Das Schloss erhob sich vor mir, drohend und gefährlich. Ihm fehlte Glanz und Anmut. Es erschien mir als würde es einem alles Leben aussaugen. Als ginge eine Kälte von diesem Ort aus, die alles Leben auslöschte. Solche Schlösser hatte ich schon einmal gesehen, in der Walachei bei den Slawen. Die Haushälterin brachte mich in ein kleines Zimmer im unteren Teil. Es hatte ein Fenster, dass beinahe an der Decke war. Was sollte ich nun tun. Die Stille machte mir Angst und nichts mehr wünschte ich mir als gleich wieder davon zu laufen.
Nun was blieb mir schon übrig, ich zog ein altes Kleid an und einen Kittel und eilte in die Küche. Doch von dort brachte man mich in das Arbeitszimmer des Prinzen. Ich hatte nicht vor mir besondere Mühe mit der Etikette zu machen, was konnte mir im schlimmsten Fall schon passieren?
„Guten Tag.", ich machte einen knappen Knicks und verbarg meinen Groll kein Stück.
„Zeig mir deine Hände.", der Prinz stand direkt vor mir. Eine Gesichtshälfte war von einer Maske verhüllt. Doch da war noch etwas anderes. Nicht die Kälte in seiner Stimme und auch nicht die Art wie er mich anblickte. Es war ein Geruch, von Wermut und Opium. Eine Mischung, die einem den Atem verschlug, wenn man sie kannte. Ich lächelte grausam und hielt meine Hände wortlos hin. Nun hatte der Prinz jede Achtung verloren, die ich vielleicht hätte haben können. Vor mir war wirklich kein Monster, sondern ein Abhängiger, der auf der Suche nach dem nächsten Schuss sich selbst vergas.
Der Prinz nahm meine Hände in die seinen. Sie waren nicht so weich, wie ich es erwartet hatte, aber immer noch weicher als meine eigenen. Er hatte große Hände und seine Finger strichen über die meinen. Es hätte eine seltsam intime Geste sein können, doch sie war es nicht, sie war unangenehm. So wie ein Kaufmann ein Pferd erst genau untersucht, ehe er es kauft.
„Du hattes viel harte Arbeit?"
„Nein.", antwortete ich ehrlich. Sie war mir nie hart vorgekommen. Ich hatte sie gerne gemacht.
„Deine Hände sagen etwas anderes, meine Stallburschen haben nicht solche Schwielen."
„Das ist dann wohl das Problem eurer Stallburschen, mylord.", abtwortete ich trocken.
„Bist du an Arbeit gewöhnt?", fragte er weiter, ohne meine Worte zu beachten.
„Ja das bin ich. Ihr werdet sehen, dass ich die Schuld meines Vaters schnell abgearbeitet habe.", damit wurde ich entlassen und in die Küche geschickt. Sie gaben mir genug Arbeit für einen ganzen langen Tag. Als ich zurück in mein Zimmer kam, legte ich eine Sternkarte auf den Boden. Ich kannte die Bilder auswendig, aber sie gaben mir immer noch das Gefühl nicht verloren zu sein. Nachts hörte ich Schreie, wie ein Tier, das verwundet war. Ich stand aus dem Bett auf und verließ das Schloss. Ich blickte in den Teil das Gebäudes, der nie renoviert worden war und der immer noch verbrannt war. Dort brannte Licht, eine Fackel bewegte sich vor den Fenstern. Ich fragte mich wie weit ihn das Opium schon in den Wahnsinn getrieben hatte.
Eine ganze Woche gab es nichts als harte Arbeit. Ich hörte die Geschichten zu den Schreien und die Geschichte zu den verbrannten Giebeln. Sie war traurig, auf ihre Art. Die tote Prinzessin, die im Schloss spukte. Eines Morgens traf ich Lady Antoinette. Die Cousine des Prinzen und eine echte Kurtisane. Ich wollte sie nicht leiden können, weil ich in China die Kurtisanen getroffen hatte. Es waren eingebildete Frauen, schön gekleidet und geschmückt und doch waren sie nichts mehr als gewöhnliche Huren, die sich für die Gunst des Herrn verkauften.
„Du bist also die neue Magd, wie ist dein Name?"
„Isabelle Fayette.", antwortete ich und dachte gar nicht daran den Blick zu senken. Sie sah mich aus kalten grünen Augen an, ich sah sie mit funkelnden dunkelblauen an.
„Sie entschuldigen mich Madame, ich habe noch viel Arbeit.", noch eine ganze Woche bekam ich den Prinzen nicht zu Gesicht und ich war froh darüber, so konnte ich meine Arbeit in Frieden erledigen und ein wenig traurig sein.
Es war eine Vollmondnacht und ich fand keinen Schlaf. Ich verließ mein Bett und zog die Violine darunter hervor. Es war ein trauriges Stück, das ich irgendwo in der Walachei bei den Zigeunern zum ersten Mal gehört hatte. In der Stille des Schlosses klangen die Töne weit und tiefe Trauer überkam mich. Ich weinte nicht, aber mein Herz wurde so schwer und ich glaubte nie wieder froh sein zu können. Während ich spielte, träumte ich mich ganz weit fort, auf das Meer. Auf ein Schiff, wo es keinen Prinzen gab, kein Schloss und keine dreckigen Vorhänge. Vielleicht hätte ich leiser gespielt, wenn ich geahnt hätte, dass ich Zuhörer hatte. Vom obersten Zimmer lauschte jemand meinem Spiel und fühlte sich genauso traurig, wie ich es war.
Nach jener Nacht begegnete mir der Prinz ein paar Mal und ich kann nicht verschweigen, dass mir sein Anblick immer wieder einen Schrecken einjagte. Es war nicht, dass er sich irgendwie anders verhielt, dass so unsäglich grausam war oder mich mit bösen Worten strafte. Doch etwas in seinen Augen überkam mich jedes Mal wie der kalte Regen in der Walachei. Es war gut, dass er mich nicht viel beachtete, für ihn war ich nur eine Küchenmagd, wie jede andere auch.
Nun war ich drei Wochen bei Hofe und ich es war weit weniger abenteuerlich als ich angenommen hatte. Es war ruhig, die Arbeit war hart, die Tage lang und die Nächte kurz. Albertine die Haushälterin, konnte mich zu Anfang nicht sehr leiden. Sie nannte mich jung und nutzlos, weil ich nicht annähernd so gut kochen konnte, wie ich es hätte sollen. Weil ich in meinem ganzen Leben noch nie gestrickt hatte und nur mittelmäßig gut bügeln konnte.
„Ich dachte dein Vater hat nur eine Tochter und sei Witwer, wer hat die Hausarbeit gemacht?", fragte sie mich scharf als ich alle ihre Fragen beantwortet hatte.
„Ich habe sie gemacht, aber es war nicht so wichtig, wie unsere Kleider aussehen. Auf See stört es doch keinen.", gab ich zurück und wenn ich ehrlich war, ein wenig schämte ich mich nun doch dafür. Schließlich gehörte es zu den guten Qualitäten einer jeden Ehefrau und ich versagte auf ganzer Linie.
„Dann warst du auch auf See? Mit deinem Vater?", sie zog eine Augenbraue hoch und sah mich ungläubig an. Ich war gerade zwanzig und für sie noch ein halbes Kind. Sie konnte nicht annehmen, dass ich unser Haus und Frankreich je verlassen hatte. Ich nahm es ihr nicht übel, in einem anderen Leben wäre ich vielleicht nie zur See gefahren.
„Gewiss, mein Vater konnte mich nicht einfach zurücklassen. Ich habe keine anderen Verwandten und er musste irgendwie Geld verdienen.", ich zuckte mit den Schultern. Mein Vater hatte es nicht gerne getan, dass wusste ich, zumindest am Anfang hatte es ihm nicht gefallen und ich glaube ich hatte in meiner ersten Nacht auf dem Meer große Angst, aber das lag so weit zurück. So viele Jahre und Abenteuer waren seitdem vergangen.
„Dann scheust du die Arbeit nicht? Du kannst hart arbeiten?"
„Ja, Madame das kann ich.", sie nickte und hatte mich an die Arbeit geschickt. Vielleicht hatte sie gezweifelt. Sie hatte wohl gedacht mein Vater hätte mich geschont, aber das stimmte nicht. Er sagte mir einmal, dass jeder an Bord seine Aufgabe hätte und jeder arbeiten müsse oder er würde eben nichts zu essen bekommen.
Nach drei Wochen hatte sie ihre Bedenken abgelegt. Albertine war beinahe freundlich zu mir und behandelte mich wie jede andere Magd auch, gerecht und liebevoll, wenn auch zurückhalten. So ging es mir auch mit Florian, dem Kammerdiener. Er war reservierter als Albertine, aber zumindest schien er mich nicht als völlig nutzlos zu betrachten.
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The emptiness of a thousand seas
RomanceIsabelle liebt das Meer. Wenn sie könnte würde sie es niemals verlassen, doch der Wind dreht sich immer und sie muss die See, ihr Schiff und ihren Vater verlassen, um so die Schulden ihres Vater bezahlen zu können. Die Umstände sind gegen sie. Der...