6 - Blut

207 13 0
                                    

Ihm war die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Er wich ruckartig ein Stück zurück, aber nicht so viel, dass er aus meiner Reichweite war, sollte ich ihn angreifen wollen. Meine Lippen verzogen sich zu einem verrückten Lächeln. Ich legte den Kopf nach hinten und kicherte leise, die Schmerzen trieben es an, sodass es schlussendlich mehr einem wahnsinnigen Gackern glich. Ich hatte die Augen zusammengekniffen, weshalb ich nicht mitbekam, dass Joker aufgestanden war und sich von mir entfernte. Ein leiser Schrei sammelte sich in den Tiefen meines Halses und wurde langsam aber sicher lauter, während die Schmerzen langsam von mir Besitz ergriffen. Es endete damit, dass ich mir die Seele aus dem Leib brüllte. Ich nahm schwach wahr, wie hinter mir irgendetwas krachte, war aber zu sehr auf das Feuer konzentriert, als dass ich mich näher damit beschäftigen konnte. Ich sank noch weiter zu Boden, legte den Kopf auf die kalten Steine und kniff die Augen fest zusammen. Meine Zähne knirschten, während ich versuchte, dem Schmerz entgegenzuwirken.

Plötzlich legte sich eine Hand auf meine Schulter und eine andere hob sanft mein Kinn an. Ich blinzelte ein paar Mal, als ich Joker vor mir knien sah. Er hielt einen der Becher in der Hand, den er zu meinen Lippen führte. Ich wollte ihm sagen, dass es nichts nützte, wenn ich Wasser trank, aber ich brachte die Worte nicht heraus. Er kippte den Becher, sodass ich keine andere Wahl hatte, als die Flüssigkeit darin zu trinken. Sie war dickflüssig und als sie auf meine Zunge traf, riss ich erschrocken die Augen auf. Die warme Flüssigkeit schmeckte nach Eisen. Einen Geschmack, den ich seit Monaten nicht mehr so intensiv geschmeckt hatte. Nur die Male, in denen ich mir zu stark auf die Zunge gebissen hatte, hatte er meinen Mund erfüllt. Doch das war etwas ganz anderes. Es war mein Blut gewesen und das hier, was Joker mir gerade zu trinken gab, war hundertprozentig nicht meines. Das konnte ich nicht nur deswegen sagen, weil ich nirgendwo verletzt war (das war wegen der vielen Schmerzen durch den Fluch allerdings auch schwer zu sagen), sondern auch, weil es anders schmeckte, als mein Blut. Es hatte etwas verborgen Säuerliches hinter dem metallischen Geschmack - sowas hatte ich noch nie geschmeckt. Allerdings konnte ich mich in diesem Moment auch nicht genauer damit beschäftigen, weil ich zu sehr davon besessen war, mir möglichst viel der Flüssigkeit in den Hals zu kippen. Ich spürte bereits, wie es in meinen Blutkreislauf gelang und das Feuer in meinem Herzen zügelte. Es wurde besser. Ja, mir ist klar, dass es normalerweise so war, dass alle Lebensmittel, die man zu sich nahm, erst durch den ganzen Verdauungsvorgang mussten, bis die Nährstoffe ins Blut gelangten, aber warum auch immer, war das bei mir in Verbindung mit Blut anders. Vielleicht hatte das auch etwas mit dem Fluch zu tun. Vielleicht wollte mein Körper sich ja gegen ihn wehren und das fremde Blut war eine willkommene Hilfe dafür. Mein Herz war zwar der Ursprung des Fluchs, aber es war in meinem Körper noch nie willkommen gewesen. Mein Körper hatte sich gegen das verfluchte Organ gewehrt - erfolglos offensichtlich - und mit dem fremden Blut gelang es ihm wenigstens, das Feuer zu bändigen.

Ich atmete einmal zittrig aus, als der Becher leer war. Es war nicht viel Blut gewesen, weshalb die Schmerzen noch immer groß waren, aber für den Moment waren sie genügend abgeschwächt, dass ich mich aufsetzen konnte. Ich fuhr mir mit einer Hand durch die verschwitzten Haare und leckte mir die letzten, noch so kleinen Tröpfchen Blut von den Lippen. Erst jetzt fiel mir auf, dass Joker mich mit seinen grünblauen Augen aufmerksam beobachtete. Ich sah auf den Becher hinunter, aus dem man noch eine gute Menge Blut auskratzen konnte, aber hielt mich davon ab, mich sofort darauf zu stürzen. Dann bemerkte ich Jokers linke Hand, in der er absurderweise ein kleines Stoff-Kätzchen umklammert hielt. Ich runzelte die Stirn und fragte: "Warum hast du eine Stoff-Katze in der Hand?"

Joker sah darauf hinab und öffnete die Faust, um mir den Grund zu zeigen. "Ich brauchte etwas, um die Blutung zu stoppen." Erst jetzt fiel mir auf, dass das Plüschtierchen die Farbe rot angenommen hatte - ein Killer-Kätzchen; würde vielen Patienten hier bestimmt gefallen (mir auf alle Fälle). Dann wurde mir klar, was das Ganze bedeutete.

Verfluchter Wahnsinn (Joker ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt