Kapitel 4

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Nach einer Weile war ich an Saras Haus angekommen und parkte den Pick Up vorsichtig in der Auffahrt. Wir stiegen aus und gingen an die Haustür. Sara wollte die Tür gerade aufschließen, doch dann öffnete sie Rosalie schon. Sie musste wohl das Auto in die Einfahrt fahren gehabt hören.

Wir betraten das Haus, zogen unsere Schuhe und Jacken aus und gingen in die Küche. Dort standen bereits drei Teller mit gebratenen Nudeln und Gemüse bereit.
Sara, Rosalie und ich setzten uns an den Tisch und begannen zu essen. Das Essen war wie immer köstlich.

Doch plötzlich sah Rosalie Sara ernst an. Sie sagte mit ernster Miene: „Sara, dein Mathelehrer Mr. Smith hat bei mir angerufen und mir mitgeteilt, dass du dringend Nachhilfe in Mathe benötigst, weil deine letzte Zeugnisnote wohl nicht so gut gewesen sein soll. Ich dachte du hättest eine 2."

„Das war vielleicht ein bisschen gelogen.", gab Sara beschämt zu. Sie wusste ganz genau, wie sehr Rosalie es hasste, wenn man sie anlog. Doch überraschenderweise war Rosalie nicht sauer auf Sara. Sie meinte nur: „Bitte such dir eine Nachhilfe und lüge mich in Zukunft bitte nicht mehr an. Du weißt du kannst immer ehrlich zu mir sein und mit mir über alles reden." Sara stimmte ihr peinlich berührt zu und aß schnell ihre Spaghetti auf.

Als wir beide mit dem Essen fertig waren, stellten wir unsere Teller in die Spülmaschine und gingen die Treppe hinauf in Saras Zimmer. Ich setzte mich an ihren Schreibtisch, fing an meine Hausaufgaben zu machen und den Stoff der heutigen Mathestunde nachzuholen, in der ich nicht sonderlich aufgepasst hatte.

Währenddessen lag Sara auf ihrem Bett und sah sich irgendeine Reality Show im Fernsehen an. Als ich fertig war mit den Hausaufgaben und der Nachholung des Stoffes, setzte ich mich zu ihr ins Bett und las an meinem Buch weiter. Ich war so vertieft in das Buch, dass ich gar nicht bemerkte wie schnell die Zeit verging. Ich hatte auf Seite 210 gestartet und war jetzt bereits dabei die 300ste Seite zu lesen.

Ich warf einen Blick aus dem Fenster. Die Abenddämmerung brach ein. Ich beobachtete wie sich der Himmel langsam in einen intensiven Rosaton verfärbte. Die kleinen Wolken am Abendhimmel, sahen so schön aus, dass ich mich direkt näher an Saras Fenster setzte.

Normalerweise sah man die Aussicht auf Heather Bay nicht so gut, denn vor dem großen Fenster ihres Zimmers, lag normalerweise eine große Nebelwolke, welche die Sicht versperrte. Selbst im Hochsommer war in Heather Bay nur selten ein Tag ohne Nebel.

Ich lehnte meinen Kopf gegen die Fensterscheibe und schaute, bis es dunkel wurde, aus dem Fenster. Als ich schließlich nur noch ein paar weit entfernte Straßenlaternen erkennen konnte, wandte ich langsam meinen Blick ab.

Im Hintergrund hörte ich immer noch die Stimmen, der Leute, aus der Reality Show, die Sara sich wahrscheinlich schon seit Stunden ununterbrochen ansah. Ich hatte noch nie verstanden, was man am Reality TV so großartig fand. Ich mochte lieber Bücher, denn bei ihnen konnte man sich die Dinge so verbildlichen, wie man mochte.

Ich setzte mich wieder neben Sara und bemerkte, wie ich langsam müde wurde. Ich lehnte mich gegen Saras Schulter und im nächsten Moment schlief langsam ein. Ein paar Stunden später wachte ich von lauten Geräuschen auf. Ich setzte mich verschlafen auf die Kante des Bettes.

Ich warf einen Blick aus dem Fenster und sah, dass es gewitterte. Ich beobachtete noch eine Weile die violetten Blitze, die vom Himmel schossen. Ich blickte auf meine Armbanduhr und realisierte, dass es bereits vier Uhr morgens war. Ich beschloss mich nicht wieder ins Bett zu legen, denn in zwei Stunden würde sowieso der Wecker klingeln.

Ich schlich über den Flur, hinüber ins Badezimmer. Ich schloss die Badezimmertüre ab und beschloss eine kalte Dusche zu nehmen, um richtig wach zu werden. Als ich mich auszog, hörte ich schon die laute Yoga Musik, von Rosalie, aus dem Wohnzimmer schallen. Ich hoffte darauf, dass das Prasseln des Wassers, ihr spirituelles Geträller übertönen würde.

Ich drehte das Wasser auf und wartete einen Moment, bis es warm genug wurde. Nach einer Weile stieg ich in die Dusche und ließ das kalte Wasser auf meinen Körper prasseln. Nachdem ich mir meine Haare gewaschen hatte, drehte ich das Wasser ab und trocknete mich ab. Ich föhnte meine Haare, legte mir ein Handtuch um und ging zurück in Saras Zimmer.

Ich zog mir etwas an, schminkte mich und setzte mich an das Fenster. Das Gewitter war mittlerweile vorbei gezogen und regnen tat es auch nicht mehr, doch es war noch sehr dunkel und bis die Sonne aufgehen würde, dauerte es wohl noch etwas. Ich sah nur wieder die alten, flackernden Straßenlaternen leuchten.

Nach ein paar Minuten wurde mir langweilig und ich ging die Treppe hinunter zu Rosalie. Sie war schon hellwach und machte immer noch Yoga. Sie lächelte mich freudig an und forderte mich auf mitzumachen. Ich konnte nicht fassen, dass ich das wirklich tat, aber ich ließ mich von ihr überreden und versuchte ihre Positionen nachzuahmen.

Ich stellte fest, dass ich kein gutes Gleichgewicht besaß und gab es relativ schnell auf. In fünf Minuten würde der Wecker von Sara klingeln. Ich ging die Treppe hinauf, wieder in Saras Zimmer und setzte mich neben sie ins Bett. Als sie von dem Wecker geweckt wurde, rieb sie sich verschlafen die Augen, deaktivierte den Wecker und schlief weiter.

Ich beschloss sie eigenständig zu wecken. Ich schaltete das Licht an und öffnete die Zimmertüre, sodass man Rosalies Yoga Musik bis nach oben hören konnte. Sara stand genervt auf, ging ins Badezimmer, putze sich die Zähne und zog sich an. Als sie fertig war, gingen wir nach unten zu Rosalie.

Mittlerweile war sie mit ihrer morgendlichen Yogaeinheit fertig und begann das Frühstück auf den Tisch zu stellen. Wir nahmen Platz und tranken etwas Wasser. Als sich dann auch Rosalie zu uns setze, begannen wir zu essen. Es gab Brötchen und jeder konnte sich seines belegen wie er wollte. Als wir zu Ende gegessen hatten, halfen wir Rosalie den Tisch abzuräumen und das Geschirr in die Spülmaschine zu stellen.

Wir beeilten uns, denn in ein paar Minuten mussten wir losfahren. Wir schnappten uns unsere Rucksäcke und Jacken und verließen das Haus. An der Schule angekommen gingen wir in Richtung Spanisch Kurs. Wir betraten das Klassenzimmer und setzten uns hin. Unsere Spanischlehrerin Mrs. Rodriguez, die sich mittlerweile wieder von ihrer Erkältung erholt hatte, meinte sie hätte uns eine tolle Nachricht zu verkünden.

Sara und ich schauten uns fragend an, denn so hibbelig war unsere Lehrerin noch nie gewesen. „Der ganze Kurs fliegt für zwei Wochen auf die Kanarischen Inseln!", platze es plötzlich aus Mrs. Rodriguez raus. Ich sah Sara mit großen Augen an. „Du weißt was das bedeutet.", flüsterte ich ihr zu. „Keine Schule.", flüsterte sie, mit einem Grinsen im Gesicht, zurück.

Mrs. Rodriguez verkündete stolz: „In einer Woche geht es los. Jeder soll bitte, bis spätestens übermorgen eine Unterschrift eines Erziehungsberechtigen mitbringen." Sie teilte die Elternbriefe aus und fügte noch etwas hinzu: „Ihr müsst übrigens keine Reisekosten bezahlen. Mr. McAllister übernimmt die Kosten und finanziert die ganze Sache hier mit den übriggebliebenen Schulgeldern." „Puhhh!", dachte ich mir, „Jetzt musste ich meinen Vater wenigstens nur um eine Unterschrift bitten und nicht noch um Geld betteln."

Als die Schule vorbei war und Sara und ich in ihrem Wagen saßen, bat ich sie mich nach Hause zu fahren, da ich meinen Vater wegen der Unterschrift fragen musste. Sie fuhr mich vor meine Haustür und meinte, dass sie auf mich warten würde, doch ich sagte, dass ich später einfach zu Fuß zu ihr gehen würde.

Sie wünschte mir viel Glück und fuhr weg. Ich ging zur Tür und schloss sie auf. Immer wenn ich mein eigenes Haus sah, bekam ich ein mulmiges Gefühl. Als ich es betrat, hörte ich die Geräusche vom Fernseher. Ich ging in das Wohnzimmer und was ich dort sah, wollte ich einfach nicht wahrhaben.

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