Kapitel 20

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Das Sonnenlicht fiel in langen und warmen Streifen in das Zimmer. Draußen zwitscherten Vögel und ich hörte das Rauschen der Blätter, als würde ich genau unter den Bäumen stehen. Mein ganzer Körper fühlte sich taub an, aber auch irgendwie friedvoll, so als wäre jegliche Spannung aus meinen Muskeln gewichen. Ich sog die trockene Luft des Zimmers tief in meine Lunge ein und drehte mich auf den Rücken. Langsam kamen die Erinnerungen von gestern Abend zurück. Matt und ich hatten getanzt, so als würde keine Gefahr bestehen. Danach war ich zusammengesackt und hatte immense Schmerzen erlitten. Es fühlte sich nicht mehr real an...lediglich wie ein alter Traum, der schon halb vergessen war. Danach war Schwärze als hätte ich einen miesen Filmriss. Langsam richtete mich auf und sah an mir herunter...ich trug andere Klamotten als gestern, aber es waren meine eigenen. Matt hatte mich schon vorgewarnt, dass ich mich nicht erinnern werde, jedoch gleichzeitig auch versprochen, dass er mich nicht allein lassen würde.

Ich tapste barfuß die Treppe herunter und ich konnte jede noch so kleine Unebenheit spüren. Es war seltsam, als wäre alles noch viel intensiver als eh schon war, aber es fühlte sich nicht fremd an. Nein, im Gegenteil, so als wäre es nie anders gewesen. Stimmen drangen aus dem Wohnzimmer und ich verlangsamte meine Schritte. ,,Das ist nicht dein Ernst. Verhindere es! Sowas können wir nun wirklich nicht gebrauchen", das war definitiv Kadens aufgebrachte Stimme, die durch die Eingangshalle schalte. ,,Kaden, wir müssen eine Lösung finden...aber Absagen ist keine davon", erklärte Matt und schien ziemlich erschöpft. Was hatte er gemacht, während ich geschlafen habe? War er die ganze Nacht wach geblieben? Ich trat näher an die Tür, um ein Blick auf die beiden zu erhaschen. Matts Augen fanden sofort die meinen, als hätte er schon die ganze Zeit auf mich gewartet. ,,Guten Morgen, Sawyer", meinte er und lächelte mich an, während ich ins Wohnzimmer schlüpfte. Kaden verdrehte genervt die Augen, verkniff sich aber ein Kommentar. Er lehnte an dem Kamin und Matt saß auf einen der Sofas.

 ,,Doch. Du solltest es in Betracht ziehen. Wir sind dafür nicht bereit. Sieh uns doch mal an. Wir sind zu viert, davon ist einer minderjährig und die Andere gerade mal verwandelt", fuhr Kaden ungehindert fort und ich legte meinen Kopf etwas schräg. Was war denn nun schon wieder los? Gestern war gerade mal Vollmond...bekam man nicht mal einige Tage Ruhe? ,,Ruhe wäre doch langweilig", sagte Matt zwinkernd und reichte mir einen Brief. Ich verengte meine Augen zu Schlitzen und knurrte leicht. Er soll gefälligst aufhören in meinen Gedanken rumzuschnüffeln. ,,Den habe ich heute früh entdeckt. Er muss im Laufe der Nacht angekommen sein...er verheißt nichts gutes", fuhr Matt fort und ich musterte den Brief. Das Papier war strahlend weiß und die Schrift war ordentlich und verschnörkelt, jedoch verstand ich den Inhalt nicht. Dafür war ich vermutlich noch nicht tief genug in der Materie. ,,Das ist noch untertrieben. Kann man es nicht verschieben? Auf nächstes Jahr", fing Kaden wieder an und lief nun Runden durch das Wohnzimmer. Ich sah von dem Brief auf und zu Matt. Er nahm mir den Brief wieder ab und seufzte. Dann strich er sich über seine Hose und lehnte sich etwas zurück. ,,Der Brief stand von einem anderen Rudel. Alle drei Jahre versammeln sich Abgesandte ihres Rudels und von einem weiteren Rudel hier in Dakerline", erklärte Matt angespannt und Kaden schnaubte. ,,Der Brauch verlangt eine Jagd hier in unseren Wäldern, um den Frieden zwischen den Rudeln zu sichern. Die Gastgeber sind meine Familie...und das Anwesen dient als Unterkunft." 

,,Und was willst du ihnen sagen, wenn sie Fragen stellen? Oh, meine Familie ist tot und ach ja die Quellen...ein ganz komischer Zufall", sagte Kaden und stützte sich mit seinen Händen auf die Lehne des Sessels. Matt zuckte zusammen, als hätte Kaden ihn in die Magengrube geboxt. ,,Ich bin der Alpha des Rudels und bin in die Fußstapfen meiner Eltern getreten. Mehr müssen sie nicht wissen", konterte Matt monoton und starrte auf seine Handflächen. Noch mehr Werwölfe konnten wir in dieser Stadt nun wirklich nicht gebrauchen...und wenn sie auch noch jagen wollten. Das konnte in einem Massaker enden. ,,Würden sie nicht spüren, das hier etwas schief läuft? Also die Sache mit der alten Energie...", fragte ich vorsichtig und Kaden nickte mir bestätigend zu. Das war glaube ich das erste Mal, dass er mal nicht die Augen verdreht hat, wenn ich mal was gesagt habe. ,,Ja, aber sie waren auch drei Jahre nicht hier. Wenn wir es ihnen als normal verkaufen, glauben sie es vielleicht. Wir müssen diese Jagd machen, wenn nicht zeigen wir uns als schwach und verletzlich", verkündete Matt und ich hatte das Gefühl, dass sich an dieser Entscheidung auch nichts verändern würde. ,,Wir sind schwach, Matt!", fuhr Kaden hoch, erntete aber nur einen vernichtenden Blick von Matt, welchen ihn zum Schweigen brachte. ,,Mit wie vielen Wölfen müssen wir rechnen?", fragte ich und Matt fast schon erleichtert zu mir, als sei er froh, dass ich mich auf seine Entscheidung einließ. ,,Pro Rudel fünf...so war es früher zumindest. Der Alpha und zwei seiner Familie und die zwei Beta Wölfe", erklärte er und sah sich den Brief nochmals genauer an. ,,Ich werde euch darüber nochmal informieren...wir werden Unterstützung brauchen", sein Blick wanderte wieder zu mir. Sofort wusste ich wen er meinte und ich zog meine Augenbrauen hoch. Elijah würde sich lieber selbst pfählen, als Werwölfen helfen, um weitere Werwölfe in die Stadt ein zu schleusen. 

,,Wir sollten Brie und ihre Mutter fragen...und Ian", sagte Kaden, fing wieder an und zog seine Bahnen im Wohnzimmer. Er war sichtlich nicht begeistert von der Idee. Ganz und gar nicht. Wieso hatte ich das Gefühl, dass er es uns auch jede Minute verdeutlichen wird, dass er angepisst war? ,,Ein Versuch ist es wert. Du solltest auch mal mit ihnen reden", meinte Matt und gab ein amüsiertes Schnauben von mir. ,,Spencer bekomm ich vielleicht überredet...aber Elijah, das kannst du vergessen", sagte ich und Matt seufzte. Ich verstand selber, dass wir alles probieren mussten, um irgendwie Unterstützung zu bekommen. ,,Dann überrede sie wenigstens die Stadt für eine Woche zu verlassen... ein Vampir Werwolf Drama würde alles nur noch verschlimmern", erwiderte Matt und ich nickte. Zwar hatte ich nun wirklich keinen Lust auf einen Schlagabtausch mit Elijah, aber was blieb mir anderes übrig?

Dakerline - Im Bann des FluchesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt