Aufbruch

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Nach dem Tanzen waren wir peinlich auseinander gegangen, hatten unsere Köpfe gesenkt und Loki hatte irgendetwas gesagt von, dass er in sein Zimmer musste und war gegangen. Meine Gedanken waren danach ziemlich durcheinander. Ich hatte mir einen Tee gemacht und mich, eingekuschelt in einem dicken Pullover, auf die Terrasse mit Blick aufs Meer gesetzt. Mit angezogenen Beinen hatte ich auf dem Stuhl gesessen und meine Hände an der warmen Tasse gewärmt. Ab und zu ließ ich den heißen Tee mich von innen erwärmen. Meine Gedanken waren gewandert. Was tat ich eigentlich hier? Mit Loki? Mit mir selbst? Warum war ich hier? Was war zwischen ihm und mir? Mochte ich ihn? Er war definitiv attraktiv, etwas faszinierte mich an ihm, aber ich kannte ihn doch kaum. Was war den schon Liebe, mir sagte sie nicht viel. Ich kenne Liebe nur aus Büchern, diese super romantische einmal-Im-Leben-Liebe. Meine vorherigen Freunde waren Zeitvertreib, nicht Liebe. Ich hatte Bedürfnisse und sie waren da. Mehr war nie gewesen. Sah ich Loki auch nur as Zeitvertreib? Er war schon anders. So gar nicht wie alle Männer, die ich bisher kannte. Aber verliebte ich mich deswegen? Ich hing meinen Gedanken noch ewig so nach, bis es dunkel wurde, und in der Dämmerung fasste ich einen Entschluss. Ich würde mir überhaupt keine Gedanken mehr über Loki machen. Ich würde dem Lauf der Zeit freie Hand lassen und alles auf mich zu kommen lassen. Ich würde nach nichts streben, nach keiner Beziehung, nach keinem Sex, nach nichts. Ich würde einfach nur alles auf mich zukommen
lassen. Als die Sonne vollends hinter dem Horizont verschwunden war und man die Sterne am Nachthimmel erahnen konnte vernahm ich ein Klopfen. Ich war ins Haus getreten, hatte die leere Tasse auf dem Tresen abgestellt, und hatte die Tür geöffnet. Vor mir hatte Loki gestanden mit einer Flasche Rotwein in der Rechten Hand und einer Decke in seiner Linken. „Hättest du Lust am Strand etwas zu Trinken? Hat dort mehr Stimmung." Durch meinen vorher gefassten Entschluss hatte ich nicht gezögert und war sofort mit ihm gekommen. Nun lagen wir nebeneinander auf der Decke am Strand. Es war stockdunkel. Das Meer war eine einzig schwarze Decke, die einen umschlingen wollte, falls man sie zu lange anguckte. Den hellen Sand konnte man erahnen und das Gefühl unter den Füßen tat das Restliche. Der Mond war nur eine sehr kleine Sichel, er gab kaum Licht ab, und die Sterne umgaben ihn, wie eine große Familie. Die Decke war nicht besonders groß, weswegen Lokis und meine Schultern sich berührten. Die Weinflasche stand geöffnet neben ihm im Sand; wir hatten beide schon ein paar Schlücke aus ihr entnommen. Ohne Gläser war es zwar etwas stillos, aber der Geschmack und seine Anwesenheit glichen das aus. Wir hatten auf dem Weg hierher nicht viel geredet, nur ab und zu ein Wort gewechselt. Auch jetzt schwiegen wir. Unsere Blicke waren in den Sternenhimmel gerichtet, mit dem Meeresrauschen als stetigen Begleiter. Seine so nahe Präsenz war mir überschwänglich bewusst, weswegen ich versuchte nicht zu laut zu atmen, was natürlich völlig idiotisch war. Eigentlich wollte ich ja cool dem ganzen hier gegenüber sein, jetzt war ich aber doch angespannt. Doch die Zeit und die Stille ließen die Anspannung nach und nach von mir abfallen, meine Gedanken gingen wieder auf Wanderung. „Woran denkst du?", unterbrach er plötzlich die Stille. Ich sah im Augenwinkel, dass er seinen Blick auf mich gerichtet hatte. Ich blickte jedoch weiter stur in den Himmel. „Daran, dass ich fest stecke." „Was meinst du?" „Ich fühle mich wie, als ob ein Riesen großer Anker an mein Fuß gekettet ist. Ich bin ein Schiff, das losfahren will, aber fest gehalten wird." „Bist du deswegen hier?" Mein Aufenthalt hier war mehr ein Instinkt gewesen und keine bewusste Entscheidung. Doch seine Frage ließ mich erkennen, dass mein Instinkt dieser Antwort her rührte. Ich drehte mich zur Seite, stütze meinen Kopf auf meine Hand auf und sah ihm direkt in die Augen. Sie waren nicht weit voneinander entfernt, durch die Größe der Decke, die uns diese, vielleicht gewollte, Nähe aufzwang. „Ich glaube schon." „Und der Anker?" „Den habe ich leider mitgenommen." Er grinste mich traurig an. „Und warum bist du hier?" Ich sah, wie es in seinem Kopf arbeitete. Er überlegte wohl, ob er darauf antworten sollte. Er tat es. „Ich suche einen Ort." „Was für einen Ort?" „An den ich hingehöre." Ich merkte, wie ihm diese Antwort extrem viel abverlangte. Deshalb entschied ich nicht weiter nach zu haken. Ich drehte mich wieder auf den Rücken und starrte in den Himmel. Er hingegen blieb auf der Seite und guckte mich weiter an. „Denkst du, du kannst ihn hier finden?" „Vielleicht" Er sprach nicht weiter, ich akzeptierte es. Die Stille holte uns mal wieder ein, so wie sie es zwischen uns immer tat. Er hatte sich wieder auf seinen Rücken gedreht und gemeinsam blickten wir wieder in den Sternenhimmel. Wir beide suchten etwas und es sah so aus, als ob wir beide unsere Antwort in den Sternen lesen konnten. Still starrten und starrten wir, doch die Stille verriet, dass niemand seine Antwort fand. Es wurde immer kühler, das Land vergaß immer mehr, dass es mal die Sonne gekannt hatte. Obwohl ich meinen dicken Pullover trug merkte ich, wie die Kälte langsam an mir nagte. Loki hingegen schien die Kälte nichts auszumachen. „Mir ist kalt.", flüsterte ich, weil es mir unangenehm war die Stille zu brechen. „Willst du etwas näher rücken?", flüsterte er im tiefen Ton zurück. Ich nickte, was eigentlich ziemlich idiotisch war, weil er es eh nicht sehen konnte. Ich ließ ein leises „Ja" hinterher schlüpfen. Ich richtete mich auf und sah zu ihm herunter. Er hatte sich etwas mehr in die Mitte gerückt und streckte seinen linken Arm aus. Mit der rechten Hand deutete er auf seine Brust. Er wollte, dass ich mich auf ihn legte. Er wollte mich an sich kuscheln. Ich errötete leicht, doch die Dunkelheit half mir meine Verlegenheit zu verbergen. Mit meinem Entschluss im Hinterkopf ließ ich mich ganz vorsichtig auf seine Brust herabsenken bis ich seinen warmen, kuschligen Sweater an meinem Kopf fühlte. In dem Moment, in dem mein Kopf auf ihm abgelegt war, spürte ich, wie er seinen ausgestreckten Arm wieder zu sich zog. Mit mir dazwischen. Er drückte mich fest an seinen Körper und nun berührte nicht nur mein Kopf seine Brust, sondern mein ganzer Körper war an ihn geschmiegt. Er war warm. Mit fast tierischem Instinkt kuschelte ich mich noch enger an ihn. Es fühlte sich so gut an. Ich schloss die Augen und hörte seinem Atem zu, spürte wie sich seine Brust hob und senkte und ich konnte wieder seinen Herzschlag vernehmen. Plötzlich spürte ich seine rechte Hand an meinem Gesicht. Er strich mir eine Strähne hinters Ohr. „Wie wäre es, wenn ich dir versuchen würde mit deinem Anker zu helfen?", flüsterte er ganz dicht an meinem Ohr, sodass ein kalter Schauer meinen Rücken hinunter jagte. „Wie willst du das tun?" „Wir lassen einfach alles hinter uns und fahren weg. Nur wir beide, ohne jeglichen Plan. Ohne Ziel." Ich ließ seine Worte für einen Moment bei mir ankommen. Ich hatte keine Ahnung, ob mir seine Idee helfen könnte. Doch ich mochte sie, obgleich sie mir helfen würde oder nicht. Und ich wollte einfach das machen, was mir gefiel. „Lass uns das machen. Vielleicht finden wir dann auch deinen Ort. Eine Reise für uns beide." Er antwortete darauf nicht mit Worten, sondern er drückte mich noch etwas näher an sich und vergrub sein Kinn in meinem Haar. Das war seine Antwort.

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⏰ Last updated: Apr 18, 2021 ⏰

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