Schicksalsschläge

Kapitel 1

Hallo. Mein Name ist Novalee Sommer. Ich bin 14 Jahre alt und wohne mit meinen Eltern und meiner kleinen Schwester in einem großen Haus in Kassel. Trotzdem habe ich das kleinste Zimmer. Meine Schwester Lotte hat natürlich das größere. Sie bekommt auch mehr Taschengeld, darf länger aufbleiben, hat nie schlechte Noten, hat einen eigenen Fernseher, ein Tablet und so weiter und so fort. Wenn ich jetzt alles, was sie darf und ich nicht darf, aufzählen würde, würde das nie ein Ende haben. Und das alles darf sie, obwohl sie 2 Jahre jünger ist als ich. Man merkt also ganz schnell, dass sie das Favoritenkind ist. Sie wird auch nicht geschlagen. Wenn ich mal wieder eine 3 oder 4 nach Hause bringe, was ziemlich oft passiert, da ich einfach nicht verstehe, wo der Unterschied zwischen Gewichtskraft, Gewichtsmasse und Newton sein soll, hebt mein Vater ganz gerne mal die Hand. Meine Mutter steht immer mit einem Blick von Genugtuung daneben und schaut zu.

Die Schmerzen bin ich mittlerweile gewohnt, denn das Ganze geht bestimmt schon so seit ich 10 bin. Bis dahin war fast alles in Ordnung. Meine Schwester und ich haben immer zusammen gespielt, gelacht und uns super verstanden. Wir waren nicht zu trennen. Doch dann rückte sie immer mehr in den Vordergrund, z. B. wenn sie sich beim Spielen verletzt hatte. Ich weiß noch, wie ich mit 11 mal einen dreckigen Glassplitter im Daumen hatte und ihn mir selbst raus ziehen musste. Meine Mutter hat drüber geschaut und meinte, dass ich ein Pflaster drauf kleben und mich nicht so anstellen soll. Solche Sachen häuften sich immer mehr bis es sich zu dem entwickelte, was es heute ist. Mit meiner Schwester habe ich seit Jahren kein Wort mehr gewechselt. Ich habe einfach keine Lust mehr. Was ist das denn für ein Leben? Ständig muss ich mir anhören, dass meine Schwester viel besser, toller, hübscher usw. ist. Und diese Schmerzen ertragen. Ich bin das schwarze Schaf in der Familie und weiß nichtmal warum. Das konnte so nicht weiter gehen und ich beschloss, mir eine Lösung zu überlegen. Warum ich das noch nicht früher getan hatte? Weiß ich auch nicht. Wahrscheinlich, weil ich dachte, dass es sich wieder ändern würde. Jede Nacht überlegte ich hin und her, bis sie mir einfiel.