• Chapter One •

74 4 0
                                    

Vollkommen abgehetzt rannte ich von der Bushaltestelle über den Gutshof zu dem alten Herrenhaus. Jetzt fehlte definitiv nur noch, dass ich viel zu spät zur Teambesprechung kam oder mich auf die Schnauze legte.
Das wäre dann wirklich die Krönung des Tages.
Das Sahnehäubchen.
Das Tüpfelchen auf dem i.

Egal wie ihr es nennen wollt. Es würde einem Scheiß-Tag auch noch die Krone aufsetzen. Obwohl er sie gar nicht verdient hätte. Aber ich schweif mal wieder vom Thema ab.

Diese Besprechung ist die Letzte in diesem Jahr und es werden die Tour- und Arbeitspläne ausgegeben. Ich war unglaublich gespannt, wie viele und vor allem welche Pferde ich neben meinem eigenen Wallach Destino zugeteilt bekomme.

Doch ich sollte mich erst einmal vorstellen und erzählen was ich den lieben langen Tag so treibe.

Mein Name ist Sophia und ich bin Mitte November knackige 23 Jahre jung geworden. Nach zwei abgebrochenen Studiengängen und einem Jahr Pause hatte ich endlich mein Traumstudium gefunden. Seitdem studiere ich Germanistik im Hauptfach und vergleichende Literaturwissenschaft im Nebenfach. Ich hoffe wirklich, dass es diesmal klappt. Schließlich ist es mein dritter Anlauf. Aber es heißt ja nicht umsonst: 'Aller guten Dinge sind drei.'

Tja, mein Leben war bisher nicht immer so geradlinig wie bei manch anderem, der die Schule abschließt, danach eine Lehre oder ein Studium beginnt, einen Job findet und schlussendlich auch noch das Glück hat, seine große Liebe zu finden und eine Familie im Vorstadt-Reihenhäuschen gründet.

Oder um es mit einem Wort zu beschreiben: Perfekt!

Und mein Leben ist genau das NICHT!
Es ist so unperfekt, wie es das Schicksal zu lassen kann. Wenn ich ehrlich bin, hab ich mich mittlerweile sogar damit abgefunden im hohen Alter als einsame Katzenlady auf einem abgelegenen Bauernhof zu leben und zu sterben.

Ich meine, welcher Typ lässt sich schon auf eine tollpatschige, großmaulige, rebellische und komplett durchgeknallte Dramaqueen ein?
Genau. Niemand!

Versteht mich nicht falsch, ich hatte in meinem bisherigen Leben bereits drei Beziehungen, aber keiner hat es länger als vier Monate mit mir ausgehalten. Aber an diesem Punkt muss ich meine Ex-Freunde jetzt in Schutz nehmen.
Ich bin wirklich eine sehr anstrengende Person!
Ich kann mich manchmal ja nicht mal selbst ertragen, geschweige denn ausstehen. Das sind dann die Tage, an denen man mir nicht zu nahe kommen darf, sonst kann ich absolut für nichts mehr garantieren!

Selbst mein Nervzwerg hält sich dann dezent auf Abstand oder wird zu meinem Ruhepol.

Aber jetzt zurück zur Teambesprechung hier auf dem Gutshof.
Neben dem Studium oder besser gesagt um mir Studium, Pferd und eigene Wohnung leisten zu können, arbeite ich bei dem sehr erfolgreichen Turnierreiter Alexander Steiner als Pferdepflegerin und in gewisser Weise auch als Bereiterin.
Insgesamt gibt es hier 3 Teams mit jeweils 3 Mitarbeitern. Inklusive der drei Stallburschen, die sich um die knapp 40 Einsteller Pferde kümmern, und den beiden 'Stallmanagern' sind wir 14 Leute, die unter Steiners Fuchtel stehen. In den dreieinhalb Jahren, die ich jetzt schon für ihn arbeite, hat sich an seinem grundlegenden Konzept nichts geändert.

Jeder von uns bekam Anfang Dezember zwei Pferde, um die wir uns dann das ganze Jahr kümmern. Wir pflegen sie, misten die Boxen aus, halten das Sattelzeug in Schuss und nehmen jegliche Hufschmied und Tierarzt Termine wahr. Heißt im Klartext, wir übernehmen ein ganzes Jahr die komplette Verantwortung für die Tiere und behandeln sie wie unsere Eigenen.
Und zu genau dieser Zuweisung sollte ich ausnahmsweise mal pünktlich erscheinen.

Mit viel Anlauf und Schwung sprang ich die Treppen zur Eingangstür des Herrenhauses hoch. Dumm nur, dass wir Anfang Dezember hatten, es am Abend zuvor geschneit und es über Nacht auch noch gefroren hat. Leider erinnerte ich mich erst wieder dran, als ich mit dem Kopf voraus geradewegs in die schwere Eichentür krachte.
"Na super, besser kann es heute ja gar nicht mehr werden!", grummelte ich leise und rieb mir die schmerzende Stirn. Das gab mal wieder einen blauen Fleck. Mitten auf'm Hirn! Ganz großartig.

Plötzlich wurde die Tür vor mir aufgerissen und ein strahlender Ryan stand vor mir.
"Du kannst auch keinen normalen Auftritt hinlegen, oder?", fragte er mich lachend.
Gespielt schmollend erwiderte ich: "Wieso? Ist doch normal für mich. Klopfen kann schließlich jeder."
"Jetzt wissen wir wenigstens, dass dein Kopf selbst einer dicken Eichentür standhält."
"Wirklich witzig Ryan, wirklich witzig. Sind schon alle da?"
"Humor ist mein zweiter Vorname, Schätzchen", lachte mein Teamkollege und zwinkerte mir zu. "Komm, es fehlt nur noch Damian, dann kann's losgehen."

Love Passion and HeartbeatWo Geschichten leben. Entdecke jetzt