»W-weinst du?«

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Myles

Staub wirbelt auf und glitzert sanft im Licht der hereinfallenden Sonne. Die flauschigen Wolken fliegen in kreisenden Bewegungen durch die Luft und landen dann elegant zurück auf einem freien Platz.

»Walker, bringen Sie mir bitte einen Kaffee!«, brummt mein Chef genervt und setzt sich in seinem Stuhl gerade auf. Er kräuselt die juckenden Nase, während seine Augen über die dreckige Tastatur fallen. Angeekelt mustert er die Staubschicht, welche sein ganzes Büro überzieht. »Der kleine Laden an der Ecke eine Straße weiter soll ausgezeichnet sein.«

»I-«

»Schwarzer Grande, zwei Päckchen Zucker, danke. Sie können jetzt gehen.« Mr. Miller wendet den Blick von mir ab und sieht hinunter auf seine Hände, mit denen er beginnt, die Blätter auf seinem Schreibtisch zu sortieren. Ein Zeichen dafür, dass er eigentlich nichts zu tun hat, aber dennoch nicht gestört werden möchte.

Ich schlafe jetzt mit meiner Assistentin, schreit er förmlich und ich kann es ihm nicht verübeln. Nach einem stressigen Businesstrip würde ich mich am liebsten auch etwas vergnügen. Wenn auch nicht mit Patricia, die uns andere nicht mal mit dem Arsch anschaut, seit sie die Auserwählte unseres Bosses ist.

Ich nicke stumm und trete rückwärts aus dem Büro. Ich schließe hinter mir die Türe und drehe mich ruckartig um, da stoße ich auch schon in eine andere Person. Hart knalle ich mit dem Gesicht gegen die Schulter einer muskulösen Gestalt.

»Sorry«, murmle ich und hebe mein Gesicht aus dem Stoff des teuren Anzugs. Er ist weich und duftet nach Ebenholz und Lavendel. Der Duft brennt mir wild in der Nase.

»Hey, wohin hast du es so eilig?«, fragt Jacob amüsiert und richtet sich die violette Krawatte. »Hast du vergessen, Geld in den Automaten zu werfen? Oder parkst du wie die andere Parkplatzlosen vorm Target?«

Er weiß, dass ich kein Auto besitze und jeden Tag durch die halbe Stadt hetzen muss, um pünktlich zur Arbeit zu erscheinen, dennoch scheinen ihm diese Witze zu amüsieren.

Seit wir uns kennen, verspricht er mir, mich eines Tages mal in seinem Bonzenauto mitzunehmen, doch sobald ich ihn darauf anspreche, denkt er sich irgendeine Lüge aus, um es dann doch nicht machen zu müssen. Immer noch bin ich mir unschlüssig, weshalb er dies nicht möchte, tippe jedoch darauf, dass er wenn nur anregende, junge Frauen einlädt, damit diese ihn nachher in ihr Höschen lassen.

»Ich muss kleine Besorgungen für Mr. Miller machen. Brauchst du auch irgendwas? Kaffee? Tee?«, frage ich ihn.

»Ja, bring mir Waffeln mit«, bittet er mich und drückt sich an mir vorbei, um zurück zu seinem Platz zu hetzen. Er hat immerhin die Aufgabe bis spätestens drei seine Meinung über die Sucht nach Zucker zu schreiben. »Mit Schokoladenkaramellsauce und Straciatellaraspeln. Oh, und Dosenkirschen. Und viell-«

»Zahlst du denn auch?«, frage ich misstrauisch und denke an die große Summe, die er mir bereits schuldet. Ich werde wahrscheinlich erst an meinem Tod einen Teil davon sehen und das in Form eines Blumenstraußes und einer billigen Plastikkerze.

Er grinst mich breit an und zwinkert mir zu. »Wenn sie gut und noch warm sind, bezahle ich dir sogar die Lieferung.«

»Idiot«, brumme ich, fische mir meine Geldtasche vom Schreibtisch und entscheide mich dann endlich dieses stickige, laute Büro zu verlassen. Ich gehe an dem Lift vorbei und öffne die Tür des Stiegenhaus.

Unter mir klatschen die hässlichen Lackschuhe auf den harten Stein der Stufen. Ich strecke die Hand aus und halte mich an dem kühlen Eisengelände fest, um nicht zu stolpern und hässlich aufs Gesicht zu fallen.

BullyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt