»Wieso lässt du dich von deinem Chef wie einen Laufbursche behandeln?«

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Myles

»Myles, da bist du ja«, begrüßt mich Jacob fröhlich und packt mich an der Schulter. Er drückt mich runter auf einen fremden Bürostuhl und grinst mich breit an. »Wie kann es sein, dass wir im selben Abteil arbeiten und uns heute noch kein einziges Mal gesehen haben?«

Weil ich dir aus dem Weg gehe, denke ich mir und beiße mir fest auf die Unterlippe, um es nicht doch noch laut auszusprechen. Ich sehe mich um, doch der Besitzer des Stuhles ist nicht zu finden.

»Ne, ich war nur beschäftigt«, lüge ich und sehe zurück in sein strahlendes Gesicht.

Er nickt sanft und packt mich an der Hand. Er hält sie fest umschlossen, als wisse er, dass ich vorhabe, mal wieder vor ihm zu fliehen. »Was machst du morgen?«

»Oh, i-«

Er lässt mich nicht ausreden und labbert sofort drauflos, »Ich habe kein Date für Freitag, aber ich habe gesehen, dass wir da alle früher frei haben werden, da Mr. Miller ein Abendessen mit unserem Verlag hat. Deswegen fällt auch das Firmenessen aus. Da dachte ich, wir könnten doch vielleicht gemeinsam essen gehen.«

Ich zögere, doch schüttle dann als Antwort den Kopf. Ich kann nicht. Wenn ich Sasha alleine lasse, wird er wahrscheinlich wieder irgendwas anstellen. Vielleicht komme ich zurück und er hat alles unter Wasser gesetzt.

Jacob zögert einen Moment, zerstört jedoch kurz daraufhin wieder meine Hoffnung, er würde mich jetzt in Ruhe lassen, und sagt zufrieden, »Am Abend hast du doch bestimmt Zeit. Wir könnten in die Bar gehen, von der ich letztens gesprochen habe. Oder wir gehen etwas Essen.«

»Du gibst nicht auf, solange ich nicht einschlage, oder?«, frage ich das offentsichtliche und seufze schwer.

Er nickt wieder. In seinen Augen spiegelt sich die gewohnte Arroganz, die ich bereits acht Jahre bei Sasha gesehen habe. »Du darfst nur entscheiden, ob du Essen oder Trinken gehen möchtest.«

Ich erhebe mich, als Evelyn auf ihren kurzen Beinchen eilig auf uns zutorkelt. Kaum stehe ich, wirft sie sich auch schon auf ihren Stuhl und gibt ihr Computerpasswort ein.

»Du bist mal wieder nur im Weg«, schnauzt sie mich an und tritt mir mit Absicht auf den Fuß. »Wenn du keine Ahnung hast, was du tun kannst, dann mach dich nützlich und räum im Aufenthaltsraum auf.«

Jacob lacht amüsiert, dreht mir dann jedoch den Kopf zu und trällert, »Ich freue mich auf morgen.«

Auf ihn ist kein Verlass. Ich weiß jetzt schon, dass ich mir keine Gedanken darüber machen muss, dass wir wirklich essen gehen werden. Er hat immerhin bis morgen noch Zeit, sich ein Date zu angeln.

Ich schüttle eilig den Kopf. »Ich mich auch.«

»Okay«, sagt er und dreht sich seinem Laptop zu, um mal wieder beschäftigt nichts zu tun.

Ich entferne mich von ihm und lasse mich auf meinen eigenen Stuhl weit von ihm entfernt fallen. Ich gebe das Passwort meines Computer ein und verdrehe die Augen, als ich die ganzen offenen Files sehe. Das wird mich Zeit kosten.

Ich lege den Kopf auf meinen am Tisch verschränkten Armen ab und schließe die Augen. Hoffentlich werde ich damit bis heute Abend fertig. Sonst kann ich am Wochenende die Arbeit mit Nachhause nehmen.

»Walker«, weckt mich eine tiefe Stimme. Neben mir klatscht eine dünne Mappe auf den Tisch. »Wenn Sie schon nicht arbeiten, dann holen Sie mir einen Kaffee! Schwarzer Grande mit zwei Päckchen Zucker.«

Ich hebe eilig den Kopf und öffne den Mund, doch er ist bereits wieder auf seinem Weg zurück in sein Büro. Hinter ihm knallt die Tür zu.

»Dummkopf«, flüstere ich und kicke meinen Papiereimer, der durch die ganzen Beulen keinen Halt mehr findet und nach dem kleinen Tritt sofort umkippt. Papierkugeln verbreiten sich auf dem gesamten Boden. »Na toll. Gut gemacht, Myles. Willst du dir nicht noch mehr Arbeit machen?«

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