Kapitel 7 ✔️

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Milena

Das Nachsitzen fühlt sich inzwischen nicht mehr wie eine wirkliche Bestrafung an, sondern wie ein insgeheimer Wettstreit zwischen Diamond und mir. Wir sprechen kaum miteinander und machen unser eigenes Ding, auch wenn ich meistens an meinen Hausaufgaben verzweifle, wenn ich mich überhaupt dazu erbarmen kann sie anzufangen. Schon mehr als einmal habe ich dabei bemerkt, wie sie zu mir herübergesehen hat, mit diesem mitfühlenden, hilfsbereiten Blick, den ich von ihr schon genau so kenne, selbst aber keinesfalls im Gesicht tragen kann.

Ich beginne so viele Seiten an ihr zu sehen, in die sie sich retten kann, die ich aber selbst schon von einer Weile abgelegt habe, weil sie mich sonst zerstört hätten. Ich sehe in Diamond eine Version von mir, die ich vermisse und zugleich auch nie wiedersehen will. Weil es mich verletzlich macht, weil es mich zu der Person war, die unter der dicht aufgesetzten, festen Maske hervorgeschaut hat, als Asche auf ihre Haut traf und ich mich verloren habe, wieder zu dem verletzlichen und angreifbaren Wesen geworden bin, das ich nie wieder sein wollte.

Es sind vielleicht nur Minuten gewesen, aber ich hatte die Maske fallen lassen und diese Tatsache würde sich ganz sicher noch rächen es sei denn ich würde sie komplett fallen lassen und eine andere Lösung zu meinen Problemen finden. Aber wie findet man eine Lösung, wenn man bisher nur vor diesen davongerannt ist?

Diamond scheint mit jeder Nachhilfestunde stiller und doch schöner zu werden. Ihre dunkelbraunen Locken, die ihr schon seit vielen Jahren in einem wunderbaren Zauber um den Kopf tanzen, scheinen auf einmal mehr zu strahlen und manchmal gar zu glänzen. Ihre Augen scheinen auf einmal nicht nur rehbraun zu sein, sondern tragen eine Wärme in sich, in die ich mich zuvor immer zu fallen aufgehalten habe. Ihre Kurven, die so perfekt zu ihr passen, scheinen in den zumeist gelben, lila oder rosa Vintage-Kleidern, die sie die meiste Zeit trägt, noch schöner zu sein als noch vor einer halben Woche. Diamonds Stupsnase scheint immer niedlicher zu werden und ich muss mich dazu zwingen sie nicht anstupsen zu wollen, wie Alwin es noch immer bei mir tut, immer den großen Bruder mimend, der er eigentlich gar nicht ist.

Ich muss mich davon abhalten immerzu auf diese wohlgeformten Lippen zu starren, zu denen mein Blick doch vor kurzem noch gar nicht gewandert ist und von denen er sich nun so schwer lösen zu können scheint.

Wie soll ich das bitte noch dreieinhalb Wochen aushalten? Oder wie soll ich das noch die restlichen sechs Monate aushalten, die wir noch gemeinsam zur Schule, in die gleiche Klasse, teilweise in die gleichen Kurse, gehen?

Die Uhr tickt inzwischen wieder im Hintergrund. Es ist wohl das erste Mal, dass ich mitbekomme, dass in dieser Schule überhaupt etwas repariert worden ist. Doch, auch wenn ich geglaubt habe, dass dadurch die Zeit gefühlsmäßig etwas schneller vergehen wird, ist genau das Gegenteil der Fall.

Wenn überhaupt, dann scheint das Ticken mich noch mehr aus dem Konzept zu bringen und die Tatsache, dass Diamond neben mir an ihren Hausaufgaben sitzt und somit produktiver ist als ich es jemals sein werde, macht die ganze Sache auch nicht besser.

Ihre widerspenstigen Locken hat sie in einem schlampigen Zopf zusammengefasst, der ihr inzwischen schon wieder ein wenig vom Kopf rutscht. Sie kuschelt sich in ihren grauen Cardigan, den sie sich heute über das weinrote Kleid gezogen hat, das nicht den typischen Fünfzigerjahre-Outfits entspricht, die sie sonst trägt und eine schöne Abwechslung ist, auch wenn es mich interessieren würde, wie sie mit einer ganz normalen Jeans und einem T-Shirt aussehen würde.

Mein Englischessay scheint mich schon seit Minuten unentwegt anzustarren und mir sagen zu wollen, dass ich ihn endlich fertig schreiben soll, aber ich kann mich einfach nicht dazu bringen die Wörter richtig anzureihen, die Grammatik so umzustellen, dass sie Sinn ergibt. In meinem Kopf ergibt die englische Sprache keinerlei Sinn, ganz egal wie viele Serien ich mir auch mit deutschen Untertiteln ansehe, weil ich sonst absolut gar nichts verstehe.

A Detention's Resolution (GER, Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt