Sasha
Ich sehe Myles zögernd nach, während er Dad wie ein kleines Lamm hinterherstolpert. Er wirft mir einen letzten vorsichtigen Blick zu, bevor er hinter sich die Terrassentür schließt.
Ich seufze, mache mich bereit auf verletzende Worte und einem großen Streit, doch zu meiner Überraschung tanzt ein ehrliches Lächeln auf Mom's Lippen, als ich zu ihr sehe.
»Er scheint ganz lieb zu sein«, sagt sie ruhig.
»Ehm ja«, stottere ich und mustere sie verwirrt. Was wird das hier? »Er ist mehr als nur ganz lieb. Er hat ein großes Herz.«
Sie nickt zustimmend und lehnt sich an das Gelände. Sie wirft einen Blick auf die schneeweiße Landschaft. Ein kleines Lächeln zupft an ihren Lippen. In ihren Augen liegt ein Funken von Traurigkeit.
»Warum hast du dich nie gemeldet?«, fragt sie. In ihrer Stimme liegt ein bitterer Unterton. »Wir dachten, du hättest dich betrunken und dich kopfüber in den Chicago River gestürzt. Wir haben tagelang nach dir gesucht, aber du warst wie vom Erdboden verschwunden.«
Ich schlucke schwer und stelle mich neben sie. Ich traue mich nicht, sie weiterhin anzusehen und starre streng geradeaus auf den ausgeschaltenen, beleuchteten Brunnen.
»Ich habe nie wieder getrunken«, gebe ich ehrlich zu. »Ich musste nur raus. Ich war eine Zeit lang bei Jace, aber mit dem habe ich mich zerstritten und war dann ein paar Monate auf der Straße.«
Sie schnappt hörbar nach Luft. Ich mustere sie im Augenwinkel, erkenne jedoch nicht genug, um einschätzen zu können, was sie denkt.
Ich schlucke ein weiteres Mal, doch der Kloß in meinem Hals springt nur höher und wird größer. Er verstopft mir die Luftröhre.
»Es war in Ordnung. Echt. Ab irgendeinem Zeitpunkt habe ich den Hunger nicht mehr gespürt, meinen eigenen Gestank nicht mehr gerochen und sogar herausgefunden, wo man sicher schlafen kann«, erzähle ich ihr, vernehme aber selbst meine heraushörende Unzufriedenheit.
»Ach, Sasha. Du hättest jederzeit zurückkommen können«, sagt sie leise. »Wir wären auch nicht böse auf dich gewesen. Wir haben uns nur wahnsinnige Sorgen um dich gemacht.«
Ich lehne meinen Kopf auf meine verschränkten Arme und drehe ihr mein Gesicht zu. »Hätte ich, aber dann ist mir Myles vor die Füße gestolpert. Er hat mich einfach so mit zu sich genommen, mich bekocht, meine Kleidung gewaschen und mir einen Job besorgt.«
Sie nickt leicht und lächelt traurig. »Dann muss er ja wirklich ein großes Herz haben.«
Ich erwidere ihr Lächeln und blicke wieder zu dem Wasserspucker. Er ist hässlich verziert und schon etwas demoliert. Sie werden ihn wahrscheinlich irgendwann einmal renovieren müssen.
»Mom, mir geht es gut. Tut mir leid, dass ich mich nie gemeldet habe. Ich wollte mein Leben endlich auf die Reihe bekommen«, füstere ich. »Nach alledem wollte ich endlich mal etwas auf die Reihe bekommen. Alleine.«
Sie dreht ihren Kopf und starrt mich überrascht an. »Sasha, hast du dich gerade entschuldigt?«
Ich nicke schmunzelnd. »Hat mir Myles beigebracht.«
Sie kichert leise. »Er hat dir aber eine Menge geholfen. Ich muss wohl dem Retter meines Sohnes ordentlich danken.«
Ich stelle mich wieder gerade auf und strecke mich. Mein Rücken knackst wie der eines alten Mannes.
»Dann sollten wir wohl wieder rein. Dad macht Myles wahrscheinlich mit seinem ganzen Gelabber total unsicher«, scherze ich.
Mom hakt sich bei mir unter. Gemeinsam betreten wir wieder den Saal. Ich ignoriere die Blitze der Kamera, dir mich inzwischen erkennt haben müssen und führe Mom an ihren Tisch.
DU LIEST GERADE
Bully
General Fiction'Alles ist nun Geschichte. Doch die Dämonen sind es nicht. Genauso wenig wie Sasha selbst. Um ihn dreht sich immer noch die Welt. Er ist die Sonne und ich bin nur ein Zwergplanet.' Würden seine früheren Mobber Myles heute sehen, würden sie wohl gena...