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"Lauf, solange du kannst!"
Mit beinah fliegenden Schritten jagte ich über die dunkle Wiese, die scheinbar endlos war. Bei jedem kleinsten Geräusch zuckte ich zusammen, welches schmerzerfüllt in meinen Ohren klingelte. Viel zu laut hörte ich das Blut in meinem Körper rauschen, viel zu laut klopfte mein Herz, voller Panik und Angst, nicht schnell genug zu sein. Ein Wald ragte vor mir auf, versprach leise flüsternd Sicherheit, doch es war egal wie sehr ich mich dazu anspornte, schneller zu rennen; ich konnte nicht mehr lange durchhalten. Die rettende Sicherheit blieb jedoch vor mir und brachte mir einen Funken von Hoffnung. Ich verspottete mich selbst wegen meiner verdammten Leichtgläubigkeit, wie leicht ich mich doch täuschen ließ. Um mich herum ertönten sich Stimmen, wie sie nach mir riefen, ich solle schneller sein, ansonsten würde das Spiel doch viel zu schnell enden. Mein Brustkorb hebte und senkte sich in unregelmäßigen Abstand, während sich Schatten neben mir bewegten, nicht weit von mir entfernt. Eine Hand legte sich um meinen Mund und meine Schreie verdumpften sofort. Ich zwang mich dazu, schneller zu laufen, doch es brachte nichts. Je schneller ich versuchte zu laufen, desto länger würde das Spiel dauern, desto schneller liefen die Schatten, trieben mich immer weiter in eine Dunkelheit, an die ich mich niemals gewöhnen könnte. Plötzlich verspürte ich einen gewaltigen Schlag in meiner Magengrube und brennende Schmerzen, die mich zu Boden rissen. Mit vor Schreck geweiteten Augen starrte ich auf einen Punkt im Wald, ignorierte die Stimmen um mich herum, die nur undeutlich in meinem Kopf verklangen. Eine zähflüssige Substanz von dunkelroter Färbung tropfte zu Boden, wurde gierig wie Wasser aufgesaugt. "Hab ich dich!"
Erneut brüllte eine tiefe Stimme hinter mir, ließ mich vor Angst heulen. Den verschleierten Blick auf die Bäume vor mich gerichtet, gaben sie mir neue Hoffnung. Hoffnung, die im nächsten Moment erlöschen würde. Der Wald, die düstere Sicherheit! Das Gefühl von Geborgenheit! Sie kamen mir immer näher, sie kamen tatsächlich näher! Verzweifelt schlug ich unkontrolliert um mich, ich wurde noch verrückt. Verzerrt vernahm ich, wie eine weitere, mir unvertraute Stimme neben mir aufschrie. Voller Entsetzen verharrte mein Körper an Ort und Stelle. Ich erstarrte abrupt, als etwas aufblitzte und weitere Schläge meinen Kopf trafen. Etwas hartes stieß gegen mich, riss mich erneut zu Boden und schlug währendessen weiterhin auf meinen bereits schmerzenden Körper ein. Immer wieder musste ich mir ein Schreien unterdrücken, unsägliche Schmerzen rasten durch meinen Körper und drohten, meinen Verstand bersten zu lassen. Tränen flossen in Strömen über mein verunstaltetes Gesicht, rannen in die offenen Schnitte und verstärkten die Folter weiter. "Hört auf! Ich habe euch verdammt nochmal nichts getan!" Wie von Sinnen kreischte ich, schlug wild nach den Männern, die mich festhielten, doch konnte nur einen verächtlichen Blick wahrnehmen. Ich spürte etwas kaltes, was über meinen entblößten Körper strich und die empfindliche Haut auf meinen Armen leicht einritzte. Schaudernd spürte ich, wie Blut aus meinem Leib sickerte und über meine Hand floss. Es erzeugte eine unangenehme Hitze und verstärkte meine Panik. Erneut wimmerte ich auf, Angst strömte durch meinen Verstand und ebenso das Wissen, dass ich hier vermutlich den sicheren Tod finden würde, oder noch viel schlimmere Dinge erleben musste. Wieso war ich so naiv gewesen, anzunehmen, dass ich meinem Schicksal entkommen könnte? Niemals würde ich von dem Fluch frei sein. Noch immer sickerten Tränen in meinen Augen, brannten wie Feuer in den immer mehr werdenden Wunden. Schmerzerfüllt verzog sich mein Gesicht, als ich ein diabolisches Lachen wahrnahm. Verschwommen sah ich eine Gestalt vor mir, die vermutlich der Auslöser für das Lachen war. Ich musste einige Male blinzeln, um mich an das plötzliche Licht zu gewöhnen und erkannte dabei die präzisen Umrisse eines Mannes, welcher mich mit seinen kalten Augen unverdrossen musterte. Als ich versuchte, meine zitternden Hände zu bewegen, gelang es mir einfach nicht. Was war passiert? War es bloß ein Alptraum? Nun erklang eine gefährlich ruhige Stimme direkt neben meinem Ohr, vor Schock verharrte ich einen Moment lang und ein eisiger Schauer durchfuhr mich. Sein heißer Atem strich meinen Nacken entlang und ich war so sehr in Gedanken gewesen, dass ich nicht gemerkt hatte, wie er sich mir genähert hatte. "Wer bist du?", fragte ich mit zittriger Stimme.
Keine Antwort. Keine Regung.
Die gesamte Situation machte mir furchtbare Panik. Einzelne Erinnerungen fluteten meinen Verstand, doch an vieles konnte ich mich nicht mehr erinnern. Es schien mir, als hätte mir jemand die Erinnerungen gelöscht.
Eisige Kälte fuhr mir durch alle Knochen. Jede einzelne Grausamkeit, die ich vorher verdrängt hatte, erschien plötzlich in meinem Kopf. Ich versuchte mich zu erinnern, was zuvor passiert war.

WorthlessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt