UNSCHULDIGES BLUT

71 11 4
                                        

Nach zwei Tagen fast ununterbrochenen Wanderns kamen nun endlich die Lichter eines Dorfes in Sicht. Abgekämpft, Hungrig und mit Dreck am ganzen Körper würde er dort sofort auffallen, also konnte er das Dorf wohl nur Nachts betreten, was ihm aber sowieso lieber war. Langsam und mit geübtem Schritt schlich er auf das Dorf zu, um sich sobald er es erreicht hatte, ausschließlich in den dunklen Gassen zu bewegen, die kein normaler Dörfler zu dieser Zeit betreten würde, was ihm eine gewisse Unsichtbarkeit verlieh. Als er sich für eine kurze Zeit aus den Schatten wagen musste, trat ein Mann Mitte vierzig aus einem Haus und erschrak sobald er die schwarze Kleidung des Attentäters sah. Samael sprang vor und brach dem Mann das Genick, bevor dieser auch nur einen Laut von sich gab. Er ließ den leblosen Körper zu Boden sinken, ging in Richtung der Schmiede und trat durch die Hintertür ein. Zu dieser Zeit sollte sich hier niemand mehr aufhalten, dachte er und sah im selben Moment einen Umriss hinter der Geldkasette stehen. Samael schlich hinter ihm entlang, denn was er suchte war nicht Geld, sondern Waffen. Im Lagerraum fand er reichlich Dolche und Messer, von denen er sich einige einsteckte. Ungesehen schlich er nun zu den Ställen, sattelte ein Pferd und ritt los in Richtung der Festungsstadt, die man ihm zum Ziel gemacht hatte. Sobald er das Dorf verlassen hatte, war er wieder in Dunkelheit gehüllt. Mit zerfetzten Kleidern ritt er durch die Nacht, tief geduckt und trieb das Pferd immer weiter an, er hatte schließlich viel Zeit verloren. Der Attentäter ritt und war nicht mehr als ein Schatten in der Nacht. Unsichtbar und tödlich. Das Donnern der Hufe bildete einen so gleichmäßig, ruhigen Rhythmus, das Samael nach kurzer Zeit einschlief.

Als er wieder erwachte, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Die Stadt würde er wohl erst gegen Abend erreichen. Er ritt also weiter, wenn auch etwas langsamer und kam an Feldern und kleinen Hütten vorbei, während er über seinen Auftrag nachdachte. «Ein Mann allein also soll eine Festung zu Fall bringen? Eine gewagte Idee, aber nicht dumm. Das minimiert die Verluste natürlich massiv.» Er musste an das langsam vorrückende Heer in seinem Rücken denken. Samael sollte den Kommandanten der Festung töten und dem Heer die Tore öffnen. Ein guter Plan. Vorausgesetzt, er erledigte den Auftrag schnell genug. «Naja sie zahlen gut also wird der Auftrag auch erledigt.» In Gedanken versunken ritt er weiter,
bis die Sonne verschwand und die Welt erneut in Dunkelheit getaucht wurde.

Die Feuer von Hirten zogen alle paar Stunden an ihm vorbei, während die Nacht kälter und das Pferd langsamer wurde. «Das wird heute nichts mehr» resigniert hielt er das Pferd an und stieg ab. Langsam schlich er sich von hinten an eines der Feuer an, griff sich den Hirten, schnitt ihm die Kehle durch, zog ihn ein Stück weg, holte das Pferd und setzte sich dem anderen Hirten gegenüber. «Deine Herde hat sich wohl gerade verdoppelt.» Er sah den verängstigten Hirten unbeeindruckt an und wärmte sich die Hände am Feuer. Der Hirte sprang geschockt auf «Was...Was bist du?» Stotternd stolperte der Hirte ein paar Schritte zurück und starrte den Killer voller Panik an. «Nur ein Dämon könnte so kaltherzig einem Mann von hinten die Kehle durchtrennen.» Als der verängstigte Hirte zu einem Hilfeschrei ansetzte, stand Samael geschmeidig auf, bewegte sich in einer einzigen fließenden Bewegung auf ihn zu und stieß ihm eines seiner Messer bis zum Schaft frontal in den Hals. Der Schrei wurde zu nicht mehr als einem Röcheln, während der Mann langsam und stark blutend zu Boden sank. «Ich? Kaltherzig?» Er wischte die Klinge des Messers an der Kleidung der Leiche ab und begann zu grinsen «Ganz und gar nicht» Er nahm sich das Dörrfleisch aus der Tasche des Hirten und aß es. Nach Tagen der Entbehrung war das zähe Fleisch einem Festbankett nahe oder fühlte sich zumindest so an. Gierig verschlang Samael das Fleisch, denn für seinen Auftrag brauchte er dringend Kraft. Die Mauern einer Festung zu überklettern war durchaus etwas anstrengender als ein Sonntagsspaziergang. Je mehr der salzigen Streifen er zerkaute, desto durstiger wurde er. Beinahe von selbst wanderten seine Augen zu der Wunde am Hals seines zuckenden Opfers. Der Geruch von Blut und die Angst in den Augen eines Sterbenden waren ihm nur all zu bekannt und wurden eher nebenher wahrgenommen. Viel stärker war sein Durst. Also näherten sich seine Lippen langsam jener vor Blut nur so sprudelnden Wunde. «Es ist nicht wirklich erfrischend, aber wird seinen Dienst tun.» Der Mörder presste die Lippen auf den Hals seines Opfers und trank gierig dessen Blut und aus unerfindlichen Gründen tat es gut und er fühlte sich stark. Sehr stark.
Samael sprang auf und begann sich zu dehnen. Nach dem langen Ritt tat die Bewegung wirklich gut. Auch das Pferd graste ein paar Meter weiter, während sein Reiter schließlich das Feuer austrat und wieder aufstieg.
In stiller Dunkelheit ritt der Killer seinem Ziel entgegen. Schnell und unerbittlich. Ein weiterer Tag verstrich, dann endlich erreichte er den Wald um die Festung. Er band das Pferd fest und schlich allein durch den Wald bis er das andere Ende erreichte. Bis zur Ausführung seines Auftrags würden noch mindestens zwei Tage vergehen, denn es gab noch viel vorzubereiten.

SAMAELWo Geschichten leben. Entdecke jetzt