𝐕; 𝐟𝐢𝐯𝐞

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Ethan Baker

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Stolz sehen meine Eltern meine kleinen beiden Geschwister an, die soeben das Gebet vor dem Frühstück beendet haben. Eine leichte Eifersucht macht sich in mir breit, als ich ihre stolzen Gesichtsausdrücke sehe.

Mich haben sie nie so stolz angesehen. Selbst dann nicht, wenn ich alle Aufgaben erledigt habe, gute Noten mit nach Hause gebracht und mich auch immer an die Regeln gehalten, sowie immer ein Gebet vor dem Essen gehalten habe. Aber mich müssen sie schließlich auch nicht so ansehen, sie haben ja jetzt ihre eigenen Kinder. Eigene Kinder, auf die man noch stolzer nicht sein kann. Auf die sie noch nicht einmal wütend gewesen sind, auch wenn sie etwas Schlimmes angestellt haben. Jedoch muss ich zugeben, dass ich ihnen auch nicht lange böse sein kann. Dafür liebe ich die beiden viel zu sehr. Außerdem haben sie, wie jedes andere Kind, dieses unschuldige Gesicht und Grinsen, dem man erstens nichts abschlagen und zweitens auch nicht lange böse sein kann.

Trotzdem finde ich es nicht in Ordnung, dass mich meine Eltern nie so angesehen haben. Nie so stolz oder gar so glücklich. Dabei bin ich doch auch ihr Sohn. Zwar habe ich vor ein paar Jahren erfahren, dass ich adoptiert worden bin, aber deshalb sehe ich sie trotzdem nicht nicht als meine Eltern an. Denn das sind sie. Sie haben sich immer um mich gekümmert, auch wenn sie nicht meine leiblichen Eltern sind. Und doch haben sie mich anscheinend nie als ihren eigenen Sohn angesehen, dabei predigen sie uns immer, wir sollen jeden willkommen heißen. Jeden lieben, egal woher er kommt oder wie er ist oder was ihm widerfahren ist. Anscheinend brauchen sie sich selbst nicht daran zu halten.

Mittlerweile sind wir alle auch schon fast komplett mit dem Essen fertig, weshalb ich noch kurz sitzen bleibe, bis auch die kleinsten am Tisch aufgegessen haben, weil es sich bei uns einfach so gehört und das Teil der Höflichkeit ist. Mein Blick gleitet zu der großen Standuhr, die mir gegenüber an der Wand steht und meine Augen weiten sich. In zehn Minuten fährt mein Bus, der mich zu der Universität fahren soll, an der ich ab diesem Jahr studieren soll.

Fünf Minuten später, als meine Geschwister endlich auch mit essen fertig sind, stehe ich mit einer Entschuldigung auf und gehe sofort in mein Zimmer, wo ich mir schnell meine Tasche hole, wieder ins Erdgeschoss laufe, mir meine Schuhe und Jacke anziehe und anschließend mit einem »Auf Wiedersehen! Bis später!« das Haus verlasse und zum Bus eile, den ich glücklicherweise noch bekomme.

Vielleicht kann ich das ja als Wunder dafür sehen, dass wir täglich vor unseren Malzeiten beten und Gott für all seine Gaben danken.

Keine Fünfzehn Minuten später hält der Bus auch schon an der Haltestelle, an der ich aussteigen muss, was ich auch mache und glücklich die große Universität und deren Campus vor mir betrachte. Vielleicht wird das ja jetzt mein neues Leben. Und vielleicht kann ich dadurch endlich meinen Eltern beweisen, dass sie auch stolz auf mich sein und mich lieben können, auch wenn ich nicht ihr eigen Fleisch und Blut bin.

Nachdem ich den Hörsaal, in den ich mich jetzt begeben sollte, gefunden und betreten habe, lasse ich mich auf einem der – meiner Meinung nach – besten Sitzplätze in der vorletzten Reihe nieder, in der bereits drei Mädchen und ein Junge sitzen.

Ein kleines Lächeln schleicht mir auf die Lippen, auch wenn ich eigentlich keinen Grund habe zu lächeln, und ich greife mit einer Hand an meine Kreuzkette, die ich zu meiner Erstkommunion bekommen habe und danke einmal kurz für diese große Chance. Eventuell bringt dieser Tag doch noch etwas Gutes mit sich.

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broken souls | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt