Kapitel 10: Final round

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Auf die Suche nach eben dieser Nummer begab Kristin sich jetzt, nachdem sie ihrer Mutter geholfen hatte, den Frühstückstisch abzuräumen.

Ihr altes Zimmer war inzwischen als Gästezimmer eingerichtet, aber unten in ihrem alten Kleiderschrank standen etliche Kartons, die sie aus ihrer Wohnung in Frankfurt ausgeräumt hatte, aber in Hamburg nicht hatte brauchen können – oder nicht hatte haben wollen. In einem davon steckte doch bestimmt dieses alte Adressbuch!

Kristin zerrte die Kartons hervor und überlegte stirnrunzelnd, welcher es wohl sein könnte. Was hatte sie denn damals noch alles aussortiert? Hatte sie nicht alles, was mit Matthias zu tun hatte, entsorgt?

Sie öffnete den ersten Karton und schluckte. Vorsichtig nahm sie ein staubiges Fotoalbum heraus und wischte es ab. Ja, richtig, diese Erinnerungen hatte sie auch lieber verbannt. Sie war so blöd gewesen!

Vom ersten Bild lachte sie selbst. Sie trug abgeschnittene Jeans und ein Bon-Jovi-T-Shirt, und Joey hatte den Arm um sie gelegt. Das war im Sommer 1996 gewesen, zum Konzert in Köln. Langsam blätterte sie die Fotos durch. Warum hatten sie sich eigentlich damals getrennt? Sie sahen so glücklich aus... Immerhin waren sie danach Freunde geblieben.

Oje, da waren die Fotos von ihrem 21. Geburtstag. Maite und Jonas lachten in die Kamera. Niko schnitt Grimassen. Und da war auch sie selber, du liebe Zeit, sah sie zerzaust aus. Das musste aufgenommen worden sein, nachdem sie und Joey... mal eben verschwunden waren. Da waren sie aber schon länger nicht mehr zusammen gewesen.

Und kurz danach hatte sie dann Matthias kennengelernt.

Kristin klappte das Fotoalbum zu und schob den Karton Richtung Tür. Den würde sie auf jeden Fall mit nach Hamburg nehmen.

Dann öffnete sie den nächsten. Nein, das waren alte Studienunterlagen. Und der da? Ein alter Kalender. Das sah ja schon mal vielversprechend aus. Sie wühlte ein bisschen tiefer und zog dann das Adressbuch heraus, das sie gesucht hatte.

Da war er: Matthias Richter. Die Kölner Adresse war durchgestrichen und die Frankfurter Adresse darübergekritzelt. Er war ihr gleich nach ihrem Umzug nach Frankfurt hinterhergezogen - eigentlich hätte sie da schon misstrauisch werden müssen. Sie hatten sich schließlich erst ein paar Wochen gekannt. Gegen eine gemeinsame Wohnung hatte sie sich zum Glück gesträubt.

Sie steckte das Adressbuch ein und schleppte den Karton mit Fotoalben nach unten.

„Ma? Ich geh eine Runde laufen!" Ihre Mutter kam aus der Küche und musterte sie besorgt. „Alleine? Bist du denn sicher, dass dieser Irre nicht in Köln ist?"

Kristin hob die Schultern. „Sicher kann ich nie sein, schätze ich. Aber ich nehm das Pfefferspray und das Handy mit und laufe nur an belebten Straßen."

„Mir ist ja nicht ganz wohl dabei...", seufzte ihre Mutter. „Sei vorsichtig!"

„Ja, klar doch." Sie holte ihre Sportsachen aus dem mitgebrachten Rucksack und zog sich um. Dann joggte sie los.

Hinter der nächsten Straßenecke hielt sie jedoch an und setzte sich auf die Bank am Buswartehäuschen. Sie zog ihr Handy hervor und stellte die Rufnummernunterdrückung ein. Dann nahm sie das Adressbuch zur Hand. Sollte sie wirklich? Ihr Herz klopfte. Würde es alles nur noch schlimmer machen, wenn sie mit Matthias sprach?

Mit zitternden Fingern wählte sie seine Nummer.

Richter."

Kristin schluckte. Dann legte sie einfach auf. Oh, diese Stimme – („Aber mein Schatz, wann hörst du endlich auf, deine Gefühle zu verleugnen? Du weißt doch genau, dass du mich genauso sehr liebst wie ich dich!") – wie sehr hatte sie diese Stimme irgendwann gehasst. Sie versuchte, ihren Puls wieder unter Kontrolle zu bringen.

Verlorene Jahre 2 - Das WiedersehenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt