𝐈; 𝐨𝐧𝐞

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Kaylee Briante

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Die Laute der Musik rauschen, wie Wasser durch einen Fluss fließt, in meine Ohren.

Vor ein paar Jahren hätte ich jetzt lautstark angefangen zu singen. Denn früher war ich immer der Meinung, man müsse zu jedem Lied – auch wenn man den Liedtext nicht kann, weil man das Lied noch nie zuvor gehört hat – den Text oder zumindest die Melodie mitsummen oder mitsingen. Jetzt – zwei Jahre später – hat sich meine Denkweise darüber geändert. Und selbst wenn ich wollte, hätte ich diese Lieder, diese Musik nicht mitsummen oder gar mitsingen können.

Selbst wenn ich es wollte, würden die Töne sehr wahrscheinlich nicht über meine Lippen kommen. Wie so vieles andere auch. Und selbst wenn sie über meine Lippen kommen würden, wären sie bestimmt sehr schräg. Aber das ist nichts wirklich Neues. Schon früher konnte ich nicht singen und habe die Töne mindestens um eine Oktave verfehlt. Und selbst wenn ich sie mal getroffen habe – was zugegeben nicht sehr oft der Fall war, ich aber dann trotzdem darauf sehr stolz war –, hat der Songtext, den ich währenddessen gesungen habe, meist nicht gestimmt. Aber auch das ist nichts wirklich Neues oder Schlimmes.

Lennox – mein bester Freund – hat zwar immer gemeint, dass meine Stimme, egal ob ich gesungen oder einfach nur gesprochen habe, in seinen Ohren wie Musik oder Engelstöne geklungen haben und er es traurig findet, dass ich jetzt nicht mehr so viel rede. Oder wenn dann nur noch mit Personen rede, die mir mehr als nur vertraut sind. Aber die Sache mit den Engelstönen und der Musik nehme ich ihm tatsächlich nicht ab. Oder möchte es ihm ehrlich gesagt einfach nicht abkaufen. Dafür kenne ich ihn zu gut – auch wenn ich mir tatsächlich nicht ganz sicher bin, was diese Sache betrifft. Schließlich kann er ja einfach als mein bester Freund behaupten, dass alles gut ist, aber es eigentlich gar nicht ernst meinen und mich anlügen. Aber da bin ich mir irgendwie nicht ganz so sicher, ob er es wirklich machen würde oder tatsächlich die Wahrheit sagt.

Aber selbst, wenn er die Wahrheit sagen würde, würde das nichts an der Tatsache ändern, dass ich nicht mehr so viel reden möchte. Vor zwei Jahren habe ich beschlossen, dass ich es nicht mehr so oft machen werde. Nicht mehr so offen sein werde, wie ich es sonst immer war und nur noch mit den engsten Personen im Umfeld viel reden werde. Aber auch mit ihnen nur bedacht.

Dafür habe ich zu viele Personen durch meine Direktheit verschreckt. Zu viele Menschen verletzt, die ich gar nicht verletzten wollte. Und das alles nur, weil ich zu schnell geredet habe. Zu viel geredet habe, bevor ich überhaupt denken konnte. Zu schnell Sachen gesagt habe, die ich davor nur gedacht habe und einfach ausgesprochen habe, bevor ich etwas dagegen unternehmen konnte. Und danach konnte ich es nicht mehr zurücknehmen.

Ich habe die unterschiedlichsten Menschen aus den verschiedensten Gründen mit der gleichen Methode aus meinem Leben vergrault und zutiefst gekränkt. Und das kann ich leider auch nicht wiedergut machen. Na gut. Natürlich könnte ich es wiedergut machen. Aber dafür müsste man mit den Personen reden. Und reden ist nun mal schlecht, wenn man die Fähigkeit besitzt immer alles direkt gerade heraus zu sagen. Und davor habe ich Angst. Diese Personen ein wiederholtes Mal zu verletzten. Auf ein und dieselbe Art. Und das sogar unabsichtlich.

Lieber halte ich die Klappe und sage nichts mehr, anstatt andere Personen, die ich liebe zu kränken. Denn durch Worte andere zu kränken ist fast genauso schlimm wie durch körperliche Gewalt. Worte schaden deiner Psyche und diese kannst du nicht so einfach heilen, wie einen Armbruch. Ich schütze einfach alle anderen, indem ich schweige, anstatt zu reden und andere dadurch zu verletzten. Denn – wie bereits gesagt – Worte kann man eigentlich nicht zurücknehmen. Was gesagt wurde, wurde gesagt. Und die einzige Hoffnung besteht darin, dass andere diese Worte vielleicht vergessen können.

Langsam bewege ich meine Füße im Takt der Musik, während ich über den großen Campus der Oxford University laufe und mich auf den Weg zu meinem Hörsaal mache. Kurz darauf komme ich auch dort an und muss feststellen, dass der Hörsaal erstaunlich leer ist, weshalb ich mehr oder weniger freie Platzwahl habe.

Sofort springt mir eine Reihe – die vorletzte Reihe – ins Blickfeld und ich begebe mich sofort in die noch komplett leere Reihe. Kaum habe ich mich hingesetzt, fällt mir ein, dass ich für meinen besten Freund – Lennox, oder wie ich ihn nenne: Lenny – einen Platz freihalten sollte und stelle deswegen meine Tasche auf den Stuhl neben mir. Nach und nach füllt sich der Saal auch immer mehr und ich nehme meine Kopfhörer aus den Ohren und packe sie in meine Tasche.

Hier sind so viele unterschiedliche Stimmen, die komplett durcheinanderreden, sodass man sie kaum auseinanderhalten kann. So viele unterschiedliche Stimmen und kaum welche schweigen, wie ich es tue. So viele unterschiedliche Stimmen – und meine könnte ein Teil davon sein. Wenn ich doch bloß wollte.

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broken souls | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt