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Er machte zwei langsame Schritte auf mich, immer noch durchbohrte sein Blick mich und im nächsten Moment sprintete er los. Die Hände zu Fäusten geballt und die Stirn in zornige Falten gelegt. "Was..." Mein Körper wurde starr vor Angst.

Was hat er vor?

Er war vielleicht noch zwanzig Meter entfernt. Zehn. Fünf. Zwei. Jetzt war er bei mir, packte mich am Hals und drückte leicht. Panisch schlug ich um mich doch seine einzige Reaktion darauf, war es, seinen Griff zu verstärken. Ich bekam kaum Luft, spürte schon wie meine Gesichtsfarbe sich veränderte, von einem schmutzigen hautfarbenem Ton zu einem bräunlichem Purpur. "Stirb!" Er zischte nur leise, doch seine Stimme war durchdringend und jagte mir einen eiskalten Schauer über den Rücken. "Lass sie los!" 26 tauchte hinter dem Trainer auf und schlug ihm zielsicher in seinen Unterleib. Der Trainer krümmte sich vor Schmerzen und ließ mich los, ich fiel hart auf den Boden und ein stechender Schmerz fuhr durch meinen Körper als ich auf dem Boden aufprallte. 26 sprang hoch und hielt sich an den breiten Schultern des Mannes fest, er hielt seine Hand an den Nacken von ihm und schloss kurz die Augen. Der Gesichtsausdruck des Trainers änderte sich schlagartig, verwirrt betrachtete er mich und 26 der nun seine Schultern losließ und leichtfüßig wie eine Katze auf dem Boden landete. "Was..?" Er zuckte nur mit den Schultern als der dunkelhäutige ihn fragend ansah und kam zu mir. "Bist du ok?" Ich nickte und wollte aufstehen, doch der stechende Schmerz in meinem Fußgelenk hielt mich davon ab. "Ich bring dich zu Sir Temps." Während der Trainer zurück zu seinen Schützlingen ging, hob 26 mich hoch und trug mich von den Trainingsplätzen weg. "Was war das grade?" Er schwieg. "Was war das?" Meine Stimme zitterte, die Angst saß immer noch tief in meinen Knochen. "Das ganze dauert etwas länger um es zu erzählen!" "Ich hab Zeit" "Ich aber nicht!"

Wir hatten nun die Hütte erreicht, 26 brachte mich in den Keller und flüsterte dem alten Mann etwas zu, bevor er wieder verschwand. "Auch wieder hier?" Ich nickte nur. Sir Temps kam zu mir und griff nach meinem Knöchel. Ich verzog mein Gesicht vor Schmerzen als er begann das Fußgelenk abzutasten. "Das is nichts schlimmes, in ein paar Tagen kannst du wieder trainieren!" Aus einem Schrank holte er Kräuter und eine Paste, aus einem anderen einen Verband, die Paste strich er vorsichtig auf meinen Fuß und dann wickelte er den Verband darum, die Kräuter zerstampfte er und gab sie in eine Tasse. Über dem Feuer in der Ecke des Raumes hing ein Kessel aus dem er Wasser in die Tasse goß und mir diese anschließend gab. "Das wird den Schmerz lindern, ruh dich ein wenig aus und heute Abend kannst du mir wieder helfen, haben gestern drei neue Patienten bekommen." Er deutete hinter sich, ging dann wieder zu einem der Schränke und begann die Patienten zu versorgen. Als ich den Tee ausgetrunken hatte legte ich mich auf die Strohmatte und schlief kurz darauf ein.

"Wach auf!" Ein leises Flüstern neben meinem Ohr und ein schwaches rütteln weckten mich auf. "Was...ist den los?" "Komm mit!" Es war die Stimme von 26, er hockte neben mir und wartete bis ich mich aufsetzte. "Wohin gehen wir?" "Erfährst du dann noch, du musst aber leise sein. Warte, ich helf dir!" Er drehte sich um, sodass er mich auf den Rücken nehmen konnte und hob mich hoch. "Ab jetzt kein Wort mehr!" Ich summte ein leises Ja und 26 begann die Leiter aus dem Keller hinaus zu klettern.

Die Luft draußen war kühl und ab und zu konnte man ein Tier im Wald hören, ansonsten war es, bis auf den leisen Wind und ein gelegentliches Knacken eines Astes, wenn 26 unvorsichtig war, still. Ab und zu blieb er stehen, lauschte in der Dunkelheit und setzte seinen Weg dann wieder fort, bis ich über unseren Köpfen helle Lichter erkennen konnte. Die Nacht war beinahe Wolkenlos und der Mond fast Voll, deswegen war eine Hügellandschaft zu erkennen. Ich blickte nach hinten,die hohen Bäume des Waldes ragten bedrohlich zu den Sternen hinauf.26 blieb wieder stehen und setzte mich im hohen Gras ab. "Du wolltest eine Erkärung für das vorher, willst du sie immer noch?" "Ja, aber warum sind wir dafür hierher gekommen?" 26 holte tief Luft bevor er zu sprechen begann. "Im Wald sollte man nicht über so etwas reden, nicht in diesem Wald. Also, das vorher war nicht der Trainer." Fragend sah ich zu ihm. "Er wurde kontrolliert. Sagen dir die Begriffe Sylth, Thiovei und Dirven etwas?" Ich schüttelte nur den Kopf, doch 26 hatte die Antwort schon zuvor erahnt. "Vor tausenden von Jahren gab es in dieser Welt Menschen mit besonderen Fähigkeiten, die meisten von ihnen verbrachten ihr Leben lang alleine in dunklen Höhlen und man kannte weder Namen noch Gesichter, aber Zwei von diesen Menschen, Iave und Pyramon, gaben ihre Fähigkeiten weiter an ihre vier Kinder. Der älteste Sohn hieß Thior, die Tochter Sylathia und die Zwillinge Diana und Vendur. Sie alle gaben ihre Fähigkeiten weiter. Dianas und Vendurs Nachfahren leben bis heute als stolzes Volk in den Arua-Höhen, Thiors Nachfahren leben als kleine Stämme auf der ganzen Welt verteilt besonders in den Ebenen von Xin-Yui, und die Nachfahren von Sylathia, naja, man hat geglaubt sie seien ausgestorben, die letzte wurde angeblich vor acht Jahren in den Shuiu Wäldern getötet, aber es gibt anscheinend doch noch eine und aus einem uns noch nicht bekannten Grund gibt es Menschen die sie tot sehen wollen." "Und was hat das jetzt mit dem Trainer zu tun?" "Dazu komme ich jetzt. Die Nachfahren der vier haben deren Fähigkeiten geerbt, Thiors Nachfahren werden nun die Thovei genannt, ihre Fähigkeit, die Stärke eines Gegners durch eine kurze Berührung zu analysieren und die eigene Stärke auf ein Niveau zu bringen, das dem anderen überlegen ist, macht sie beinahe unbesiegbar. Die Dirven, die Nachfahren von den Zwillingen Diana und Vendur, beherrschen die Gedankenkontrolle, einer von ihnen hat den Trainer heute so manipuliert, dass er dich angegriffen hat.." "Aber warum mich?" "Wenn du mich fertig reden lassen würdest, könnte ich es dir erklären. Also weiter...wo war ich, achja, die letzten sind die Sylth, Nachfahren von Sylathia, sie haben die Fähigkeit die Kraft der Natur als ihre eigene zu nutzen..." Mir stockte der Atem. "Dann bin ich.." "Ja, du bist die letzte Sylth, deine Mutter wurde vor acht Jahren getötet, von einem Thiovei, und jetzt versucht dieser Thiovei gemeinsam mit einem Dirven dir das Leben zu nehmen. Das ist der Grund warum dich der Trainer zuvor angegriffen hat." "Warum wusstest du, dass es Gedankenkontrolle war, und was hast du gemacht, dass er aufgehört hat?" 26 schien kurz zu überlegen bevor er antwortete.. "Es war, nur ein Gefühl, und wahrscheinlich war das nur Zufall oder der Schmerz hat ihn aus der Kontrolle befreit." Ich wollte etwas erwiedern, ließ es dann aber bleiben und legte mich stattdessen in das weiche Gras. "Bist du müde?""Ein bisschen." Es verstrichen einige Minuten in denen ich schweigend die Sterne betrachtete. "Wie heißt du? Also, dein richtiger Name." Ich richtete mich wieder auf und betrachtete 26 wie er einige Grashalme aus dem Boden riss. Seine Antwort war knapp "Ich weiß es nicht." "Warum weißt du sowas nicht, man kann doch nich seinen eigenen Namen vergessen!" Er schnaubte kurz. "Ich bin die Nummer 26, du bist 208, überleg doch mal wie lange ich schon hier sein muss!" Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken als er das sage, die Stimme erfüllt von dem Schmerz einer nie dagewesenen Kindheit, von der Trauer und Angst mit der aufwachsen musste.

"Tut mir leid." "Schon ok, ich habe nie ein anderes Leben gekannt, ich bin hier seit ich ein kleines Baby war und kann es mir gar nicht vorstelle, was für ein Gefühl das sein muss, frei zu sein, jeden Tag lachen zu können, oder auch weinen, ohne, dass jemand neben dir steht und dir sagt du seist schwach und du musst lernen deine Gefühe zu verbergen, zu unterdrücken, sie am besten gar nicht zu haben. Ich war mein ganzes Leben einfach nur 26, ein Werkzeug ohne freien Willen, ohne Wünsche oder Träume." Eine einzelne Träne glitzerte in seinem Auenwinkel, bevor sie auf ihrem Weg zum Kinn eine nasse Spur hinterließ und zu Boden fiel. "Wir sollten zurück gehen, wir müssen zurück sein bevor die Dämmerung beginnt, und du solltest noch ein bisschen schlafen, auch wenn du morgen nur dein Spezialtraining machen kannst wird das ein harter Tag." 26 hob mich wieder hoch und schweigend machte er sich auf den Weg zurück in den Wald.

SylthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt