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Lena muss den Kloß in ihrem Hals herunter schlucken und setzt anschließend ein falsches Lächeln auf, was Mark natürlich nicht verborgen bleibt. Doch er muss sich ja selbst gerade zusammen reißen. Die beiden gehen aufeinander zu, umarmen sich kurz. „Morgen.“, murmelt er leise, seine Stimme klingt rau dabei. „Guten Morgen.“, antwortet sie, als Alec schon neben den beiden steht und den Popstar mit der Kappe ebenfalls begrüßt. Steff steht seit einigen Sekunden vor ihre Umkleide, ein paar Meter entfernt, und beobachtet das Geschehen. Sie spürt sofort, dass irgendetwas nicht stimmt. Als Lena die Silbermond-Frontfrau erblickt, gesellt sich diese zu der kleinen Gruppe und begrüßt ihre Kollegen. Kurz unterhalten die vier sich, bis die Arbeit ruft und Lena zunächst mit ihren Vocal Coaches einige Absprachen trifft und sich erste Gedanken macht, wie ihre Battle-Duelle aussehen könnten.

„Vielleicht sollten wir hier lieber noch mal tauschen und überlegen, ob es nicht auch cool wäre…“ John unterbricht seinen Satz, denn er spürt, dass Lena nicht bei der Sache ist. „Lena?“, fragt er vorsichtig. „Hm?“, gibt die Sängerin zwar zurück, ihr Blick ist allerdings immer noch in die Ferne gerichtete. Sie schaut durch die offene Tür hinaus in den Gang, wo sich Mark gerade mit einer der Kostümbildnerinnen unterhält. Leise seufzt sie, während sie sich plötzlich ganz schwer fühlt. Noch nie hat sie dieses Gefühl gehabt, wenn sie an ihn gedacht hat. Da war immer ein beschwingtes, glückseliges Gefühl. Lena schüttelt die Gedanken ab, dreht sich wieder John zu. „‘Tschuldigung. I-Ich war abgelenkt.“ Sie setzt wieder ihr geübtes Lächeln auf und versucht ihre Gedanken beisammen zu halten. Es gelingt ihr und eigentlich ist sie ganz dankbar für die Ablenkung durch die Arbeit.

Bis sie zu fünft zu den Interviews gerufen werden und Lena wieder fühlt, wie das Unbehagen in ihr nach oben steigt. Mark spürt ihren Blick auf sich und am liebsten würde er ihn erwidern, doch er traut sich nicht. Er hat Angst, dass seine Gedanken wieder abdriften. Bereits jetzt sind seine Hände schwitzig und sein Lachen nicht ganz so unbeschwert wie sonst. Er versucht den Gedanken zu verdrängen, als der Reporter ihn anspricht. „Wer ist denn dein Lieblingscoach?“ Mark muss schlucken, hat Mühe, die Fassade aufrecht zu erhalten. „Ich… ähm… mag alle. Also Lena kenne ich ja schon total lange, auch ihre Tricks und Kniffe, aber… ja.“ Lena spürt, wie unwohl er sich fühlt und auch Steff schenkt ihm einen mitleidigen Blick. Sie weiß nicht, was da gestern noch zwischen Lena und Mark passiert ist, aber wirklich jeder merkt, das etwas nicht stimmt.

„Und Lena, mit wem battelst du dich am liebsten?“ „Ich… ich mag Mark total, er ist ein guter Freund, da weiß ich auch, wie weit ich gehen kann.“ Der Chöre-Interpret traut seinen Ohren kaum. Bei den Worten guter Freund zieht sich sein Bauch unangenehm zusammen. Es stimmt ja, aber offensichtlich wissen beide eben nicht, wie weit sie gehen können. Auch Lena merkt augenblicklich, was für ein Quatsch sie erzählt. Also redet sie schnell weiter. „Aber natürlich müssen Steff und ich zusammen halten und unsere Frauen-Power nutzen.“ Der Reporter wendet sich daraufhin der Silbermond-Frontfrau zu und Lena riskiert einen kurzen Blick zu Mark, der jedoch äußerst konzentriert den Worten von Steff folgt. Auch Lena versucht sich wieder auf das Geschehen zu konzentrieren. Routiniert schafft sie es dann doch, das Interview zu beenden und auch ihre Einzeldrehs meistert sie.

Auch bei Mark scheint sich der Schalter umgelegt zu haben, er ist zumindest nach außen hin voll bei der Sache, auch wenn er seinen Puls, immer wenn Lena in seiner Nähe ist, einfach nicht kontrollieren kann. Warum nur hat er sie gestern geküsst? Mehr als einmal an diesem Tag stellte er sich diese Frage. So auch jetzt, als er gerade dabei ist, seine Sachen zusammen zu packen. Er findet keine Antwort darauf. Und noch weniger weiß er, ob es richtig war. Es hat sich gut angefühlt, extrem gut. Und natürlich war es Schwachsinn, sich mehr zu erhoffen. Die beiden sind so gute Freunde, seit Jahren. Das möchte er nicht aufs Spiel setzen wegen dieser kleinen Gefühlsduselei.

Er atmet noch einmal tief durch, bevor er seine Garderobe verlässt und auf dem Gang auf Steff trifft. „Na Forster, auch fertig?“ Er nickt zustimmend und lacht leise. Gemeinsam gehen die beiden Sänger den Gang entlang und steigen die Stufen hinab, während sie sich  unterhalten. „Hast du Lust auf noch ein Bier? Bei uns zu Hause? Thomas würde sich bestimmt auch freuen.“ Mark überlegt kurz, findet den Vorschlag gar nicht schlecht. „Klar, klingt gut.“ Gerade kommen sie an der letzten Stufe an, da sieht Mark schon Lena und ein Blick in ihr Gesicht lässt seine Stimmung direkt wieder sinken. Sie sieht nicht glücklich aus. Ganz und gar nicht.

„Lensche, willst du nicht auf noch auf ein Glas Wein mit zu uns kommen? Dein Lieblings-Forsti ist auch dabei.“ Die Silbermond-Frontfrau ist schon bei Lena angekommen, hat den Arm um ihre Schulter gelegt. Schüchtern schaut Lena zu Mark, der ihr ein aufmunterndes Lächeln schenkt, das Lenas Herz jedoch noch schwerer werden lässt. Schnell blickt sie wieder zu Steff. „Ich… ich glaube, mir ist heute nicht danach. Ich habe etwas Kopfschmerzen und bin ganz schön geschafft von den letzten Tagen.“ In sekundenschnelle zieht sich Marks Magen unangenehm zusammen. Er weiß, dass es seinetwegen ist, wegen des Kusses. „Ach Lena, komm schon. Ein Glas, wir sind doch noch jung und…“ „Steff.“, unterbricht Mark die Sängerin. „Gönnen wir Leni doch mal etwas mehr Schlaf als die letzten Nächte.“ Sichtlich verwirrt sieht Steff zwischen den beiden Popstars hin und her. Sie merkt, dass hier irgendetwas nicht stimmt und am liebsten würde sie sofort nachfragen, doch sie hält sich selbst zurück. Es geht sie nichts an. „Na gut.“, sagt sie also, umarmt Lena kurz, die ihr ein dankbares Lächeln schenkt. Auch Mark zieht die Braunhaarige kurz darauf in eine Umarmung. „Es tut mir leid.“, flüstert er leise in ihr Ohr, spürt schon wieder den Kloß in seinem Hals.

Gegen jede Vernunft Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt