Wintersonne und Sommerfrost

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Ich hatte mir angewöhnt manchmal ins Dorf zu gehen und die Leute dort zu besuchen. Angefangen hatte es als man mich mit ihnen zur Weinernte schickte. Die Ernte der Reben war anstrengen, weil man erst den Hang hinaufmuss und dann Rebstock für Rebstock abernten muss, bis man schließlich seinen Korb voll hat und wieder den Hang runter muss, nur um dann wieder hinauf zu müssen. Trotzdem machte es Spaß, ich konnte das Schloss und seine grimmigen Mauern verlassen und ich konnte mit den Menschen reden. Die Dörfler waren hauptsächlich Bauern, es gab nur ein paar wenige Kaufläute, die den Wein in halb Frankreich verteilten. Trotzdem überraschte es mich nicht, dass viele von ihnen bitterarm waren. Es gab zu viel Angebot auf dem Markt und der Wein aus dieser Region zeichnete sich nicht besonders aus, er war nicht besser oder stärker oder süßer als der Wein in anderen Gebieten und verkaufte sich demnach weit nicht so gut wie der spanische Wein, oder der Habsburgerwein aus Wien.

„Mademoiselle Isabelle, wie kommt es, dass sie eine Magd im Schloss geworden sind?", Bastian war einer jener Bauern, ich mochte ihn trotz seiner rauen Art oder vielleicht gerade wegen ihr. Er hatte sechs Kinder und konnte sie nur gerade so ernähren, zumindest solange keines von ihnen Medizin brauchte.

„Wie in allen Dingen, Monsieur Bastian, ist es das Geld, ich zahle die Schulden meines Vaters ab und kann erst heimkehren, wenn der Kredit bezahlt ist.", ich lächelte ihn an. Er hatte mir diese Frage am dritten Tag der Ernte gestellt als er langsam anfing mich nicht mehr zu verachten. Ich unterhielt die Kinder mit langen Geschichten über die fernen Länder und meine Abenteuer.

„Wie ist es da oben, es heißt der Prinz sei sehr grausam.", er sah mich mitleidig an. Ich zuckte nur die Schultern und blickte kurz in den Himmel hinauf, es war ein heller, klarer Tag.

„Es ist eigentlich nicht so schlimm, sicher er kann boshaft sein und seine Launen sind beinahe unerträglich, aber man gewöhnt sich irgendwie daran.", antwortete ich schließlich knapp, weil mir einfach nichts Besseres einfallen wollte.

„Dann behandelt er auch besser als uns. Die Steuern werden in jedem Jahr höher und Gerome treibt sie ohne Gnade ein. Wenn der Markt im nächsten Jahr nicht besser wird, dann weiß ich nicht wie ich meine Kinder ernähren soll.", ein besorgter, grimmiger Schatten huschte über seine Züge. Ich spürte tiefe Wut, die von ihm ausging. Solche Wut konnte zu schlimmen Dingen führen, wenn der Prinz sich weiter der Verantwortung entzog, dann würden sich die Dorfleute womöglich eines Tages rächen.

„Vielleicht muss am Wein etwas verändert werden, er muss sich abheben, dann wird der Absatz besser. Habt ihr einmal daran gedacht, Rebsorten aus Spanien oder gar aus Portugal anzubauen?", ich hatte in Wien einmal einen Weinkelter getroffen und er hatte sehr langatmig über die Vorzüge des portugiesischen Weins gesprochen.

„Natürlich haben wir schon daran gedacht, aber die Sorten zu vermischen. Das wäre nicht richtig. Das gehört sich nicht."

„Was nutzt es sich an die alten Gesetze zu halten, wenn niemand in kaufen will?"

„Trotzdem, wie sollen wir an neue Sorten kommen, der Prinz wird es nicht bezahlen und wir können es uns nicht leisten.", er sah mich bekümmert an. Ich beschloss diesen Leuten zu helfen, wenn der Prinz es nicht tun wollte, dann würde ich es eben tun müssen. Mein Vater würde noch in diesem Jahr nach Lissabon kommen und vielleicht konnte er mir ein paar Stöcke mitbringen.

Als er im Winter nach Frankreich heimkehrte, hatte er sechs kleine Setzlinge bei sich. Er ließ sie mir schicken. Natürlich war es zu spät, um den Wein noch zu pflanzen, im kalten Winter würde er sterben. Ich musste auf das alte halbverfallene Gewächshaus zurückgreifen. Dem Prinzen sagte ich davon natürlich nichts, er schien es nicht zu bemerken und stellte keine Fragen.

Ich versprach Bastian die Setzlinge für den Frühling und stieg damit erheblich in seinem Ansehen. Ich war ein gern gesehener Gast in seinem Haus, vermutlich auch, weil ich immer einen Korb mit Essen mitbrachte und die Kinder mit Geschichten versorgte.

The emptiness of a thousand seasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt