d r e i u n d d r e i ß i g

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Erneute Triggerwarnung: Das Kapitel behandelt sensible Themen, die eventuell triggern könnten. Lesen auf eigene Gefahr!!

| Kai |
~ 10 Jahre zuvor ~

„Mama, ich kann nicht schlafen...", murmelte ich, während ich leise durch das Schlafzimmer meiner Eltern tapste und feststellen musste, dass ihr Bett kalt und leer war. Ich umklammerte Elma, meinen Stofftier-Esel, fester und schluckte bedrückt.

Müde schlurfte ich also die Treppe nach unten, in der Hoffnung, dass meine Mama noch wach war. Vielleicht konnte sie ja auch nicht schlafen, dachte ich, denn ich wusste, dass sie sich immer etwas Sorgen machte, wenn mein Vater mit seinen Jungs, wie die Erwachsenen es nannten, unterwegs war. Ich sah es an ihren Augen und ihrem besorgten Blick, den sie zwar vor mir und meinen Geschwistern zu verstecken versuchte, aber das gelang ihr nicht immer.

Die Treppe knarzte unter meinen Füßen und mein Herz begann wie wild zu klopfen, während ich im Dunkeln langsam eine Stufe nach der nächsten hinter mich brachte. Tagsüber fühlte ich mich hier sicher und pudelwohl, aber nachts hatte ich das Gefühl, dass die Schatten in den Ecken zu Monstern erwachten, welche mich von dort aus, aus ihren giftgrünen Augen anstarrten und nur auf den Richtigen Augenblick warteten, um sich auf mich zu stürzen. Schützend drückte ich Elma an meine Brust.

„Mama?" Ich sprach leise und trotzdem durchschnitt meine Stimme unangenehm laut die Stille.

Meine Angst wuchs, als ich Stimmen hörte, die unmöglich zu meiner Mutter gehören konnten.

Männerstimmen.

Ich bekam Panik. Waren fremde hier im Haus? Und wo war meine Mutter? Kurz überlegte ich, ob ich nicht einfach zurück in mein Zimmer laufen sollte, um mich dort unter meiner Bettdecke zu verkriechen. Aber da die Ungewissheit meine Angst ins unermessliche steigern würde und ich wusste, dass ich dann überhaupt kein Auge zu tun würde, nahm ich all meinen Mut zusammen und drückte langsam die Klinke der Wohnzimmertür herunter.

Langsam schob ich die Tür einen Spalt breit auf.

Mir bot sich ein schauriger Anblick.

„Mama?" Schnell lief ich in die Mitte des Wohnzimmers auf den Stuhl zu, auf dem meine Mutter saß, die Hände und Füße an den Stuhl gebunden.

„Warum weinst du?", fragte ich panisch, während ich um den Stuhl rumlief und versuchte ihre Hände, die hinter ihrem Rücken befestigt waren, zu befreien. „Und warum hast du nur noch Unterwäsche an? Du zitterst ja..."

Ich bekam keine Antwort und meine Angst wurde mit jeder Sekunde, die verstrich, größer.

„Mama, was ist hier los?"

Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände, doch sie war wie weggetreten. Dann plötzlich ging ein Ruck durch ihren Körper und sie schien zu erkennen, dass ich vor ihr stand. Ihre Augen wurden in Sekundenschnelle groß und Entsetzten spiegelte sich in meinem Blick.

„Kai, bitte geh wieder hoch, bevor dich jemand hier sieht.", hauchte sie panisch und unter Tränen. „Bitte, schnell!" Ein Schaudern fuhr mir durch Mark und Knochen bei ihrer brüchigen und erstickten Stimme. So hatte ich meine Mutter noch nie erlebt.

„Kai, jetzt! Geh!" Ihre Stimme wurde energischer, doch ich zögerte noch immer. Ich konnte meine Mama doch jetzt nicht hier alleine lassen, oder? Schließlich stimmte hier etwas ganz und gar nicht.

melody of memories | kai havertz Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt