Kapitel 2

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Ich schlug die Augen auf. Meine Gedanken kreisten nur noch um den heutigen Tag. Und das schon seit Wochen. Ich stand aus dem Bett auf und ging nach unten, wo meine Eltern und mein kleiner Bruder Matti schon auf mich warteten. Ich setzte mein süßestes Lächeln auf und wünschte allen einen guten Morgen.

Mom : Hast du gut geschlafen Schatz?

L: Äh, ja ich denke schon. Ich bin nur ein bisschen aufgeregt auf die neue Schule. Ich meine, in der 11. Klasse zu sein ist schon schlimm genug, aber dann auch noch als „die Neue" betitelt und verurteilt zu werden, ist meiner Meinung nach deutlich schlimmer.

Ich realisierte erst jetzt, was ich gerade gesagt hatte. Meine Familie sah mich erstaunt an und ich wünschte, ich könnte die letzte Minute ungeschehen machen.

Dad: Liebes, wir dachten du freust dich auf die neue Schule?

L: Aber natürlich tue ich das. Es ist eine einmalige, unfassbare Chance auf eine qualitativ nicht zu überbietende Ausbildung und ich bin sehr dankbar, diese nutzen zu können. Ich denke,  ich werde mich schon gut zurecht finden. Ich möchte mich auch schnellstmöglich an eine der wirklich interessanten AGs teilnehmen und mich im Schülerrat engagieren.

Ich war oft erstaun, wie gut mein Gehirn Argumentationen improvisieren konnte, aber das toppte bis jetzt alles. Ich hatte zwar tatsächlich einiges davon vor, diese ungewöhnlich positive Darstellung der Schule entsprach aber nicht wirklich meinen Gedanken. Ich meine klar, gute Chancen und Angebote, aber es ist und bleibt eine einfache High School. Dachte ich.

Immerhin sahen meine Eltern jetzt sehr viel positiver in mein Gesicht. Ich fragte mich, was sie dachten. Bestimmt malten sie sich mich schon mit einem 1,0er Abschluss und zahlreichen Stipendien aus. Oder wie ich vor allen als Beste von Irgendwas ernannt wurde. Matti hingegen sah mich krumm an. Er hatte meinen Ehrgeiz in der Schule noch nie verstanden. Matti war eher so der Typ, der Sonntag Nachts seine Hausaufgaben machte oder 5 Minuten vor Stundenanfang begann, seine Präsentation zu schreiben. Meine Eltern störte das nicht, weniger weil sie nichts davon wussten, sondern weil ihre Hoffnung und Aufmerksamkeit ständig auf mir zu beruhen schien. Früher fand ich das toll, mittlerweile bin ich mir aber nicht mehr so sicher, wie ich damit umgehen soll.

Lächelnd setzte ich mich neben meinen Dad und genoss das Honigbrot, welches ich mir kurz zuvor geschmiert hatte. Wie jeden Morgen, mal angemerkt.

Ich war wirklich gespannt auf die neue Schule, und noch war ich mit mir nicht im Einen, ob das positiv oder negativ war. Neue Mitschüler, neue Lehrer, vielleicht sogar ein paar neue Freunde. Doch ich machte mir erstmal keine Hoffnungen. Dann konnte ich ja nur positiv überrascht werden, oder?
Mit diesen Gedanken stand ich vom Frühstückstisch auf und lief durch unseren lichtdurchfluteten Flur, in dem noch einige Umzugskartons standen, die wir nicht ausgeräumt hatten. Ich warf einen kurzen Blick in den Obersten. Darin war ein altes Kästchen, welches ich nur zu gut kannte. Langsam öffnete ich es und kramte eine edle Silberkette daraus hervor. Ehrfürchtig betrachtete ich dieses kleine Ding in meiner Hand. Sie gehörte meiner Grandma, bevor sie vor 5 Monaten starb. Bei dem Gedanke an sie wurde mir plötzlich ganz heiß, mein Herz schlug schneller und meine Augen füllten sich langsam mit Tränen. Ich erinnerte mich an all die Abende, an denen sie mit mir am Kamin gesessen ist und mir Geschichten aus ihrer Jugend erzählt hat. Und von Grandpa, den ich zu meinem Bedauern nie kennen lernen durfte. Sie erzählte immer von seinem Optimismus und seiner ungezügelten Lebensfreude, die sie selbst auch hatte. Ja, ich stand ihr sehr nahe und ihr Tod hat eine große Narbe hinterlassen. Und doch musste ich, so unpassend es auch war, meine Lippen zu einem sanften Lächeln verziehen. Alles was ich fühlte, wenn ich an sie dachte, war Liebe. Liebe, die mir nicht einmal meine Eltern geben konnten. Niemand konnte das, da nie jemand da gewesen war. Naja , zumindest selten.
Ich atmete tief durch. Eigentlich hatte meine Familie mich immer unterstützt. Meine Probleme waren klein und unbedeutend, es gab schließlich Menschen, die tagtäglich um ihr Leben fürchten mussten. Also stell dich verdammt nochmal nicht so an, Lillith !

Schnell machte ich mich fertig, um mich auf den Schulweg zu begeben. Unser neues Haus lag nur ein paar Straßen von der Schule entfernt, weshalb ich zu Fuß gehen konnte.

Mom: Bist du dir sicher, dass du alleine gehen willst?

L: Na klar Mom, das geht schon. Hier ist es eindeutig ruhiger als bei uns zu Hause, ich schaffe das schon.

Hier ist es eindeutig ruhiger. Hätte ich gewusst, was an diesem Tag passieren würde, hätte ich mich krank schreiben lassen. Ich hätte mich von der Schule abgemeldet und wäre weggezogen aus Mortemtale. Doch ich hatte keine Ahnung, dass dieser Tag mein Leben für immer verändern würde. Genauso konnte ich nicht ahnen, welche Rolle der unauffällig gekleidete Junge, der ungefähr 100 m hinter mir in die gleiche Richtung lief, dabei spielen würde. Ich beeilte mich, das Schulgelände zu erreichen, um mich vor der ersten Stunde noch im Direktorat zu melden. Als ich das Schulgelände betrat, hatte sich vor mir eine Ansammlung von Schülern gebildet, die sich aufgeregt unterhielten. Ich konnte leider nicht hören, worüber, doch ich ging mal von den Ferien und dem Sommer aus. Wie falsch ich doch lag.

Auf einmal teilte sich die Menge und wich vor einem Mädchen mit tiefschwarzen Haaren und dunkelroten Lippen zurück. Sie blieb vor mir stehen und musterte mich kurz. Dann ging sie wortlos weiter und würdigte niemanden mehr eines Blickes, auch nicht ihren zwei, naja, vermutlich Freundinnen, die ihr hinterhereilten. Nachdenklich blickte ich ihnen nach. Na das war ja eintoller Anfang. Zickige Mädchencliquen, viele Menschenansammlungen, die über irgendwas diskutieren und auch ein paar echt süße Jungs. Alles schön wie ein ganz normaler Tag an einer ganz normalen High school. Dabei gab es jedoch ein Problem.

Denn zu diesem Zeitpunkt wusste noch niemand von der bevorstehenden Tragödie, und so schritt ich direkt hinein.

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