Pov. Manuel
Es wird von Tag zu schlimmer. Zwar haben die Machos, wie Maurice und ich Jason, Hendrik, Justin, Steven, Kevin und Patrick nennen, uns die letzten Tage einigermaßen in Ruhe gelassen, aber das kann nichts Gutes bedeuten. Und glaubt mir, ich habe da Erfahrung. Zu allem Überfluss hat man eine Leiche gefunden, in unserem Moor, bei dem wir schon als Kinder gespielt haben. Die Schule stresste extrem, ich komme kaum noch zum Klavierspielen oder Bogenschießen, was mich nervt. Und dann ist da noch die Situation mit Patrick vor ein paar Tagen. Ihr müsst mir echt glauben, wenn ich sage, dass ich selbst keinen Plan habe, was mich in dem Moment geritten hat. Wahrscheinlich eine Art von Schutzinstinkt, wobei man meinen sollte, ich hätte eher zugeschlagen als geküsst.
Mit der Vorstellung im Kopf, wie Kriege nicht mehr mit Gewalt ausgetragen werden, sondern mit wildem Geknutsche, gehe ich in die Küche, um mir ein Brot zu machen. Ach ja, mein Leben ist schon ganz schön beschissen. Was mich im Moment aber sehr runterzieht, ist die Tatsache, dass ich mich so in Patrick getäuscht habe. Er hat zwar am Anfang sehr distanziert gewirkt, aber dass er so ein Teufel ist, damit habe ich nicht gerechnet. Außer Maurice. Wie immer. Er ist das Brain von uns dreien, was es manchmal schwer macht, ihm und seinen Gedankengängen zu folgen. Aber naja, es ist zur Gewohnheit geworden, dass man sich nach einem Gespräch über Quantenphysik erstmal eine Doku ansieht, um an nächsten Tag nicht wie der letzte Vollidiot zu erscheinen.
Es ist jetzt auch nicht gerade sehr hilfreich, dass meine Mutter unbedingt zu dieser Feier am Samstag gehen möchte. Vielleicht verziehe ich mich zur Kreuzeiche und komme "ganz aus Versehen" so viel zu spät, dass ich nicht mehr als eine Stunde in der Höhle des Löwens bleiben muss. Ich kann echt nur hoffen, dass dieser Plan aufgeht, denn sonst bin ich, wie Maurice immer so schön gesagt 'nur noch ein Haufen von Atomen, die vor sich hin vegetieren'. Aber das bin ich ja eigentlich so oder so schon. In diesem Moment beschließe ich, dass es mir ziemlich egal ist, morgen Schule zu haben. Also schlinge ich das Brot herunter, schnappe mir meinen Schlüssel, schlüpfe in meine Schuhe und verlasse das Haus. Meine Füße tragen mich ohne Probleme den Berg hinauf, der zu den Maisfelder führt.
Früher bin ich hier leicht außer Atem gekommen, was auch meinem Asthma zu Schulden kommt, doch mittlerweile laufe ich hier regelmäßig rum und sind wir mal ehrlich, wer läuft heutzutage noch ohne zu Schnaufen einen Berg hoch? Als ich die Maisfelder hinter mir lasse, schlägt etwas in meinem Kopf Alarm, ein Gefühl, welches mich schon oft vor den Machos gerettet hat. Ich weiß nicht, ob es mein Unterbewusstsein ist oder einfach dieser sechste Sinn, den alle Menschen haben, wenn sie beobachtet werden. Zum Glück kommt vor mir der Waldrand in Sicht und ich versuche, möglichst unauffällig und so schnell wie möglich im Dickicht des Unterholzes zu verschwinden. Ein Stück laufe ich parallel zum Waldweg, um nicht vom Kurs ab zu kommen.
Durch die Versteckspiele, die Micha, Maurice und ich früher immer gespielt haben, kenne ich dieses Waldstück besonders gut und finde schnell den alten Eingang zur Grube, der zwar verschlossen ist, aber trotzdem als Unterschlupf herhalten kann. zu meinem Glück zeigt der Eingang vom Weg weg, sodass mich niemand sehen kann. Da ich aus Gewohnheit eine Uhr mit mir rumschleppe, weiß ich, dass mehr als vier Minuten vergehen, bis ich zuerst Stimmen und dann Schritte vernehmen kann. Zuerst kann ich sie nicht zuordnen, doch als die Stimmen sich meinem Versteck nähern kann ich sie doch identifizieren. "Wo ist der denn jetzt hin?" Das ist unverkennbar Macho Nummer 5, Kevin. Warum genau Nummer 5, fragt ihr euch jetzt. Naja, Mauri und ich fanden es lustig und angemessen, sie nach Intelligenz zu benummern.
Hier ein kurzes Ranking mit Einschätzung unsererseits, was den Haufen arroganter Machos angeht (Zum Thema Patrick haben wir uns noch nicht geeinigt, wir tendieren aber zu Platz 3.) :
1. Jason, weil er andere seinen Job machen lässt, nicht selber plant und ausführt, aber trotzdem weiß, wie er seine Selbstsicherheit einsetzten muss, um als Anführer angenommen und respektiert zu werden. Zudem hat er keine Skrupel und zeigt selten Reue.
2. Hendrik, da er sehr intelligent ist, es aber nicht bei den richtigen Dingen anwendet. Deshalb ist er nicht minder gefährlich, aber sagen wir es mal so, er hat mehr Potenzial als die anderen Volldeppen.
