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Der Abend ist in vollem Gange, die Gespräche sind anregend, die Stimmung locker und nachdem ein paar Tische gewichen sind, wird die erschaffene Tanzfläche nun immer voller. Auch Lena lässt sich davon anstecken und wird von Steff kichernd zum Tanzen gezogen. Sie kann genau spüren, dass Marks Blick auf ihr liegt und sie zwinkert ihm noch kurz zu, bevor sie sich dem Rausch der Musik hingibt. Sie fühlt sich gut. Frei. Diese Gefühle, die da in der Luft liegen, kann sie nicht genau definieren, doch eine Definition braucht es gerade auch nicht. Und so kann sie einfach genießen, auch wenn sie diese positive Wendung noch vor ein paar Stunden kaum erwartet hätte.

Mark kann ihr förmlich ansehen, wie gut sie drauf ist. Wie ausgelassen ihre Stimmung ist. Sein Blick klebt an ihr und es stört ihn kein bisschen. Er musste zwischenzeitlich so lange auf sie verzichten, er will einfach jede Sekunde genießen. Das Gespräch, in das er verwickelt wird, lässt ihn dann doch den Blick abwenden und so bekommt er nicht mit, wie auch ein anderer Mann Lena kaum aus den Augen lässt. Sie selbst genießt noch immer den guten Vibe des Abends. So spürt auch sie nicht die unangenehmen Blicke, die von dem jungen Mann ausgehen, der gerade ein Praktikum bei der Produktionsfirma absolviert.

Lachend dreht Lena sich zu Steff, um mit ihr ausgelassen zu tanzen. Locker bewegt sie sich im Rhythmus der Musik, als sie plötzlich etwas spürt, das ihren Po berührt. Überrascht dreht sie sich um, erwartet eigentlich, dass es ein Versehen gewesen wäre. Doch als sie einen ihr unbekannten Mann erkennt, der sie frech angrinst und mit schmierigen Ton fragt: „Lust auf ein bisschen Spaß?", realisiert sie, in was für einer ekligen Situation sie sich befindet. Gleichzeitig schaltet sich ihr Kopf aus und ihre Hand verselbstständigt sich, als sie mit Vollkaracho auf die Wange des Mannes trifft.

Ein dumpfes Stöhnen geht durch die Menge, woraufhin auch Marks Blick zu dem Geschehen gleitet. Schnell erkennt er Lenas entsetzten Blick und sofort durchquert er mit wenigen Schritten den Raum, blendet dabei alles um ihn herum aus. Er hat nicht mitbekommen, was da genau passiert ist, aber er hat eine dumpfe Vorahnung. Als er bei Lena ankommt, legt er sofort beschützerisch einen Arm um sie. Sie rutscht etwas an ihn, schaut immer noch geschockt. „Er hat mich angefasst.", murmelt sie fast tonlos, doch trotz der Musik versteht Mark jedes Wort. Alles in ihm spannt sich an und er stößt gut hörbar die Luft aus. Seinen Arm lässt er von Lenas Schulter sinken und geht einen Schritt auf den Mann zu.

Mit einem herausfordernden Blick schaut er diesen an. „Du hast sie ungewollt angefasst?", fragt Mark. Seine Stimme klingt dabei so hart, dass den Umstehenden sofort klar wird, wie ernst es ist. Nicht so allerdings dem Praktikanten. „Ach komm, du kannst mir doch nicht erzählen, dass es dir nicht auch in den Fingern juckt.", sagt er mit herausforderndem Blick. Einen weiteren Schritt geht Mark auf ihn zu und muss sich selbst zur Vernunft rufen. Lena kann das Geschehen nur untätig beobachten. „Mir juckt es vor allem in den Fingern, dir dein bescheuertes Grinsen für immer auszutreiben." Ein höhnisches Lachen verlässt den Mund des Mannes. „Im Gegensatz zu dir habe ich allerdings einen Ruf zu verlieren und deshalb werden das andere übernehmen." Trotzdem lässt Mark es sich nicht nehmen, den Typen leicht zu schubsen, bevor er sich wieder Lena zu wendet.

Erneut legt er den Arm um sie, bekommt nur noch am Rande mit, wie ein Chef der Produktionsfirma den Praktikanten mit sich aus dem Raum schleift. Durch Marks Kopf schießen so viele Gedanken, doch er kann absolut nichts sagen. Auch Lena ist noch ziemlich benommen von der ganzen Situation, legt ihren Kopf erschöpft auf Marks Schulter ab. „Soll ich dich nach Hause bringen?", fragt Mark nach einigen weiteren stillen Augenblicken. Lena nickt zustimmend und so verabschieden die beiden sich bei den anderen, deren Stimmung ebenso im Keller ist. Der Chef der Produktionsfirma entschuldigt sich im Gehen noch bei Lena, doch diese winkt nur ab. Schließlich kann er ja nichts für seinen blöden Praktikanten.

Vor dem Gebäude stehen bereits einige Taxen bereit und wenig später sitzen die beiden bereits in einem solchen. Lena nennt dem Fahrer ihre Adresse und das Auto setzt sich in Bewegung. Vorsichtig lässt Mark seine Hand zu Lenas wandern, greift fast fragend nach ihrer. Lena schenkt ihm ein kleines Lächeln und erwidert sanft seinen Griff. Die Fahrt verläuft still, beide hängen irgendwie ihren Gedanken nach. Je näher das Auto Lenas Wohnung kommt, desto bewusster wird ihr, wie ungern sie jetzt allein sein möchte. Gleichzeitig will sie Mark aber auch nicht fragen, ob er mit ihr kommt. Sie hat Angst, dass es zu früh ist.

Als der Wagen dann vor Lenas Haus hält, schaut sie nur unsicher zu Mark. Der scheint ihre Gedanken lesen zu können. „Soll ich noch mit hoch kommen?", fragt er sie leise. Lena nickt schnell, als sie merkt, wie sehr sie diese Frage erleichtert. Nachdem das Taxi bezahlt ist, betreten die beiden Musiker das Haus und kurz darauf Lenas Wohnung. Sofort öffnet Mark eine Flasche Wasser und reicht Lena kurz darauf ein gefülltes Glas. „Danke." Die Sängerin trinkt das Glas halb leer und Mark erkennt, dass sie grübelt.

„Was ist los, hm?", fragt er sie sanft. Ein Seufzen verlässt ihre Lippen. „Ich... ich wäre wirklich ungern allein." Sie spricht leise, blickt zum Boden, denn sie weiß nicht, wie er reagieren wird. „Ich bleibe.", sagt dieser sofort. „Ich bleibe, bis du schläfst. Ich komme morgen früh direkt wieder oder ich bleibe über Nacht... also... nur, wenn das nicht zu viel ist oder... ich..." „Es wäre schön, wenn du bleibst.", unterbricht Lena ihn leise. Ein Lächeln umspielt sanft ihre Lippen, das Mark erwidern muss. „Okay." „Okay."

Gegen jede Vernunft Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt