I must go down by the seas again, to the lonely sea and the sky,
And all I ask for is a tall ship and a star to steer her by,
And the wheel's kick and the wind's song and the white sails shacking,
And a grey mist on the sea's facing and a grey dawn breaking.
Sea fever ~ John Masefield
Die See ist tückisch und gemein. Man kann sie nicht bezwingen und jeder der es versucht wird scheitern. Man kann der See nicht seinen Willen aufzwingen, weil sie die Herrin ist und wir nur Teil ihres Spiels. Der Zorn der Meere ist grausam und seine Gleichgültigkeit ist es auch. Zur See fahren ist ein tödliches Spiel und doch, niemals hätte ich die Seefahrt aufgegeben. Niemals in meinem ganzen Leben, für nichts und für niemanden.
Mein Schiff war meine Heimat, meine Mannschaft meine Familie und die endlosen Weiten des Ozeans mein Spiel. Ach, wenn ich nur niemals von ihr hätte wegmüssen. Wie unbeschwert hätte mein Leben sein können. Welche Länder hätte ich sehen können? Welche Abendteuer erleben. Doch meine Reise sollte nicht auf dem Meer enden, meine Reise sollte mich an einen Ort führen, an dem es nichts gab, außer Dunkelheit und Gefahr. Ein Ort, an dem ich eine Fremde war und dem mir alles fremd und unbekannt war.
Doch ich muss weiter ausholen, um meine Geschichte zu erzählen, müssen wir fünfzehn Jahre in der Zeit zurück. In das Jahr an dem ich drei Jahre alt wurde. Das Jahr, in dem ich zum ersten Mal die Trauer kostete, die mich so viele Jahre treu begleiten würde.
Im Februar war meine Mutter schwer erkrankt, sie hatte Fieber und ich durfte sie niemals besuchen. Der Arzt sagte meinem Vater, dass Maman sterben könnte. Dass wir uns auf das schlimmste bereit machen sollten. Ich war damals nur ein kleines Kind. Was wusste ich schon vom Schlimmsten, von der großen Trauer, die bald kommen würde. Doch es kam anders, mit dem Frühling in Paris, kam meine Mutter wieder zur Gesundheit. Sie erholte sich langsam, aber doch sie wurde wieder gesund. An meinem Geburtstag im September machte sie meinen Lieblingskuchen, mit Zimt aus dem fernen Osten, den ihr mein Vater mitgebracht hatte. Wenn ich geahnt hätte, dass es das letzte Mal sein würde, dass sie ihn für mich machte, vielleicht hätte ich ihn mehr genossen.
Der Sommer in Paris war kalt und feucht und erneut erkrankte meine Mutter am Fieber und dieses Mal hatte sie keine Kraft mehr, um sich zu erholen. Sie starb am 5. Oktober und ließ Vater und mich allein zurück. Ich erinnere mich nicht mehr genau, was ich damals fühlte. Vielleicht war es zu Beginn nur ein dumpfes Vermissen, doch als mein Vater unbedingt unsere Wohnung in Paris verlassen wollte und in ein winziges Dorf, ganz weit wegziehen, da spürte ich Kummer und Schmerz. Es ist jene Art von Schmerz, die einem den Atem nimmt und die Kehle zuschnürt, bei der man schreien möchte und toben und weinen und doch kein Wort herausbrachte. Ich musste es ertragen. Alles was von meiner Mutter geblieben war, war eine silberne Kette, an der ein kleines Steuerrad hing und in den man das Sternbild des Segelschiffs graviert hatte.
Ich habe damals nicht geahnt, dass mein Abendteuer begann, als wir den Hafen und unser kleines Haus erreichten. Ich hatte Angst und war traurig. Ich hatte den größten Verlust in meinem Leben ertragen und nun meine Heimat verloren. Eines Nachts blickte ich über den Hafen auf das Meer, die Schiffe wogen sich im sanften Wind und aus weiter Ferne hörte ich die Möwen schreien. Der Duft des Meeres machte mir Versprechungen und die wilden Schreie der Vögel Hoffnung.
Sechs Jahre später an meinem neunten Geburtstag nahm mein Vater mich mit zur See. Es gehörte sich vielleicht nicht und es hieß immer Frauen an Bord bringen Unglück, doch mein Vater nahm mich mit auf die Artemis. Sein großes Frachtschiff, das Waren aus aller Welt nach Frankreich brachte. Teure Gewürze und feine Stoffe. Blumen und Getier und vor allem die Geschichten: Legenden und Mythen aus einer fremden Welt.
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The emptiness of a thousand seas
RomanceIsabelle liebt das Meer. Wenn sie könnte würde sie es niemals verlassen, doch der Wind dreht sich immer und sie muss die See, ihr Schiff und ihren Vater verlassen, um so die Schulden ihres Vater bezahlen zu können. Die Umstände sind gegen sie. Der...