Verlorene Jahre 2 - Das Wiedersehen

Kapitel 1: Remember the time

Als Kristin drei Wochen später ein bisschen nervös die Tür von Gilberts Pinte öffnete, saß Joey bereits am Tresen und begrüßte sie erfreut. „Hey, schön, dich zu sehen!" Er musterte sie verstohlen, als sie sich einen Barhocker heranzog. Sie hatte sich kaum verändert. Nur erwachsener sah sie aus. 27 war sie jetzt. Die Brille war moderner, die enge Jeans und die kniehohen Stiefel mit flachen Absätzen passten zu der kurzen schwarzen Lederjacke. Die braunen Haare trug sie immer noch schulterlang und hatte sie wie früher zu einem einfachen Pferdeschwanz gebunden. Joey schmunzelte in sich hinein. Für kompliziertere Frisuren, und seien es nur Zöpfe, hatte sie nie die Geduld gehabt. Wahrscheinlich würde sie sogar bei ihrer eigenen Hochzeit mit einem simplen Pferdeschwanz auftauchen... Hochzeit? Ob sie inzwischen verheiratet war? Hoffentlich nicht mit dem Freund, den sie damals gehabt hatte... Aber dann wäre sie sicher heute nicht hier, oder? Joey warf unauffällig einen Blick auf ihre Hände. Kein Ring, aber Kristin hatte noch nie viel Schmuck getragen. Naja, das würde er ja sicherlich alles gleich erfahren. Joey verbannte energisch alle Spekulationen aus seinem Kopf.

Kristin hatte schon beim Eintreten festgestellt, dass Joey heute nicht so glattrasiert war wie in der Talkshow. Jetzt sah er wirklich fast so aus wie früher... besonders mit der alten Lederhose, die Kristin ebenfalls sofort registriert hatte. Erinnerungen wurden wach... Ja, es war schon eine tolle Zeit gewesen mit ihm und den anderen Kellys damals! Ob sie daran noch anknüpfen konnten? Sie glitt auf den Barhocker neben ihm und bestellte sich ein Guinness, und Joey schloss sich ihrer Wahl an. Dann begannen sie vorsichtig mit dem Smalltalk. Sechs Jahre waren eine lange Zeit...

„Also, was machst du so? Bist du mit dem Bio-Studium fertig? Wohnst du noch in Frankfurt?" erkundigte sich Joey zunächst.

„Nein, ich arbeite inzwischen in Hamburg, in der Rechtsmedizin." Kristin berichtete voller Enthusiasmus von ihrem Job. „Wir haben natürlich auch viel Routine, wie zum Beispiel die Vaterschaftstests, aber mit den DNA-Analysen helfen wir auch oft, Verbrechen aufzuklären. Da reichen kleinste Spuren wie Haare oder Speichelreste an Zigarettenkippen oder so! Oder neulich haben wir die Opfer von einem Flugzeugabsturz aus dem Krieg identifizieren können, als das Flugzeug jetzt erst entdeckt wurde."

„Klingt sehr spannend", behauptete Joey, obwohl er nicht viel verstanden hatte. Aber das musste er ja auch nicht. Kristins Begeisterung für ihre Arbeit freute ihn jedenfalls. „Du hast dich also damals für das richtige Studium entschieden?" „Auf jeden Fall. Ich könnte mir nichts anderes als Beruf vorstellen. Aber jetzt erzähl doch mal, was du so getrieben hast! Ihr habt also die Band aufgelöst? Was machst du jetzt, außer mit gebrochenen Knochen Triathlon zu laufen? Du hast doch echt 'nen Knall..." Sie schüttelte fassungslos den Kopf. Auch dieses Detail hatte sie in der Talkshow erfahren. Weitere Recherchen hatte sie sich allerdings bewusst verkniffen. Sie wollte das alles von ihm selbst hören, ohne Verfälschungen und Gerüchte aus der Presse. Sie wusste ja aus Erfahrung, wie übertrieben das alles manchmal war.

Joey lachte verlegen. „Ach, so schlimm war das gar nicht. Bei so einem Wettkampf ist man so voll Adrenalin... Naja, und sonst halte ich Vorträge, schreibe Bücher über meine Extremtouren und arbeite als Personal Trainer."

„Ein Leben für den Sport also", stellte Kristin fest. Er nickte. „Findest du bestimmt todlangweilig." Er konnte sich noch gut erinnern, wie sehr sie Sport gehasst hatte. Dadurch hatte sie sich ja überhaupt erst mit Maite angefreundet.

Doch Kristin grinste verschmitzt. Sie kramte ihre Digitalkamera aus der Tasche und suchte nach einem Bild. Dann reichte sie ihm die Kamera. Verblüfft blickte Joey auf eine Aufnahme von Kristin in Sportklamotten, mit einer großen gelben Startnummer auf der Brust und einer Medaille um den Hals.

Er sah sie entgeistert an. „Wer bist du, und was hast du mit Kristin gemacht?!" Sie lachte und freute sich über sein verdutztes Gesicht. „Das war letztes Jahr beim Hamburg-Marathon." „Aber seit wann machst du SPORT?! Und ausgerechnet Laufen? Und gleich ein Marathon!"