, wie Nico sich rechts neben mir aufsetzte. Gott sei Dank konnte man mein Bett vom Schreibtisch aus nicht sehen. "Ja, richtig! Ich bin gerade auf dem Weg zu dir! Mein Flug geht in einer halben Stunde.", ertönte es freudig aus den Lautsprechern meines Computers. Ich konnte richtig fühlen, wie jegliche Farbe aus meinem Gesicht wich und wie Nicos schockierter Blick auf mir ruhte. "Das ist ja toll!", versuchte ich so gut gelaunt wie möglich zu sagen. Es war alles andere als toll. Immer wenn ich dachte, es konnte nicht noch mehr in meinem Leben schief laufen, setzte jemand immer noch einen drauf. "Find ich auch!", antwortete Markus, bevor er mich angrinste. "Und wie lange willst du bleiben?", wollte ich neugierig wissen. "Leider muss ich zwischen den Feiertagen wieder ins Büro, also bis zum 27.", gab er mir bedrückt als Antwort. "Ach, wie schade.", sagte ich ebenfalls etwas traurig, aber nicht, weil ich es schade fand, dass er nur etwas mehr als eine Woche bleiben würde, sondern weil ich Panik bekam. "Ja, jetzt muss ich aber los, das Boarding fängt gleich an. Wir sehen uns dann in drei Stunden, ja?", erwiderte er hastig. Ich nickte und verabschiedete mich von ihn, dann legte er auf und ich hätte am Liebsten losgeschrien. "Scheiße.", hörte ich Nico sagen. "Das kannst du laut sagen.", stimmte ich zu. "Du wolltest es ihm sagen oder?", fragte er, während ich mich zu ihm drehte. "Ja, aber das kann ich jetzt vergessen, bis er wieder abreist.", bemerkte ich langsam. Ich stand von meinem Stuhl auf und fing an, nervös vor ihm hin- und herzulaufen. Währenddessen kaute ich auf meiner unteren Lippe herum und hielt mir den Kopf. Einige Momente lang sah mir Nico dabei zu, bis er nach meiner freien Hand griff und mich zu sich zog. Seine Berührung beruhigte mich ein wenig, sodass ich erst einmal tief durchatmete. "Ich bin mir sicher, dass du das schon irgendwie hinbekommst.", sprach er mir Mut zu. Ich seufzte und setzte mich neben ihn auf das Bett. "Eins ist klar, ich werd ihm sicher nicht Weihnachten vermiesen und wir können uns definitiv nicht sehen, solange er hier ist.", sagte ich angespannt. 

Als ob diese Situation nicht schon schlimm genug war, rief meine Mutter nun auch noch meinen Namen und kam die Treppe nach oben. Daran hatten weder Nico noch ich gedacht, als er hier geschlafen hatte. "Fuck, deine Mutter darf mich nicht sehen!", dämmerte es ihm. Hastig sprang er vom Bett auf, sammelte seine Sachen auf und suchte verzweifelt nach einem Versteck. Die Schritte meiner Mutter kamen immer näher und das versetzte auch mich in Panik. Als es klopfte, schob ich ihn in die Ecke, die die Tür verdeckte wenn sie offen war. Mit einer Handbewegung signalisierte ich ihm, dass er still sein sollte. Meine Mutter betrat nie mein Zimmer ohne mindestens zweimal zu klopfen, außer ich öffnete ihr die Tür und genau das tat ich. "Willst du gleich mit essen?", fragte sie, als sie mich sah. "Äh, nein, ich wärm es mir nachher nochmal auf.", versuchte ich sie abzuwimmeln. "Mit wem hast du vorhin geredet?", wollte sie neugierig wissen. "Ich hab mit Markus telefoniert.", antwortete ich. Es war ja nicht ganz gelogen, aber auch nicht die volle Wahrheit. "Oh, ja gut, dann weißt du ja schon, dass er auf dem Weg hierher ist.", sagte sie darauf überrascht. Ich nickte und betete, dass sie wieder gehen würde und das tat sie Gott sei Dank tatsächlich. Erst als sie die Treppe wieder nach unten ging, schloss ich die Tür und lies einen Seufzer der Erleichterung über meine Lippen gleiten. Nico atmete ebenfalls auf, konnte sich aber ein Lachen auch nicht verkneifen. "Das lief besser als vor neun Jahren.", kommentierte er. Als er das erste Mal bei mir geschlafen hatte, hatte ich es meinen Eltern ebenfalls nicht gesagt und am nächsten Morgen kam meine Mutter nach zweimal Klopfen in mein Zimmer. Sie war wütend gewesen, verständlicherweise und hatte mir danach erst einmal eine Standpauke über Lügen und Geheimnisse gehalten. Danach hatten sie es ihm verboten über Nacht zu bleiben, woran wir uns natürlich nicht gehalten hatten. "Ja, aber jetzt haben wir noch ein Problem. Wie bekommen wir dich aus dem Haus, ohne erwischt zu werden?", entgegnete ich nachdenklich. "Ich könnte mich raus schleichen, wie früher auch.", schlug er vor, während er seine Jeans anzog. "Früher haben beide den ganzen Tag gearbeitet und Alex war als 11-Jähriger deutlich einfacher abzulenken als die Beiden.", nahm ich seiner Idee den Wind aus den Segeln. Er blieb still und sah sich um, genauso wie ich. Der einzige Weg aus dem Zimmer war das Fenster. "Auf gar keinen Fall!", gab Nico entrüstet von sich, als er bemerkte, dass ich das Fenster anstarrte. "Wie willst du sonst rauskommen?", fragte ich ihn daraufhin. Ich hoffte wirklich, dass er eine bessere Idee hatte, denn das letzte Mal, als er durch mein Fenster geklettert war, hatte er sich fast das Bein gebrochen. "Keine Ahnung, aber ich werd sicher nicht durch dein Fenster abhauen!", entgegnete er entsetzt. "Wäre ja nicht das erste Mal.", konterte ich amüsiert und musste dabei daran denken, dass er das tatsächlich recht häufig getan hatte, wann immer meine Eltern nicht arbeiten gewesen waren. Er musste schmunzeln, gab aber dann nach und nickte. "Hoffentlich fall ich nicht wieder runter.", kommentierte er, während er das Fenster öffnete. Bevor er hinauskletterte, drehte er sich noch einmal zu mir um, zog mich zu sich und platzierte einen langen Kuss auf meine Lippen. Ich versicherte mich, dass er ohne Probleme in unserem Garten landete, erst als er mir beide Daumen nach oben zeigte, schloss ich mein Fenster und atmete erleichtert auf. Irgendwie war all das sehr aufregend und ich fühlte mich wie berauscht.

Like I Love You. (Nico Santos)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt