e i n u n d d r e i ß i g

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| Josefine |

~ 10 Jahre zuvor ~

„Kai, ich glaube wir sollten langsam rein, unsere Eltern machen sich sonst noch sorgen und du musst doch morgen schon ganz früh los nach Leverkusen oder nicht?"

Von der Seite schaute ich Kai traurig an, der neben mir auf dem Rücken lag und durch die große Luke des Heubodens der alten Scheune gedankenverloren in den Sternenhimmel blickte.

„Ach was, ich hab deiner Mama gesagt, dass wir hier schlafen. Sie kommt uns morgen früh wecken. Gepackt habe ich sowieso schon alles. Nur ganz so lange aufbleiben sollen wir nicht."

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, auch wenn mir eigentlich nach Heulen zumute war. Es war schön, dass wir die letzte Nacht, bevor Kai nach Leverkusen ziehen würde, gemeinsam verbringen durften. Aber es machte mich auch unfassbar traurig, denn ich hatte eigentlich geglaubt, dass ich noch viel, viel mehr Nächte mit ihm hier gemeinsam verbringen könnte, bevor er gehen würde.

Der Wechsel stand schon länger im Raum und trotzdem hatte ich gehofft, dass Kai noch bleiben würde. Der Egoismus meines Siebenjährigen Ichs hatte gehofft, dass Leverkusen ihn vielleicht doch nicht haben wollen würde. Und ich hatte gehofft, dass er sich für mich und nicht für den Fußball entscheiden würde.

Beides war nicht passiert. Leverkusen wollte Kai in der Nachwuchsjugend haben und Kai hatte sich für den Wechsel entschieden.

Vermutlich hatte ich tief in meinem Inneren auch schon lange gewusst, dass Kai gehen würde, aber wahrhaben wollte ich es nicht...

Ich schob diese traurigen und trübseligen Gedanken beiseite. Wenn Kai weg war, konnte ich immer noch Trübsal blasen. Jetzt hieß es die letzten Stunden mit ihm zu genießen.

„Hey Josy, guck doch nicht so traurig.", murmelte Kai, der sich auf den Bauch gedreht hatte und sich nun auf die Unterarme stützte.

„Aber es IST traurig.", widersprach ich trotzig. „Ich will nicht, dass du gehst. Das ist so blöd!"

Kai nickte. „Ich weiß." Er stupste mich mit dem Ellenbogen in die Seite "Aber wir bleiben trotzdem für immer Freunde, mich wirst du so schnell nicht los!"

Ich zog zweifelnd eine Augenbraue hoch.

„Großes Indianer-Ehrenwort?", fragte ich und hielt Kai meinen kleinen Finger hin. Er hakte seinen kleinen Finger ein und grinste.

„Natürlich. Sogar doppeltes Indianer-Ehrenwort!"

Nun grinste auch ich. „Jetzt können wir zum letzten Mal die ganze Nacht hier oben sitzen und die Sterne beobachten, so wie wir es schon so oft gemacht haben. Wenn wir für immer Freunde bleiben, ist es nämlich irgendwie nur noch halb so schlimm, dass du gehst.", sagte ich, naiv wie ich war und richtete meinen Blick wieder auf den Sternenhimmel.

„Versprich mir, dass das nur unser Ort bleibt, nur von uns beiden.", flüsterte Kai auf einmal und ich nickte, weil ich mir insgeheim das Gleiche wünschte.

„Das bleibt nur unser Ort.", versprach ich ihm leise. "Und jeden Sonntagabend komme ich hier hin und gucke in die Sterne. Und du guckst in Leverkusen in die gleichen Sterne. Dann sind wir ganz nah beieinander.", flüsterte ich und rückte ein Stück näher zu ihm.

Langsam setzte Kai sich auf und ich folgte ihm.

Nachdenklich schwieg er, während er in den dunklen, von goldenen Lichtflecken durchzogenen Himmel schaute, der sich wie ein Teppich in einer unendlichen Weite über uns erstreckte.

melody of memories | kai havertz Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt