Ein etwas anderer Nachmittag

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Es war warm und kuschlig. Ich vergrub meinen Kopf noch tiefer ins Kissen und seufzte auf. So gut hatte ich schon lange nicht mehr geschlafen. Auf einmal kamen die Erinnerungen von gestern zurück. Das Meer, die Welle, das viele Wasser und mein Retter. Ich schreckte aus dem Bett nach oben und guckte mich um. Es war definitiv eins unserer Gästezimmer, nur konnte ich keinen Gast entdecken. Hatte der Mann mich nicht gestern auf sein Zimmer gebracht? Oder war er vielleicht doch kein Gast gewesen? Ich schlug die Bettdecke auf und stand auf. Meine Beine waren noch etwas wackelig, aber ansonsten ging es. Ich blickte an mir herunter und erkannte, dass ich immer noch meinen Badeanzug und dem grünen Pullover von diesem verschwundenen Mann trug. Ob der aus Kaschmir war? Er war unglaublich kuschlig. Gerade als ich ein paar unsichere Schritte Richtung Tür machte, weil es mich unglaublich dürstete, ging plötzlich die Badezimmertür auf der rechten Seite auf und heraus trat der verschollene Mann. Er hatte wohl genauso wenig mit meinem Anblick gerechnet, wie ich mit seinem. Er trug nämlich eine graue Jogginghose, die ihm tief auf den Hüften saß und ein weißes, offenes Hemd. Den nassen Haaren zu urteilen scheint er gerade geduscht zu haben. Peinlich berührt drehte ich mich schnell um. „Warum bist du schon aufgestanden? Du solltest dich mehr ausruhen.", sagte er zu mir mit einer vorwurfsvollen Stimme. Sein Anblick schien ihm nichts auszumachen. Meine Kehle war immer noch zu trocken um wirklich sprechen zu können. „Wasser", konnte ich gerade noch raus krächzen. „Warte, ich bringe dir schnell ein Glas." Der Mann verschwand wieder ins Bad und ich konnte hören, wie der Wasserhahn aufgedreht wurde. Während ich auf ihn wartete merkte ich, dass meine Beine immer noch nicht ihre volle Stärke zurück hatten, meine Kraft schwand wieder. Ich versuchte mich wieder Richtung Bett zu bewegen, aber auf halbem Weg gaben meine Beine nach und ich stürzte zu Boden. Hart schlug ich auf dem Boden auf und ich gab ein leises Schmerzstöhnen von mir. Im nächsten Moment spürte ich schon wieder seine Hände an meinem Körper. Wie war er so schnell hier her gelangt? Seine Hände lagen sanft an meinen Schultern und langsam richtete er mich mit ihnen wieder auf. Nun lag ich in seinem Arm und ich konnte sein Gesicht wieder sehen. Es war unverändert. Selbst der sorgsame Blick war noch der selbe. Ein weiteres Mal hob er mich hoch und trug mich zum Bett. Dort lehnte er mich vorsichtig an den Bettrahmen an und deckte meine nackten Beine wieder zu. „Du musst achtsamer mit dir umgehen. Du hattest da draußen echt Glück.", sagte er mir ohne mich anzugucken. Er ging wieder in das Bad zurück und holte das Glas Wasser, welches er zuvor gefüllt hatte. Schweigend setzte er sich an die Bettkante, blickte mich kurz an, und schob meinen Körper auf seine rechte Schulter. Er hielt mich praktisch im Arm. „Hier", sagte er und hob das Wasserglas an meine Lippen. Er kippte das Glas leicht und endlich wurde meine ausgetrocknete Kehle mit Wasser befeuchtet. Ich trank gierig, doch mein Körper konnte das Wasser in dem schnellen Tempo nicht vertragen. Ich hustete einen Teil des Wassers aus und er nahm schnell das Glas wieder weg von meinen Lippen. „Langsam, diesmal bist du nicht am sterben", lächelte er mich leicht an. Nachdem sich der Hustenanfall gelegt hatte wagte ich einen erneuten Versuch zu reden. Diesmal klappte es: „Vielen Dank" Wieder lächelte mich der Mann an, erwiderte aber nichts. Er schob mich wieder von seiner Schulter runter und lehnte mich wieder gegen den Bettrahmen. Selbstsicher bewegte sich der Mann zum Sessel, der sich am Ende des Bettes befand. Mittlerweile war sein Hemd nur noch zur Hälfte offen. Wahrscheinlich hatte er es beim Wasserglas befüllen angefangen zuzuknöpfen. Er setzte sich hin und musterte mich. Lange herrschte nur Stille zwischen uns bis er auf einmal das Wort ergriff: „Du hast sicher viele Fragen. Ein paar kenne ich bestimmt und werde sie deswegen beantworten. Mein Name ist Loki. Ich bin derjenige der dich aus dem Meer gefischt hat, aber das weißt du ja bereits." „Warum warst du am Meer? Normalerweise bin ich um diese Uhrzeit und bei dem Wetter allein." „Ich war gerade erst angekommen und hatte mich etwas umgeguckt. Dabei habe ich dich zufällig beobachtet. Zu deinem Glück." „Danke", murmelte ich und senkte meinen Blick. Diese ganze Situation war mir unangenehm. „Ich habe mich vorgestellt, willst du deinem Retter nicht wenigstens deinen Namen verraten?" Ich blickte wieder auf und sah, dass er mich intensiv anstarrte. „ Mein Name ist Ana" Weiter starrte er mich an. Ob er mich gerade versuchte einzuschätzen? Aber weshalb? „Meinem Großonkel gehört die Pension, in der wir uns gerade befinden. Deshalb wohne ich im Erdgeschoss." „Oh, das wusste ich nicht." Natürlich nicht. Woher auch. Er war ein Fremder. Nachdem er wieder schwieg beschloss ich wieder das Wort zu ergreifen. „Deshalb möchte ich sie nicht weiter belästigen und werde runter gehen." Bevor ich mich erheben konnte schnitt er mich ab: „ Du belästigst mich nicht. Bleib noch ein bisschen hier. Du bist sowieso zu schwach um dich großartig zu bewegen. Ruh dich aus und gehe wenn du wieder bei Kräften bist." Plötzlich stand er auf, knöpfte dabei sein Hemd vollständig zu und verließ das Zimmer. Ohne ein weiteres Wort.

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