12. Der hat gesessen

86 5 2
                                    

Victims

,,Der hat gesessen.''

I know I took the path that you would never want for me

I know I let you down, didn't I?

Wortlos und unbeeindruckt schaue ich meinen Vater an. Er streckt eine Hand nach mir aus und ich weiche leicht zurück. ,,Dass wir reden müssen, heißt nicht, dass ich reden will!"

Ohne seinen Widerspruch zu beachten steige ich die Treppen hoch und er folgt mir. Ich betrete wütend mein Zimmer, bereit die Tür wie ein wütender Teenie zuzuschlagen, und komme abrupt zum Stehen. Eine meiner Reisetaschen steht gepackt in der Mitte des Raumes. Ich mache auf meinem Absatz kehrt.

,,Was ist das und wann wolltest du mir davon erzählen?", schnauze ich ihn an. ,,Du wolltest nicht zuhören." ,,Dad, 'reden' bedeutet nicht 'ich habe schon alles für Gott weiß was organisiert und gepackt, spiel einfach mit'.
Alles geht mir gerade ziemlich auf die Nerven also was auch immer das sein mag, was du so toll geplant hast, wird bis morgen warten müssen. Ich habe es satt, dass ale mich herumkommandieren."

Mit meiner linken Hand greife ich zum Türknauf und will diese schließen, werde aber aufgehalten. ,,Anna, du bist sauer, einverstanden, aber vergiss bitte nicht, dass ich dein Vater bin." Die letzten Worte verlassen durch sein angespanntes Kiefer seinen Mund und schüchtern mich leicht ein. Wortlos schließe ich die Tür langsam und begebe mich zu meinem Kleiderschrank. Auf dem Weg dahin bekommt die gepackte Tasche von mir einen Tritt verpasst. ,,Wie könnte ich das nur vergessen", flüstere ich im vorbeigehen.

Es gibt viele ungeklärte Fragen, die mir durch den Kopf gehen. Vielleicht könnte ich sie alle nicht mal aufzählen. Das einzigste, das ich weiß, ist, dass ich keine von ihnen beantworten kann. Also tue ich das, was ich in solchen Fällen immer tue. Wenn ich keine Antwort bekomme, versuche ich einfach alles zu vergessen-auch wenn nur für eine kurze Zeit.

~

Mit nackten Füßen laufe ich über den Parkettboden. Eine Hand hält das Handtuch fest, das locker um meine Brust gewickelt ist, und die andere löst gerade meinen Dutt. Ich schiebe die Tür zu meinem Bad zur Seite und trete ein. Zuerst drehe ich das Wasser über der Badewanne auf und mische alles in das Wasser. Badesalz aus den Alpen, dass mir Elvira aus ihrem Urlaub mitbrachte, und mein Favorit: Lavendelöl.

Gerade als ich mein Handtuch fallen lassen will, höre ich von hinten ein leises Husten. Sofort will ich mich umdrehen und kralle mein Handtuch dabei fester. Umgedreht wird sofort eine Hand auf meine Lippen gepresst. Panik tut sich in mir auf, sodass ich mich gegen meinen Angreifer planlos wehre.

,,Ich werde jetzt meine Hand zurückziehen und du wirst bitte nicht schreien, einverstanden?" Diese Stimme kommt mir bekannt vor und schreit nach Gefahr. Doch seine Tonlage und vorallem seine Wortwahl beruhigen mich ein wenig. Ich höre auf um mich zu schlagen. Auch wenn ich lange brauche, um ihn zu überzeugen, zieht er schließlich langsam seine Hand weg.

Er dreht das Licht auf und ich erkenne sein Gesicht. Es ist der zweite Typ vom Friedhof, der, der mich so durch seinen Hass einschüchterte. ,,Wie bist du hier reingekommen? Verdammt, dieses Haus hat Alarmanlagen?!" Ein stolzes Grinsen macht sich auf seinen Lippen breit.

,,Erstens bin ich echt gerührt, dass du mich erkannt hast, Prinzessin, und zweitens stelle niemals die Fähigkeiten eines Meisters in Frage." Ich verdrehe meine Augen. Als ich aufschaue bemerke ich, wie er mich beäugt und werde rot. ,,Unterschätze du lieber nicht die Gewalt einer Frau, die vor ihrem Bad gestört wurde", funkle ich ihn an und ziehe mein gerade zu knappes Handtuch enger um mich. Verdammt, was mache ich hier? Dieser Mann ist so gefährlich. Mal will er mich mit seinen Blicken allein töten und jetzt reißt er sarkastische Witze mit mir in meinem Badezimmer.

,,Liam Gage." ,,Mich kennst du ja schon", dabei ignoriere ich seine ausgestreckte Hand und er zieht sie zurück. ,,Du scheinst mich anscheinend sehr zu mögen also fasse ich mich kurz." Ich schnaube verächtlich. ,,Erstmal wissen weder Steven und Layla, dass ich hier bin, noch jemand anderes."

,,Wer ist Layla?" ,,Das Mädchen vom Friedhof. Auf jeden Fall: Annabel, ich weiß, dass dir viele Fragen durch den Kopf schwirren und du ziemlich misstrauisch bist und das zurecht. Aber du musst mit deinem Vater reden. Er wird dich zu einem anderen Ort mitnehmen wollen und du musst mit. Glaub' mir, da werden dir viele Fragen beantwortet. Und wenn du noch mehr Antworten willst, öffne die geheime Kiste deiner Mutter. Schaue in dem Schuhkarton für ihre Miu Miu Sandalen nach." Aufmerksam lausche ich seinem Worten. Er wirkt mit dem was er sagt so sicher, aber es klingt absurd. Warum sollte meine Mutter eine geheime Kiste besitzen und warum sollte gerade Liam davon wissen? Woher könnte er die Schuhe meiner Mutter kennen und inwiefern beantwortet mir das meine Fragen?

,,Kanntest du meine Mutter?" ,,Ja. Vielleicht sogar besser als du", spricht er schonend aus. Tränen sammeln sich in meinen Augen, wie immer, wenn es um meine Mutter geht. ,,Willst du das nicht infrage stellen?" Langsam schüttele ich meinen Kopf. Ich würde es gerne in Frage stellen, jedoch wirken meine Argumente im Gegensatz zu seiner Selbstsicherheit kindisch. Außerdem glaube ich ihm auch so.

Ich kannte meine Mutter. Wir hatten eine sehr gute Mutter-Tochter-Beziehung und selbst ihr ständiges Fehlen konnte daran wenig ändern. Jedoch hatte ich meistens das Gefühl, dass sie eine verborgene Seite hatte und mal nicht Mutter und Ehefrau sein konnte, sondern eine mysteriöse Frau mit vielen Geheimnissen.

Die Stille wird von keinem unterbrochen. Irgendwie wirkt er mitleidend. So als bräuchte er meine Hilfe, aber auch als ob er mir helfen möchte. Plötzlich sind von draußen Schritte zu hören und panisch schauen wir uns an.

,,Hör zu! Du musst mit ihm gehen, sag einfach ,ja'. Wenn du antworten willst, dann fahr' mit. Dort wirst du alles verstehen und-", mitten im Satz hört er auf und schaut sich panisch um. Vor meinen Augen springt er aus dem Fenster und Sekunden später klopft es an meiner Tür. Mit offenem Mund und klopfendem Herzen beobachte ich das Geschehen.

,,Herein." Meine Stimme zittert noch leicht. ,,Ich habe Stimmen gehört, aber es scheint alles in Ordnung zu sein." Langsam schwenkt er seinen Blick durch mein Badezimmer. Er dreht sich um und will schon wieder gehen, da kommen mir die Worte von Liam in den Kopf.

,,Dad? Was wolltest du mit mir besprechen?" Ich bin immernoch unentschlossen, ob ich ihm trauen soll, aber ich kann Dad jetzt nicht tatenlos rauslaufen lassen. Er dreht sich um und wirkt irritiert. ,,Wir...also ich wollte mit dir nach Nort Carolina fahren."

,,Hast du da nicht studiert?", frage ich ihm um mehr Zeir zum überlegen zu bekommen. Was soll ich nur tun? ,,Ja, ja. Aber nicht nur das. Ich bin da aufgewachsen. Anna...", er schaut zu Boden und wirkt angespannt. Es zerreißt mir das Herz meinen bodenständigen starken Vater so verzweifelt zu sehen. Egal was er macht, er ist mein Vater. Endlich schaut er mir wieder in die Augen und nimmt meine freie Hand, die andere hält immernoch das Handtuch.

,,Anna, ich wollte dich mit meiner Familie bekannt machen." Der hat gesessen. Mit offenem Mund starre ich ihn an. Stotternd versuche ich einen Satz zu bilden, doch es gelingt mir nicht. Wenn du antworten willst, fahr' mit. War es das, was Liam meinte? Lange Zeit sagt niemand etwas.

,,Und? Was sagst du dazu, Schatz? Ich weiß das überrumpelt dich. Tut mir echt leid. Ich hätte es nicht einfach so sagen sollen." Nur wage lausche ich seinen Worten.

,,Ich wusste nicht, dass du noch Familie hast. Warum wusste ich nichts davon?" Die Erkenntnis trifft mich, dass seine Familie ja auch meine ist. Ich werde sie kennenlernen und sie mich. Shit! Denk nach Anna! Wie soll ich daraif reagieren? Wie soll ich damit umgehen? Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Der Angst ins Auge sehen oder in der Dunkelheit leben.

,,Ok, ich gehe mit", platzt es aus mir heraus und ich klinge ziemlich überzeugend. Ich muss nicht nur meinen Vater sondern auch mich selbst überzeugen. ,,Aber ich habe eine Bedingung." Hast du das, Ann'?

Mein Vater wirkt deutlich überrascht, aber eher im positiven Sinne. ,,Cameron muss mitkommen", und mit diesen Worten fühle ich mich so entschlossen, wie lange nicht mehr, aber das Lächeln verschwindet aus dem Gesicht meines Vaters.

-

Hi, ihr da draußen. Eigentlcih war es geplant, dass das Kapitel viel länger geht, aber ich wollte endlich updaten. Ich hoffe es hat euch gefallen und vielleicht wollt ihr ein Vote oder ein Kommentar da lassen.;) eure Yaseminxx

VictimsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt