Ich brauchte am nächsten Morgen keinen Spiegel, um zu wissen, dass ich blaue Fingerabdrücke am Hals hatte. Meine Kehle fühlte sich wund an und meine Stimme glich einem Reibeisen. Nun, mir blieb keine Wahl als ein Tuch um meinen Hals zu schlingen, es musste niemand wissen, was vergangenen Nacht geschehen war und wie nahe ich einem frühzeitigen Ableben einmal mehr gekommen war.
„Guten Morgen Isabelle. Du bist spät.", Albertine drückte mir eine Tasse Kaffee in die Hand und scheuchte mich aus dem Weg. Ich kippte das bittere, starke Gesöff hinunter unversuchte dabei nicht zu sehr, dass Gesicht zu verziehen.
„Verzeihung, ich fand heute Nacht einfach keinen Schlaf.", antwortete ich leise.
„Wie auch immer, du gehst jetzt und reinigst das Arbeitszimmer des Prinzen.", ich hatte eigentlich gehofft, dem heute aus dem Weg gehen zu können, ich seufzte.
„Werde ich ihn nicht bei etwas stören."
„Nein, er ist schon vor Sonnenaufgang davongeritten und wenn du fertig bist, dass sollst du in den Stall gehen.", Albertine sah mich beinahe mitleidig an. Offenbar hatte der Prinz sich eine ganz besondere Strafe einfallen lassen, dafür das er mich beinahe erdrosselt hätte.
„Alexandre der Stallmeister, will dich sehen. Du sollst dein Glück mit einem seiner Pferde versuchen.", ich legte den Kopf schief und zog eine Augenbraue hoch. Ich hatte noch nie ein Pferd gezähmt. Nicht wirklich jedenfalls. Ich hatte gesehen, wie es andere taten, aber selbst hatte ich es noch nie getan.
„Warum denkt er, dass ich so etwas kann?"
„Oh, das tut er nicht, aber alle seine Stallburschen sind daran gescheitert und er stellt einen Preis für denjenigen aus, der es schafft. Ich dachte, dass würde dir vielleicht helfen.", sie zuckte mit den Schultern. In den letzten paar Wochen war sie mir eine liebe Freundin geworden. Ich hatte nie eine Mutter gehabt und sie nahm sich meiner an, sie gab mir ein Gefühl dafür, wie es hätte sein können.
„Dann werde ich es wohl versuchen müssen."
Das Arbeitszimmer zu reinigen war längst eine alltägliche Arbeit geworden. Es gab wenig aufzuräumen und der Prinz machte keine Unordnung. Ich konnte mich kaum konzentrieren, weil ich immer zu an das wilde Pferd unten im Stall denken musste. Es hatte nicht geholfen, dass Corine mir erzählte, dass es einem Stallburschen die Rippen zertrümmert hatte und einem anderen fast den Schädel, aber der Stallmeister stellte 70 Livre in Aussicht und ich brauchte das Geld wirklich dringend, wenn ich von hier schnell fortwollte.
Ein paar Erinnerung hatte ich an das Zähmen der Pferde. Vor einigen Jahren hatte ich einmal einen Pferdemeister in Persien getroffen. Er zähmte die wilden Araber für den Sultan. Ich hatte ihn anziehend gefunden und er mich, so hatten wir oft darüber geredet und er hatte mich manches Mal mitgenommen. ‚Ein Pferd ist einem Menschen nicht unähnlich, wenn du zu grob bist, dann wird es niemals gehorchen. Aber du darfst ihm auch nicht zu viel freie Hand lassen, sonst wird er dich nie akzeptieren. All diese Dinge gingen mir durch den Kopf, während ich mich umzog. Ich hatte nicht vor einem wilden Hengst in Röcken und Schürze entgegen zu treten.
Der Stallmeister sah mich mir hochgezogener Augenbraue an. Das konnte zwei Gründe haben. Vielleicht hatte er noch nie eine Frau in Hosen und Reitstiefeln gesehen oder natürlich er glaubte, das Pferd würde mich umbringen.
„Poseidon ist auf der Koppel, wenn du ihn zähmen kannst, bekommst du 70 Livre, wenn nicht, dann hat der Prinz beschlossen, dass er fortkommt."
„Ich verstehe.", antwortete ich knapp.
Poseidon war ein sehr großes Pferd und er konnte einem vielleicht Angst machen, wenn er in vollem Galopp auf einen zu kam, doch ich zuckte nicht zurück. Er tobte und schlug nach mir aus, während ich immer wieder auf ihn zukam. Noch hatte ich ihm nicht einmal einen Strick umlegen können. Aber ich war fest entschlossen nicht nachzugeben und wenn wir uns dabei gegenseitig aufarbeiten würden. Schließlich ließ er mich doch näherkommen und ich konnte ihm endlich das Halfter umlegen.
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The emptiness of a thousand seas
RomanceIsabelle liebt das Meer. Wenn sie könnte würde sie es niemals verlassen, doch der Wind dreht sich immer und sie muss die See, ihr Schiff und ihren Vater verlassen, um so die Schulden ihres Vater bezahlen zu können. Die Umstände sind gegen sie. Der...