Die Zeit verging, Sekunde für Sekunde. Doch jeder einzelne Herzschlag, welcher verstrich, fühlte sich wie eine verdammte Ewigkeit an. Kaum zu glauben, dass es sich hierbei nur um einige Minuten handelte, die ich hier verbrachte, auf Shane wartend. Oder darauf wartend, dass irgendetwas geschah, was nicht mein eigener Herzschlag war. Aus einem Fenster konnte ich außerdem vernehmen, wie ein paar Vögel zwitscherten, als wäre die Welt heile und in Ordnung. Für sie zumindest war die Welt heile und in Ordnung, denn sie konnten wenigstens Freiheit verspüren. Sie plagten keine unbarmherzigen Gedanken und Ängste, zumindest nicht, weil ein irrer Typ sie in seinem Gebäude festhielt. Während ich meine Umgebung so gut es ging im Auge behielt und jedes noch so kleinstes Detail mir genau einprägte, lehnte ich mich gegen die Wand. Das Schaben eines Messers riss mich aus meinen Gedanken. Ich konnte hören, wie ein scharfer Gegenstand immer und immer wieder gegen ein Brett oder ähnliches fuhr. Schaudernd stellte ich mir vor, wie der Mann wie aus dem Nichts mit einem Messer auf mich zukommen und mich damit umbringen würde. Ungewollt dachte ich an die Worte, die er zuvor aussprach; Dass er meine Haut damit aufreißen würde, sobald ich mich falsch verhielt. Ich spürte eine Gänsehaut meinen Nacken entlang kriechen und hoffte nur zu sehr, dass er das nicht ernst meinte. Langsam aber sicher trat ich einige Schritte vor, dabei versuchend, das seltsame Bild zu ignorieren und nicht wieder ins Sichtfeld zu rufen. Vorsichtig wagte ich einen Blick in die Richtung, in die sich Shane befinden musste, um mich zu vergewissern, dass er nicht gleich tatsächlich mit einem Messer auf mich zukommen würde. Wer wusste schon, auf was für Ideen solch eine Persönlichkeit kommen könnte? Ich beobachtete ihn, wie er mit dem Rücken zu mir gewandt an der Arbeitsplatte das Essen vorbereitete, doch ich war bereit, jeden Moment meinen Blick von ihm abzuwenden, sollte er mich bemerken. Solange ich gleich kein blutiges Messer oder sonst irgendetwas sah, was mich sofort dazu bringen würde von hier abzuhauen, konnte ich es verkraften. Es dauerte nicht lange, bis mein Körper zu kribbeln begann. Zum einen vor Aufregung, zum anderen weil mir der köstliche Geruch des Essens in die Atemwege stieg. Ich wollte nicht wissen, wie viel Zeit ich ohne Nahrung verbracht hatte, so sehr ich die pochenden Schmerzen nun auch in meinem eigenen Magen spüren konnte. ''In 10 Minuten sollten sie wieder hier sein.'' Seine tiefe Stimme erklang und sein blässeres, markantes Gesicht erschien direkt in meine Richtung, als er sich zu mir umdrehte. Verlegen sah ich weg. Die Angst in mir ließ sich jedoch nicht vertreiben. ''Setz dich in der Zeit zu mir.'', befiel Shane, ''Ich hasse es, dich nicht im Auge behalten zu können.'', fügte er hinzu und deutete mit einem Nicken seines Kopfes auf einen Stuhl, der sich direkt an einem dunklen Holztisch befand, ganz in der Nähe von ihm. Mit leicht gesenktem Kopf folgte ich seiner Anforderung und setzte mich mit einem unguten Gefühl. Schweigend starrte ich auf meine Hände, die ich auf den Tisch gelegt hatte, um irgendwie normal zu wirken. Als mir eine Tasse Tee direkt vor mein Sichtfeld gestellt wurde, spürte ich den heißen Dampf und stellte mir unwillkürlich vor, wie mir das heiße Wasser aufeinmal aus den Händen rutschen würde. Es könnte ganz unberechenbar in seine Augen fließen, ihn erblinden lassen. Ich könnte es wie ein Unfall aussehen lassen. Ob Wasser so heiß werden konnte, dass es selbst Gefühle und Schmerz aus dem Inneren eines Menschen verbrennen könnte? Wenn ich dazu fähig wäre, würde ich definitiv nicht lange zögern. Doch vorallem wollte ich die Bilder von Shane aus meinem Kopf auslöschen, denn er löste in mir solch eine Angst aus, dass ich nicht wusste, ob ich es jemals dazu bringen könnte, mich tatsächlich gegen ihn zu widersetzen. Allein seine Augen strahlten solch eine bisher nie gesehene Intensität aus, dass ich mir unmöglich vorstellen könnte, ihm auch nur irgendetwas von Gesicht zu Gesicht zu sagen. In seiner Gegenwart jedenfalls, konnte ich mir nichts anderes vorstellen, als ganz einfach zu gehorchen. So armselig das auch klingen mochte und so sehr sich mein Herz bei dieser Vorstellung in meinem Brustkorb zusammenzog, so gab es zumindest noch nichts anderes, was ich bis jetzt für möglich halten würde. Schließlich hing selbst ein Bild mit einer aufgehängten Frau in dem verdammten Wohnzimmer, auch wenn mir noch unklar war, ob sie tatsächlich von den Männern hier verunstaltet wurde, oder ob sich Shane damit nur einen seltsamen Spaß mir gegenüber erlauben wollte. Ich griff vorsichtig nach der Tasse, die sich ungewohnt warm in meinen Händen anfühlte. Gedankenversunken hielt ich meinen Kopf ganz nah an den Tee, sog den Kräuterduft auf, wünschte mir jedoch, dass die Hitze mich einfach auflösen könnte. Die Hitze drang langsam in mein Gesicht und einen Moment lang schloss ich meine Augen, stellte mir vor, wie die Wärme mir meinen eigenen Atem nehmen könnte und mein verzweifeltes Weinen ersticken würde.
DU LIEST GERADE
Worthless
Mystery / ThrillerOhne jegliche Erinnerung wacht der 16-Jährige Nathan in einem Keller auf. Eine Gruppe von sadistischen Männern hält ihn in ihrem Haus gefangen und behaupten, ihn niemals wieder gehen zu lassen. Für Nathan beginnt eine Zeit voller Verzweiflung, Angst...