Ich war als totkranke Dienstmagd fortgegangen und nun kehrte ich als freie Frau zurück. Es war ein gutes Gefühl frei zu sein, aber ohne Aufgabe kam ich an den Rand der Verzweiflung. Der Sommer ergoss sich in all seinen Freuden. Doch ich konnte nicht einfach nichts tun. Bald schenkte ich meine ganze Aufmerksamkeit dem Dorf und seinen Leuten. Es gab so viel zu tun, so viele Dinge, die ihr Leben erleichtern würden. Bisher habe ich immer nur Dorf gesagt und von Bauern gesprochen, eigentlich war es eine Stadt und sie stand in den Anfängen an Einfluss zu gewinnen. Mit der sich legenden Furcht vor den Steuereintreibern und den Launen des Prinzen, da schien die Stadt zu erblühen. Noch vor einem Jahr als ich zum ersten Mal hier gewesen war, da war mir alles so schrecklich grau und trostlos erschienen. Die Farben waren zurückgekehrt.
Graf Armande hatte mir einmal gesagt, dass Parfum ein Privileg sei und nicht für die Masse und trotzdem kannte längst ganz Frankreich unser Parfum. Wie eine Flutwelle hatte es sich ausgebreitet und die Damen der feinen Gesellschaft drängten in den Parfümerien nach mehr von dem feinen Wasser. Mein Vater brachte Gewürze und Pflanzen aus allen Ländern mit zu uns und der Graf verstand es selbst den Geruch des Sommers in kleine Fläschchen zu füllen.
„Ich habe etwas für dich, Isabelle. Ich weiß nicht, ob ich den Geruch genau getroffen habe, aber ich habe es versucht.", als ich die Viole entkorkte steig mir der scharfe Geruch der See in die Nase. Es roch nach Salzwasser, nach Holz und Segeltuch, nach langen Nächten und verheißungsvollen Fahrten. Nach Freiheit und Abenteuern. Wie eine warme Sommernacht auf See.
„Es ist genau richtig, Monsieur.", antwortete ich träumerisch. Später sollte er es, le couer de la mer'- das Herz der See nennen und ich trug es jeden Tag, für den Rest meines Lebens ohne Ausnahme.
Meine Unternehmungen waren ertragreich, aber sie gaben mir einen ganzen Berg neuer Aufgaben. Steuern, Gesetze und der Erhalt des Friedens waren nicht meine Aufgaben. Es war nicht meine Aufgabe das Land zusammen zu halten. Aber die Finanzen sollten es werden. Mathematik und Berechnungen waren weder unterhaltsam noch aufregend, aber auch ein Seefahrer muss rechnen können und ich hatte mich dem ganz selbstverständlich angenommen. Erst durch Zufall, weil ich die Einnahmen kontrollieren wollte.
„Was genau machst du da?", ich saß an León Schreibtisch, vor mir einige Bögen Papier alle dicht beschriftet. Tinte klebte mir an den Fingern und an den Ärmeln meiner Bluse, so gar auf meiner Wange war ein dunkler Fleck.
„Lieferscheine ausfüllen und die Ausgaben berechnen.", antwortete ich, ohne aufzublicken. Mir kam gar nicht in den Sinn, dass ich vielleicht stören könnte. León trat hinter mich, blickte kurz auf meine Arbeit, dann schob er meinen Zopf beiseite und küsste meine Hals. Ich ließ die Feder sinken und bog mich ihm ein wenig entgegen. Eine Weile liebkoste er mich, dann nahm er die Blätter und betrachtete sie genau.
„Warum hältst du dich mit solchen Dingen auf?", fragte er schließlich und blickte mich durchdringend an.
„Stört es dich? Ich will dich mit meiner Arbeit nicht kränken.", es gab mir einen Stich, denken zu müssen, dass ich bald wieder ohne Aufgabe dastehen würde.
„Nein, natürlich nicht, aber es ist viel Arbeit. Viele Zahlen, es muss dich doch langweilen.", ich lachte ihn an. Von Langeweile konnte kaum die Rede sein. Ich war nie glücklicher, als wenn ich beschäftigt war. Mochten es auch nur viele Zahlen und hohe Summen sein.
„Eigentlich macht es mir Spaß. Aber ich fürchte ich halte dich von deiner Arbeit ab, ich werde mir einen anderen Platz suchen müssen.", ich raffte die Blätter zusammen und erhob mich. León küsste meine Wange, dann ging ich.
Schon zwei Tage später stand ein schwerer Sekretär aus Rosenholz unter dem Fenster im Arbeitszimmer. Ich hatte gesehen, wie Gerome und ein Stallbursche ihn gebracht hatten. Auf der Schreibfläche lag ein Briefbogen mit meinem Namen darauf.
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The emptiness of a thousand seas
RomanceIsabelle liebt das Meer. Wenn sie könnte würde sie es niemals verlassen, doch der Wind dreht sich immer und sie muss die See, ihr Schiff und ihren Vater verlassen, um so die Schulden ihres Vater bezahlen zu können. Die Umstände sind gegen sie. Der...