Kapitel 8

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Ella's Sicht

Nachdem der Notar das Testament gesenkt hat, beginnt der Raum leise zu klatschen. Es ist so ein anerkennendes Klatschen, aber niemand weiß so recht, ob es angebracht ist. Ich für meinen Teil klatsche zwar auch kurz, aber dann öffne ich den Brief und, was ich sehe ist unglaublich. Mir entfährt ein kleiner Schrei und ich kann nicht glauben, was da in dem Briefumschlag ist. Neben dem Brief, welcher zwei Seiten oder so lang ist, liegt dort ein Gutschein...Aber nicht irgendein Gutschein, sondern Archie möchte, dass ich nach Amerika zu den Browns gehe und das für ein Jahr! Das rührt mich so sehr, dass ich eine extreme Gänsehaut bekomme und schon wieder anfange zu weinen.

„Was ist los, El? Darf ich mir das ansehen?", ganz behutsam nimmt Lis mir den Umschlag aus der Hand, nachdem ich nur schwach nicken kann.

Wie kann jemand nur so perfekt sein, dass er selbst im Tod noch Menschen vor Fröhlichkeit weinen lassen kann?! Ich weiß nicht, wie ich dieses Leben ohne ihn schaffen soll, aber durch diese Geste weiß ich, dass er immer noch bei mir sein wird. Egal wo und wann, er ist immer bei mir. Mir steigen Tränen in die Augen und ich hab die größte Mühe sie auch in meinen Augen zu halten. Wieso musste ausgerechnet er gehen?! Ich kann doch nicht ohne ihn leben. Ein Aufkreischen reißt mich aus meinen Gedanken.

„Ich freue mich soo darauf, dass du zu uns kommst! Ich bin mir sicher, wir werden in dem nächsten Jahr die beste Zeit des Lebens haben! Ich werde dir so viel, wie möglich zeigen und ich hoffe, dass die meisten Chaoten sich anständig benehmen.", während sie das sagt, ist sie schon aufgesprungen und hat mich mit hochgezogen, nur um mich keine zwei Sekunden später zu umarmen. Beim letzten Satzteil kann ich mir förmlich ausmalen, wie sie Brain mit einem aussagekräftigem Blick belegt.

Und zum ersten Mal, seit seinem Tod kann ich wieder lachen. Das Lachen ist echt und hat kein bisschen Ironie drin. Es ist einfach so befreiend, dass es Menschen gibt, die sich freuen etwas mit mir machen zu können und denen ich etwas bedeute. Auch meine Eltern, welche in der Zwischenzeit zu uns an den Tisch gekommen sind freuen sich für mich und umarmen mich. Als ich einen Blick in Brain's Richtung werfe, fühle ich seinen stechenden Blick unter meiner Haut und ich schaue verunsichert weg. Was macht er bloß mit mir? Eine Sache ist jedoch auffällig, er lässt niemand fremden nah an sich ran, dennoch versteht er sich mit vielen hier Anwesenden wirklich gut. Ich konnte trotzdem erkennen, dass er sich nicht sehr freut, dass ich ab den Sommerferien ein Jahr bei ihnen wohnen werde. Das kann ja heiter werden.

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Montagmorgen

Als ich an diesem Morgen aufwache, wird mir zum ersten mal wirklich bewusst, dass ich heute wohl oder übel zur Schule gehen muss. Warum kann ich nicht einfach noch hier in meinem Zimmer bleiben und meine Sachen für Amerika packen?!

Weil du es deinen und Archie's Eltern versprochen hast. Außerdem wird es bestimmt nicht so schlimm, wie du denkst. Du hälst dich einfach von Dustin und Louisa fern und dann kommst du gut durch deinen Tag.

Oh, glaub mir die Beiden möchte ich heute am wenigsten sehen. Nach der Testamentsöffnung ist nicht mehr viel passiert und kurze Zeit später sind dann auch alle nach Hause gefahren, nachdem sie sich verabschiedet haben. Die Browns sind mit Archie's Eltern nach Hause gefahren und werden dort auch die nächste Woche übernachten. Den beiliegenden Brief aus dem Umschlag werde ich heute Abend lesen und ich bin auch schon sehr gespannt, was er mir geschrieben hat. Jetzt stehe ich erst einmal auf und ziehe mir ein hellblaues, bauchfreies Top, mit Spaghetti Trägern und eine schwarze Hotpan an. Während ich nach unten gehe, um mir etwas zu Essen zu machen, greife ich mir noch schnell meine Schultasche und bin dann auch schon ganz schnell in der Küche. Dort mache ich mir eine Schüssel Müsli und schmiere mir ein Brot für die Schule. Auch wenn ich in der Schule nie wirklich viel Hunger habe, aber lieber zu viel, als zu wenig.

Dann gehe ich auch schon in die Schule. Dort angekommen werde ich von allen Seiten verachtend angeschaut und es wird getuschelt. Ich bekomme immer wieder ein paar Gesprächsschnippsel mit.

„Wie kann man so etwas tun?!"

„Unmöglich, dieses Mädchen!"

„Und sowas hat Archie gemocht?"

Ok, ich weiß überhaupt nicht mehr, was die meinen, aber ich könnte mir vorstellen, dass Louisa und Dustin etwas damit zu tun haben. Erstmal gehe ich in meine Klasse, aber auch dort werde ich nur so angesehen, dass ich auf der Stelle tot umfallen soll. Kurz nach mir kommt auch unsere Klassenlehrerin rein und fordert uns auf uns zu setzten.

„Einen wunderschönen guten Morgen an alle. Wie ihr bestimmt schon mitbekommen habt, ist Ella wieder hier und ich möchte, dass ihr sie so behandelt, wie vor ihrer Abwesenheit. Fangen wir jetzt mit dem Unterricht an."

die nächsten Stunden ziehen sich hin und iich sitze jetzt gerade im Deutschunterricht und warte auf den Stundenschluss, was für mich auch bedeutet, dass ich danach nach Hause darf. Keine drei Sekunden später macht mein Lehrer Schluss und wünscht uns allen noch einen schönen Nachmittag. Den werde ich bestimmt haben, heute habe ich es sogar geschafft Louisa und Dustin aus dem Weg zu gehen. Nun mache ich mich auf den Weg nach Hause und habe das Gefühl, dass ich verfolgt werde. Aber wieso sollte mich jemand verfolgen? Als ich mich umdrehe habe ich Gewissheit...

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