Prolog

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Meine Glieder schmerzten und mein Kopf dröhnte. Wo war ich? Ich nahm ein konstantes Piepen irgendwo neben mir wahr, aber wirklich einordnen konnte ich es nicht. Der Geruch biss mir schmerzhaft in der Nase. Es roch wie Desinfektionsmittel, nur viel intensiver und ekelhafter, als hätte man mir welches direkt in die Nase gesprüht. 

Meine Augenlider waren bleischwer, als ich versuchte sie zu öffnen. Was war nur los mit mir? Träumte ich? Oder war das real? Eine Tür öffnete sich und ich hörte Schritte. ,,Es grenzt an ein Wunder, dass sie das überlebt hat. Sie hätte verbrennen müssen", meinte eine tiefe Stimme und ein Schluchzen. Meine Mutter. Ich wollte mich aufrichten und ihr sagen, dass alles gut war, aber dafür fehlte mir die Kraft, als hätte mich ein unsichtbares Band an das Bett gefesselt. ,,Wollen sie damit andeuten...dass sie das Gen ausgelöst hat?", fragte eine andere Stimme, welche definitiv von meinem Vater stammen musste. Wie immer behielt er einen kühlen Kopf. Wann hatte er das auch nicht? Sogar bei meiner ersten Autofahrt hatte er ganz ruhig da gesessen, auch wenn ich beinahe die Hauswand geküsst hatte. Er blieb ruhig und motivierte mich weiter zu machen. Das Auto. Ein kühler Schauer lief über meinen Rücken und ich riss meine Augen auf. Das grelle Licht, was in dem Zimmer herrschte brannte in meinen Augen und eine Träne lief mir über die Wange. Sofort schloss ich die Augen wieder, bevor ich sie langsam öffnete und meinen Kopf zu den Stimmen drehte. ,,Es tut mir leid", meinte der Arzt und mein Vater nickte ihm zu. Was war hier los? Was war passiert?! Meine Mutter lehnte an der Schulter meines Vaters, während er ihr beruhigend über den Rücken strich. ,,Ich dachte es wäre unmöglich", fing mein Vater an, jedoch verstummte er, als er sich zu mir um drehte. ,,Sawyer", meinte meine Mum tonlos und lief zu meinem Krankenbett. Sie nahm vorsichtig meine Hand, welche in einem verband eingehüllt war und zwang sich zu seinem Lächeln. Unter ihren Augen lagen tiefe Schatten, als hätte sie seit Tagen nicht geschlafen. Ich versuchte mich auf zurichten, wobei ich mich in den Kabeln, welche an mir hingen verhedderte. Diese ganzen Kabeln...man könnte meinen, dass ich Schwerverletzt sein müsste, aber ich fühlte mich gut. Waren das die Schmerztabletten? ,,Mach langsam, Schatz. Du bist noch ganz benommen", meinte mein Vater und half mir mich vorsichtig aufzurichten. Dabei stellte er die Rückenlehne des Krankenbettes so, damit ich mich anlehnen konnte.

,,Was ist passiert?", fragte ich und meine Mutter sah zu meinem Vater, welcher mich mit einem überlegenden Blick musterte. Seine Stirn lag in Falten, so wie sie immer aussah, wenn er überlegte, was er am Besten sagen sollte. ,,Du kannst dich nicht mehr daran erinnern?", griff nun der Arzt ein und trat an mein Bett. Er war Anfang dreißig. Ganz schön jung, um in einem so altmodischen Krankenhaus zu arbeiten, wie diesem hier. Und ich dachte immer, hier kämen nur Ärzte hin, die kurz vorm Umfallen waren. An was sollte ich mich denn erinnern? ,,Du hattest einen Unfall...", sagte der Arzt und ich sah zu meinen Eltern. Was denn für einen Unfall? ,,Du warst mit Aileen unterwegs. Ihr wolltet einen Mädelstag machen und seit deswegen ins Outlet gefahren", fing meine Mutter an und schluchzte kurz, bevor sie mir über meine Wange strich. Wir wollten uns seelisch und moralisch auf unser neues bevorstehenden Schuljahr vorbereiten - Eis essen, Frust shoppen und einfach die letzte Sommerferienwoche genießen. Abends waren wir noch beim Italiener...dann hatte es angefangen zu regnen und wir waren klatschnass, als wir zum Auto liefen. Okay wir hatten uns auch viel Zeit gelassen, da der kalte Regen unsere warme Haut kühlte. Es war einer der wärmsten Tage gewesen. Und das soll schließlich was heißen. Hier im verregneten Dakerlane. Wenn wir mal Glück im Jahr hatten, bekamen wir im Sommer mal vereinzelt an Tagen etwas über fünfundzwanzig Grad. Dafür haben wir ganz viel Wald. Berge und eine steinige Küste. 

,,Sawyer? Weißt du, wie ihr heim gefahren seid? Du hast mich vorher kurz angerufen, um Bescheid zusagen, dass ihr losfahrt", fing mein Vater an und sah mir dabei direkt in die Augen. Wir sind klatschnass in mein Auto eingestiegen. Ich hab meine Schuhe ausgezogen, da ich nicht mit rutschigen Schuhen fahren wollte und bin barfuß gefahren. Alles war besser, als meine durchweichten Turnschuhe gewesen. Wir fuhren die Landstraße entlang. Aileen war ziemlich müde gewesen, weshalb sie halb an der Scheibe lehnend, vor sich hin geschlafen hatte. Der Regen prasselte nur so auf die Scheibe. Zum Glück war nicht viel auf der Straße losgewesen. Man hätte eh nicht viel sehen können. Der Mann! ,,Es stand ein Mann auf der Straße. Ich hab ihn zu spät gesehen. Deswegen wollte ich ausweichen...wo ist Aileen?", fragte ich erschrocken und sprang auf. Bei dem Schwung, den ich hatte, zog ich die Kanüle aus meinem Arm, die mich mit irgendeiner Flüssigkeit versorgte. Schreie halten durch meinen Kopf. Ich war mir nicht sicher, ob es meine eignen waren oder die von...von Aileen. Ich raufte mir die Haare und verzog schmerzhaft mein Gesicht. ,,Wo ist sie?", fragte ich wieder und fing an zu zittern. ,,Sawyer beruhig dich und setzt dich bitte", meinte der Arzt und griff nach meinem Oberarm. Seine Hände waren warm auf meiner Haut und er hatte einen sehr starken Griff, als wölle er mich davon abhalten, sofort loszurennen. ,,Wo ist sie?", fragte ich nochmals. Ich zuckte selbst vor meiner Stimme zusammen. Sie war viel tiefer und rauer gewesen...fast schon ein Knurren. ,,Sie hat den Unfall nicht überlebt", sagte mein Vater und ich sackte zusammen. Das konnte nicht sein...das durfte einfach nicht sein! Sie konnte nicht einfach so weg sein. Nicht Aileen. Meine beste Freundin. Das war ein schlechter Traum! Das konnte nichts anderes sein...das durfte nichts anderes sein.

Dakerline - Im Bann des FluchesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt