Kapitel 3

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Schlürfend machte ich mich auf den Weg zu meinem Spind und versuchte, all die wirren Stimmen und Geräusche um mich herum auszublenden. Ich hatte diesen Ort nicht wirklich vermisst, aber naja, überall ist es besser als zu Hause bei meinen Eltern, also Kopf hoch. Ich riss die Tür meines Spindes auf, das Schloss funktionierte bereits seit zwei Jahren nicht mehr, es wurde natürlich auch trotz meiner zahlreichen Hinweise nicht repariert. Neben mir verstaute ein Mädchen mit Mittellage blonden Haaren ordentlich ihre Schulsachen. Sie war ziemlich klein, war allerdings, wie ich das beurteilen konnte, in meinem Alter. Ich kannte sie nicht, vermutlich war sie neu. Trotzdem war ihr Spind sauber und bereits mit Fotos und kleinen Zettelchen verziert. Von solchem Schnickschnack hielt ich nicht viel, mein Spind war karg und noch immer etwas verdreckt von dem Müll, mit dem ein paar der Footballer mein Fach letztes Jahr "verschönert" hatten.

Ich stopfte meine Bücher hinein und wollte mich gerade umdrehen, als ein Brief hinausfiel. Ich hob ihn auf und entfaltete das vergilbte Papier. In ordentlichen Druckbuchstaben stand dort geschrieben:

Verlass augenblicklich die Stadt oder du wirst es bitter bereuen. Du gehörst hier nicht hin und wirst es auch nie!


Die Schrift war klassisch und vermutlich extra verändert, damit man sie nicht zurückführen konnte. Ein billiger Scherz und bei dieser Wortwahl eindeutig von Alicia, dachte ich mir zumindest . Sie konnte es einfach nicht lassen, andere zu schikanieren. Obwohl ich es nur für einen dummen Spaß hielt, überkam mich ein eigenartiges Gefühl. Ich schenkte diesem jedoch nicht viel Aufmerksamkeit und warf den Zettel in den nächstbesten Mülleimer. Rückblickend bereue ich es, die Drohung so leichtfertig ignoriert zu haben. Vielleicht hätten dadurch die folgenden Strapazen verhindert werden können. Doch das werden wir wohl nie erfahren.

Ich betrat unser Klassenzimmer, dasselbe dunkle Eckzimmer wie die Jahre zuvor auch. Es saßen bereits ein paar Schüler im Raum, jedoch keine, die ich näher kannte. Auch die Neue von vorhin saß in der ersten Reihe. Sie ging jetzt also in meine Klasse. Schon allein ihre saubere Kleidung und ihr glänzendes Haar schreckten mich ab. Sie saß aufrecht und hatte bereits ihr Mäppchen und ein paar Blätter Papier ordentlich vor sich ausgebreitet, daneben waren ein Geodreieck und ein Block bereitgelegt. Vermutlich wieder so ein "ach, ich bin so perfekt und bin zu gut für diese Welt"- Mädchen. Nun okay, das war etwas hart. Auf jeden Fall beschäftigte ich mich nicht näher mit ihr. Nachdem ich mich auf meinem gewohnten Platz, hinten in der dunkelsten Ecke, niedergelassen hatte, holte ich mein Handy heraus und hörte mir die Demo Versionen meiner neuen Songs an, die Produkte meiner Ferienlangeweile waren. Ich schloss für einen Moment die Augen und ließ meinen Gedanken freien Lauf.

Kurze Zeit später betraten Alicia und ihre Clique den Raum. Sie beachteten mich glücklicherweise gar nicht und setzten sich in eine Viererreihe in der Mitte des Raums. Die selige Ruhe, die zuvor für eine entspannte Atmosphäre gesorgt hatte, war zerstört. Ich hörte ständig ihr nerviges Geplapper über Make-Up, Klamotten und andere uninteressante Themen. Am schlimmsten war Patricias viel zu hohe Stimme. Ehrlich zum Kotzen. Auch das neue Mädchen in der vorderen Reihe rümpfte die Nase, was sie mir wiederum etwas sympathischer machte.

Wenige Minuten später betrat unsere Klassenlehrerin das Zimmer. Es musste ausgerechnet Ms. Marble sein. Ehrlich, bei so inkompetenten Lehrern frage ich mich immer, wie zur Hölle die es schafften ihre Prüfungen zu bestehen. Ihre dazu noch piepsige Stimme, die mich ein wenig an Patricias erinnert, brachte mich jetzt schon auf die Palme. Das letzte Jahr mit ihr hat mir schon gereicht. Sie begrüßte uns mit dem aufgesetztesten Lächeln, das ich jemals gesehen hatte. Jetzt musste ich erstmal zwei Stunden Organisatorisches über mich ergehen lassen. Super. Als sie begann, die Anwesenheitsliste vorzulesen, wusste ich sofort, dass ich nicht verzeichnet war. Mit meinem Nachnamen Adams müsste ich theoretisch an erster Stelle stehen. Das musste ich wohl leider  später bei Ms. Marble melden. Statt mir an erster Stelle, meldete sich das neue Mädchen aus der ersten Reihe. Wie hieß sie jetzt noch gleich? Lillith oder Lilli, irgendwie so. Interessant. Nach dem Beenden der Liste fragte Ms. Marble, ob jemand nicht genannt wurde. Ich meldete mich.

Ms. Marble: "Oh Mr. Adams, ich dachte, Sie hätten uns verlassen und wären weggezogen."

Alicia: "Ja genau, deine Eltern wollten dich doch ins Heim schicken, nicht?"

Lachen... Diese dumme Nuss musste aber auch immer damit anfangen. Ich hasste sie einfach, ließ mir aber nichts anmerken und sagte kühl:

"Sie haben sich wohl umentschieden, Ms.Marble."

Ms. Marble: "Nun, da gibt es wohl eine Unstimmigkeit in unseren Akten. Ich muss dich leider zu Principal Pattrtson schicken."

Alex: "Muss das sein?"

Ms. Marble: "Ich fürchte schon. Bitte gehen Sie."

Na super, zum Direktor. Der hatte mich eh schon auf dem Kieker. Und wenn er auch noch meine Eltern anrief...

Ich behielt meine Gedanken für mich, schnappte mir meine Tasche und verließ den Raum ohne ein weiteres Wort. Beim Rausgehen fiel mein Blick auf die Neue, die mich traurig ansah. Ihr Mitleid konnte sie sich echt sparen, mir half es jedenfalls nicht weiter.

Im Sekretariat angekommen, erklärte ich mein
Problem zuerst unserer liebevollen Sekretärin Mrs. Wardwell. Sie war so ziemlich die einzige Person an dieser Schule,die zu mir freundlich war. Sie beruhigte mich und kündigte dem Direktor meinen Besuch an, warnte mich allerdings vor, dass wir meine Eltern anrufen müssten. Meine Eltern hassten es, wenn sie mit meinen Angelegenheiten behelligt wurden und ich mein Zeug nicht selbst gebacken bekam. Sie sind ständig im Stress, das wollte ich mir jetzt nicht antun und fasste kurzerhand den Entschluss, das Sekretariat zu verlassen. Nachdem Mrs. Wardwell im Büro des Principals verschwunden war, um diesen über mich zu informieren, ging ich einfach hinaus auf den Flur und verschwand erstmal auf der Toilette um meine Gedanken zu ordnen. Konnte ein erster Schultag überhaupt schlimmer anfangen?

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