3. Justin, er hat viel durchmachen müssen, ist dementsprechend also gewiefter, als man denkt. Er ist zwar nicht gerade intelligent, wird aber durch seine Stimmungsschwankungen sehr gefährlich, wenn es drauf ankommt.
4. Steven, er hat gerade noch so viel Hirnzellen, um zu erkennen, wie wichtig es zu sein scheint, die alten Traditionen weiterleben zu lassen und die kleinen Betriebe auf dem Land zu erhalten.
5. Kevin, der Name ist in diesem Fall wirklich Programm. Das einziger womit er beeindrucken kann ist seine Aggression und Stärke, die ihn zum Hauptschläger machen. Zurück zum Geschehen.
Während Kevin sich lauthals über meine Abwesenheit beschwert, stelle ich mir derweil die Frage, was die Machos in unserem Wald zu suchen haben. Als hätte Macho 3 meine Gedanken gelesen (was ich nicht hoffe), sagt er: "Wer weiß, ob sie überhaupt hier ihre Hütte haben? Nur weil die Schwuchtel hier her gegangen ist, muss das doch nicht heißen, dass er zwingend dort hin wollte!" Also wollen sie unsere Hütte finden und sie wahrscheinlich zerstören. Was nicht gut wäre, da dort viele, für uns sehr wertvolle, Gegenstände rumfliegen und ich auch nicht gewillt bin, mir einen neuen Bogen zulegen zu müssen. Zum Glück würde ich Mauri morgen noch sehen, damit ich ihn vorwarnen konnte, damit wir ab jetzt einen anderen Weg nutzen würden.
"Es kann doch nicht sein, dass wir ihn verloren haben! Er kann doch nicht einfach verschwinden!" Jason klingt nicht gerade begeistert und ich konnte daraus schließen, dass wir morgen ein Donnerwetter zu spüren bekommen würden, weil sie zu dumm gewesen waren, mich im Auge zu behalten. "Jason, wie wäre es, wenn wir doch Patrick mit einbeziehen würden? Zwei Augen mehr schaden nicht", kann ich jetzt Hendrik vernehmen. Patrick weiß von all dem gar nichts? Das macht mich wiederum froh, auch wenn es nur ein kleiner Hoffnungsschimmer am Ende des Tunnels ist, aber immerhin ist da jetzt wieder einer. "Lasst mal zurück, ich muss noch bei den Kühen helfen, sonst köpft mein Dad mich noch. Und spätestens nach Samstag werden die Loser sowieso hierher kommen, zumindest Manuel. Da kriegen wir ihn", beschwert sich Steven.
Als die Schritte sich wieder von mir entfernen, atme ich erstmal durch. Dann zähle ich bis tausend, nochmal bis hundert und stehe vorsichtig auf. Smart, wie der liebe Manuel nun mal ist, laufe ich tiefer in den Wald, wende vor der Eiche rechts ab und wähle den Schleichweg durch das Tal, vorbei an Weihern und Kuhwiesen. Auch am Moor gehe ich vorbei, wobei ich hier einen Zahn zulege. Nach also nicht wie geplant zwei Stunden bin ich wieder zu Hause, der Umweg hat mich eine weitere Stunde gekostet, aber immerhin bin ich noch in der Lage zu atmen. Am Abend liege ich im Bett, schaue an die Decke und denke über das Geschehene nach. Unsere Hütte ist so gesehen nicht mehr sicher, mich erwartet morgen eine ordentliche Tracht Prügel.
Die Prügel würde schlimmer ausfallen, als sonst, das wird mir klar. Da wir schon lange nicht mehr verhauen wurden und sie diesmal aus Wut und nicht aus Langeweile zuschlagen werden, können Mauri und ich morgen das doppelte an Schmerzen erwarten. Komischerweise habe ich davor nicht mal großartige Angst. Mich beschäftigt eher die Frage, ob Patrick mitmachen wird, oder nicht. Doch ich gehe stark von der ersten Möglichkeit aus, was mich erneut traurig macht. Eigentlich habe ich mir immer vorgenommen, die Schule zu beenden, doch im Moment überlege ich ernsthaft, das Abitur sein zu lassen und mir eine Ausbildungsstelle zu suchen. Doch ich möchte Maurice nicht allein lassen, da er und Micha die wenigen Konstanten in meinem Leben darstellen. Mit dem Gedanken, nur noch ein Jahr durchalten zu müssen, schlafe ich dann doch ein, keine Vorstellungen von den Ausmaßen der nächsten Tage habend.
Wer hätte gedacht, dass ich auch noch lebe? Als Entschuldigung gibt es zwei Kapitel, auch mal mit einer Sichtänderung. Hoffentlich nehmt ihr mir meine Inaktivität nicht zu übel und lest trotzdem fleißig weiter, wenn es denn mal was zu lesen gibt. Also, euch allen noch eine hoffentlich covidfreie Zeit, bis wir uns das nächste Mal schreiben, lesen etc. Bis hoffentlich bald, eure lima0080!
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Das Stadtkind - Kürbistumor Fan Fiction
FanficAls der 16-jährige Patrick gezwungen ist, mit seinen Eltern aufs Land zu ziehen, beginnen für ihn schwere Zeiten. Kein Netz, kein PC, kein Fernseher- eben ein Dorfleben wie aus dem Bilderbuch. An seinem ersten Tag lernt er Manuel kennen. Nichts gro...