Diamond
Ich würde alles dafür geben sie öfter lachen zu hören. Ich würde alles dafür geben, dass öfter diese scherzhaften, lieblichen Worte ihre Lippen verlassen würden, die ihr gestern und heute noch so leicht herausgerutscht sind, aber die ich im Anschluss so schnell nicht mehr hören werde. Es ist eines dieser Dinge, die sie versteckt, hinter ihrer stählernen Rüstung versteckt, weil eben genau diese Dinge sie menschlich machen. Ich werde wahrscheinlich nie verstehen, wieso sie es tut, aber ich sehe zumindest was sie da tut. Man muss sich bei Milena alles nach und nach verdienen: ihr Lachen, die Gespräche, den Blickkontakt. Aber jedes Mal, wenn sie dann doch loslässt, fühlt es sich manchmal sogar so an, als ob wir uns schon ewig kennen würden und niemals etwas zwischen uns stehen würde, auch wenn dort immer diese unsichtbare Mauer zu sein scheint, die mich davon abhält ihr näher zu kommen und jenen Punkt zu erreichen, nach dem ich mich so sehr sehne. Meine Arme, um sie zu legen und gemeinsam die Sterne am Horizont zu betrachten, nach denen ich endlich zu greifen begonnen habe und die dennoch immer weiter fortzufliegen scheinen, während ich weiter hinabfalle und mich nicht mehr halten kann, egal wie sehr ich auch darum kämpfe den dunklen Horizont mit den Lichtern über mir endlich zu erreichen.
„Ich hasse diese Haare. Die sind viel zu lang", beschwert sie sich lautstark neben mir und bindet sich die Haare mithilfe des schwarzen Scrunchies, das sie immer um ihr rechtes Handgelenk trägt, zu einem schlampigen Knoten zusammen, der ihr nur wenige Sekunden später in den Nacken fällt.
„Dann schneide sie ab", rate ich ihr schmunzelnd und lasse meine Augen dann wieder zu ihrem Englischessay wandern, den sie bis heute prophylaktisch abgeändert hat, wobei uns allerdings beiden klar zu sein scheint, dass wir da noch sehr ausführlich drüber schauen müssen. „Ich denke es würde dir stehen."
„Ich hatte immer lange Haare", erwidert sie allerdings schlicht und beißt in den roten Apfel, den sie sich zuvor aus ihrer Lunchbox herausgeholt hat. „Ich bin so selten beim Friseur, dass ich mir, wenn ich da bin, nie mehr als die Spitzen habe schneiden lassen. Ich weiß gar nicht wie ich mit kürzeren Haaren aussehen würde."
„Es würde ganz bestimmt nicht schlecht aussehen", füge ich an und kann mich nicht davon abhalten meinen Blick auf ihre heute in Rot getauchten Lippen wandern zu lassen, als sie erneut von ihrem Apfel abbeißt. „Aber schlussendlich ist es ja immer noch deine Entscheidung was du mit deinen Haaren machst."
„Du hast gut reden. Deine Haare sitzen immer perfekt."
Ich lache auf und unterstreiche einen weiteren Halbsatz rot auf dem Papier, der grammatikalisch nicht ganz korrekt ist, auch wenn ich langsam erkenne woher ihre Fehler stammen. Meist sind es einfach ausräumbare Missverständnisse oder typisch deutsche Fehler, die sich in die Fremdsprache eingeschlichen haben. Fehler, die ich selbst als kleines Kind gemacht habe und die meine amerikanische Mutter immer mit Liebe verbessert hat, bis es plötzlich, außerhalb der Schule, niemanden mehr gab, der mir Englisch beibringen konnte.
Für eine Weile ist es still und ich bin froh darüber, dass nicht besonders viel in der offenen Bibliothek los ist, in der es in der Mittagspause sonst immer engbedrängt zugeht. Jetzt aber, nachdem nur noch zwei Oberstufenkurse und die Kunst-AG, die zumeist aus Achtklässlern besteht, stattfinden und Milena und ich uns alleine zwischen die Bücherregale an einem der alten, weißen Tische zurückgezogen haben, ist es ruhig und man kann gut arbeiten, wenn auch ich bisher die Einzige bin, die das tut.
Es ist so ruhig, dass man das Kratzen meines roten Filzstiftes auf dem Papier hört und sogar mein Bein, wie es nervös auf und ab wippt. Auch Milenas Kauen ist deutlich zu vernehmen. Die einzigen Geräusche scheinen aus dem Gang zu kommen, der etwas zehn Meter entfernt von uns liegt, am anderen Ende des Raumes. Die zwei Eingänge stehen, wie immer, offen. Die Geräusche scheinen von ein paar Schülern zu stammen, die den Unterricht dadurch verkürzen, dass sie auf die Toilette gehen.
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A Detention's Resolution (GER, Band 1)
Romance"Ich habe mir versprochen mich nicht mehr zu verlieben, aufzuhalten, dass alles sich wie in einer unendlichen Schleife wiederholt. Es hat funktioniert, zwei Jahre lang, bis sie meine ganze Welt auf den Kopf gestellt und verändert hat und das, ohne ü...