12 - Zu perfekter Schein

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Seitdem sich das Duo von Anni getrennt hat, sind mehrere Tage vergangen.
Immer wieder versuchte Violene herauszufinden, wohin die Reise nun weitergehen soll. Aber seit der Aktion bei den Berserkern ist Narvik noch schweigsamer als vorher geworden. Und doch hegt Violene die Hoffnung, dass sie sich täuscht.
„Okay, Violene", seufzt Narvik, nachdem sie ihn erneut fragte, „ich habe von einer Insel erfahren, wo es Menschen geben soll, die den Leuchtenden Fluch als Wappen tragen."
„Du meinst..., dieser Stamm könnte meine Familie sein?"
„Die Möglichkeit gibt es. Deswegen wird deren Insel auch unser nächstes Ziel sein. Ich bin mir sicher, die werden sich freuen, wenn du da bist. Ich habe uns schon... vor längerer Zeit angekündigt."
„Aber haben die keine Probleme mit Drachen?", besorgt sieht Violene zu ihrem Drachen, welcher stur neben dem Trampler der angegebenen Richtung folgt.
„Du wirst überrascht sein, aber nein. Sie sind ein sehr friedlicher Stamm, die mit den Drachen in Freundschaft leben."

Erstaunt nickt Violene langsam, das Medaillon in ihrer Tasche fest umschließend. Ihre wahre Heimat, die auch noch drachenfreundlich ist. Was wünscht man sich mehr?
Und doch spannt sie sich automatisch mehr an, als die besagte Insel in Sicht kommt. Kann es wirklich sein? Darf ich endlich zu Hause ankommen? Die Insel... sieht so unscheinbar aus. Und so weit weg von allem.
Was aber keiner der beiden Reiter bemerkt, ist die unmerkliche Anspannung ihrer Drachen, während sie zum Landeanflug ansetzen. „Überlass mir das Reden", schärft Narvik Violene noch einmal ein. Und das nicht zu spät.
Kaum berühren die Drachen den Boden der Insel, nähern sich mehrere bewaffnete Männer den beiden. „Wer seid ihr!?"
Ruhig tritt Narvik vor, beruhigend neben seinem Drachen stehenbleibend, während auch Violene absteigt. „Ich habe uns beide schon vor längerer Zeit angekündigt. Mein Name ist Narvik und das ist meine Begleiterin, Violene."
„Ihr?!"

Wo eben noch Skepsis bei den fremden Wikingern herrschte, ist nun offenherzige Freundlichkeit. Schnell werden die beiden in ein großes Gebäude hereingebeten und durch lange Gänge geführt. Anstatt aber selbst drinnen feindlich oder skeptisch empfangen zu werden, werden sie immer wieder angelächelt und freundlich begrüßt.
„Endlich seid ihr da! Wunderbar, wir konnten es kaum erwarten!", kaum sind die beiden nach den Gängen wieder unter freiem Himmel angekommen, werden sie auch schon vom Anführer des Stammes begrüßt. „Wurdet ihr unterwegs aufgehalten?"
„Es gab ein paar... Unterbrechungen. Nichts Besonderes", erwidert Narvik beiläufig.
Gemeinsam gehen die drei nun weiter, wobei Violene sich fasziniert umsieht. Die Häuser sind eine Mischung aus Stein und Holz, je nach Art. Auch hier herrscht eine große Offenherzigkeit. Aber eine Sache fällt ihr dabei noch mehr auf: Sie leben Hand in Hand mit den Drachen, in einem gemeinsamen Miteinander.
Mit einem leichten Schmunzeln wendet der Anführer sich Violene zu: „Dir gefällt dieser Anblick hier sehr, oder?"
„Ja! Mit Verlaub...", kurz wird Violene leiser und muss an das Medaillon in ihrer Tasche denken, „wer sind meine Eltern? Ist das hier meine Heimat?"
Augenblicklich wird der Blick des Anführers ernster und seine Stimme leiser: „Du beherrscht die Drachensprache, richtig?" Ein kurzes Nicken ist die Antwort. „Dann lass uns heute Abend nach dem Fest darüber reden." Mit diesen Worten ist das Thema für den Anführer abgehakt, nicht aber für Violene, die sich mit dieser Entscheidung wohl oder übel zufrieden stellen muss.

Und doch sollte das Fest keine Enttäuschung werden.
Schnell hat Violene in dem Stamm Anschluss gefunden und hilft mit Schocker mit, die letzten Vorbereitungen zu treffen und das Fest vorzubereiten. Zu Ehren der beiden Gäste, zu Ehren Narviks und Violene. Und doch bleibt ihr Blick immer wieder an den Häusern und den Dekorationen dieses Stammes hängen, vor allem am Wappen. Am Wappen eines Leuchtenden Fluchs.
Zuhause. Das ist Heimat. Wir haben es geschafft, wir haben es endlich geschafft. Heute Abend darf ich endlich meine wahre Identität kennenlernen. Verstehen, warum das alles passierte. Warum ich von ihnen getrennt wurde.
Fackeln werden angezündet, während die Sonne sich gen Meer neigt. Früchte werden in Schüsseln verteilt und allerlei bunte Sachen aufgehängt. Aus einer Ecke wird Musik gespielt, ein paar Mitglieder tanzen fröhlich zu deren Takt. Es wird gelacht, gesungen und gequatscht.
Bis der Anführer sich erhebt und sich mit seiner kräftigen Stimme Gehör verschafft: „Wie ihr ja alle wisst, feiern wir heute die Ankunft zweier besonderer Gäste! Narvik und Violene. Nach vielen Jahren ist unser verloren geglaubtes Stammesmitglied endlich wieder zu uns zurückgekehrt und unsere Tradition wird fortbestehen können. Mit ihr wird das Erbe fortbestehen können!"
Ein lautes Jubeln ist die Antwort, wobei Violene aufhört zuzuhören. Irgendetwas lässt sie nicht ganz zur Ruhe kommen, irgendetwas... passt nicht in das Bild dieses Stammes.
Kurz begegnen sich ihr und Narviks Blick, welcher ihr aufmunternd zunickt. Dann sieht auch er wieder zum Häuptling, als ein scharfes Pfeifen die sonst ruhige Stimmung unterbricht.

Zu dem einen Brocken gesellen sich noch weitere. Auch brennende Pfeile erhellen nun den Nachthimmel. Wikinger greifen zu ihren Waffen, als das große Tor schon durchbrochen wird.
„Hau ab, Violene. Sofort!" Narviks Stimme.
Diesmal... angespannter, wütender, gereizter.
Erschrocken sieht sie ihn direkt an. Doch der Narvik, der ihr das entgegen schreit, den kennt sie nicht. Schon im nächsten Moment wird sie von Schocker aus den Gedanken gerissen, welcher sie anstupst und wegdrängt. Weg von dem Geschehen. Weg von den fliegenden Feuersalven. Weg von den feindlichen Kriegern, die sich mit großer Gewalt ihren Weg durch das Dorf und die Menschen bahnen.
Ich kann nicht schon wieder abhauen... Nein!
Doch Narviks Befehl, die unermüdlichen Feuersalven und der unfaire Kampf gegen die feindlichen Krieger lassen ihr keine andere Option zu, wenn sie nicht auch noch sinnlos sterben will.
Sie bekommt nicht einmal mehr mit, wie Schocker mit ihr auf seinem Rücken schnell in die entgegengesetzte Richtung fliegt.
Hauptsache weg.
Hauptsache Sicherheit.
Nicht einmal mehr einen letzten Blick zurück schafft sie, zu sehr versucht sie, sich darauf zu konzentrieren, sich festzuhalten und nicht durch Unachtsamkeit zu fallen.

Mit jedem Meter, mit dem sie das Geschehen und den Schrecken hinter sich lassen, kehrt Ruhe ein. Und mit jedem Meter eine bedrückende, kalte Stille. Erst sind es nur wenige Tränen, die über ihre Wangen laufen. Bis der Damm gebrochen ist und Violene ihren Gefühlen freien Lauf lässt, wobei Schocker ruhig weiterfliegt. Nicht wissend, welche Worte seiner Reiterin nun am ehesten helfen könnten.
Was keiner bemerkt, ist, wie es immer kälter wird.
Wo sich schon vorher vereinzelt kalte Temperaturen bemerkbar machten, zeigen sich mit der Zeit auch immer mehr Eisschollen und ganze Eisdecken, die das Meer bedecken. „(DS)Wir müssen bald eine Insel mit einem Unterschlupf finden, Schocker..."

Doch die Kälte ist nicht das Einzige, was in diesen Breitengraden ein berüchtigtes Problem ist. Schon viele Seefahrer ließen hier ihr Leben, als sie einer grausamen Bestie in die Augen blickten. Nur ahnen Reiter und Drache noch nichts von der drohenden Gefahr, die in dieser Dunkelheit vor ihr lauert. Obwohl diese sogar von Orendels Feuer unterbrochen wird.
Malerisch zeichnen sich die Polarlichter am freien Himmel ab, während sich ruhige Flügelschläge dazu nähern. Und große Schatten sich vor ihnen auf den spiegelglatten Eisdecken abzeichnen.
Ein leises Seufzen entfährt Violene, als Schocker plötzlich abrupt in einen Sturzflug übergeht. Nur um kurz über der Eisdecke wieder hochzufliegen. Noch bevor Violene passende Worte finden kann, ist ein dumpfer Aufschlag hinter den beiden zu hören. „(DS) Halt an."
Widerwillig tut Schocker wie geheißen und landet vorsichtig auf der Eisdecke, sich umdrehend. Mehrere Drachen mustern die beiden angriffslustig, während die anderen denen aufhelfen, die eine Bruchlandung auf dem Eis gemacht haben. „So viele Drachen... auf einem Haufen?" Verwirrt sieht Violene zu diesen, als ein Tödlicher Nadder plötzlich seine Stacheln aufstellt und sie attackieren will. „(DS) Stop!", hallt im nächsten Moment über die Weiten der Eisdecke, was nicht nur Schocker, sondern auch die anderen Drachen innehalten lässt. „(DS) Bitte... wir sind nur auf der Durchreise. Wir werden nicht lange in eurem Gebiet bleiben...", wird ihre Stimme dann leiser und sanfter, weg vom befehlenden Ton.

Kurz schauen die Drachen sich an, scheinen sich miteinander abzusprechen. Sogleich beginnen die Ersten, wieder hochzufliegen, während ein alter Trampler sich den beiden zuwendet. „Folgt uns."

Skeptisch sieht Schocker zu seiner Reiterin, welche ein Lächeln versucht. „Willst du denen wirklich trauen?"
„(DS) Wir sind in deren Gebiet eingedrungen, ohne Erlaubnis. Wenn die uns danach in Frieden lassen, folge ich denen lieber, als im Eis baden zu gehen. Was sollte uns denn schon groß passieren können? Abgesehen von riesigen Drachen, die vielleicht Hunger haben?"
„Genau das!", grummelt Schocker bestimmt, bevor er dann aber auch den anderen Drachen folgt, welche die beiden in ihre Mitte nehmen.
Was auch immer uns erwartet... schlimmer als die letzten zig Dinge kann es einfach nicht werden. Vielleicht dürfen wir uns ja auch endlich mal ein paar Tage bei ihnen ausruhen, bevor wir weiterreisen. Wäre gar nicht mal so verkehrt, nach dem ständigen hin und her.
Doch anstatt von einer kleinen Insel oder einer Eishöhle begrüßt zu werden, erwartet sie eine Art riesiges Monument aus Eis und Stein, welches vom dichten Nebel und viel weiterem Eis umgeben ist. Was ist das nur...? Es ist riesig!

Nur sollte es bei dieser Überraschung nicht lange bleiben.
Schon während sie sich nähern, lassen sich noch weitere Drachen erkennen.
Aber kaum wurden sie durch einen verdeckten Eingang in dieses ... Etwas hereingebracht, ist die Überraschung perfekt. Unzählige verschiedene Drachen mustern die Neuankömmlinge neugierig und skeptisch, als Violene absteigt und zusammen mit Schocker den Gang entlang geht. Bis sie gemeinsam in einem wahren Paradies von Natur und Leben ankommen.
Unbeschreiblich.






Hey, danke dir fürs lesen :p
Ich hoffe, das Kapitel hat dir gefallen. Zeig es mir doch gerne mit einer Rückmeldung durch Votes und Kommis – Geisterleser kriege ich leider nicht wirklich mit 🥺😅

Die Wächterin (Httyd)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt