Kapitel 2

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Schweigend saß ich im Auto und blickte aus dem Fenster. In Gedanken versunken, spielte ich mit meinen Fingern, denn die Kette fehlte an meinem Hals und ließ mich leerer, als vorher fühlen. Ich war ruhig, aber auch unruhig. Dieses Gefühl konnte ich nicht beschreiben. Wie sollte ich auch? Gerade war ich dabei in mein neues zu Hause zu fahren. Ein Ort, wo meine Familie nicht war, wo mein Liam nicht war. Angst verspürte ich nicht, jedoch Einsamkeit.

Mein Blick schweifte zu Ace, der am Steuer saß und konzentriert zur Straße blickte. Der Ring an seinem Finger blieb in meinen Augen hängen und ließ mich auf meine Hand sehen. Am liebsten hätte ich den Ehering aus dem Finger gezogen und es aus dem Fenster geworfen, denn der Anblick ließ mich ekeln.

Es würde aber rein gar nichts ändern, denn wir waren trotzdem noch verheiratet. Eine Wahrheit, die schwer zu akzeptieren war. Ich war seine Frau und er mein Mann. Aria Evans gab es nicht mehr. Jetzt existierte nur noch Aria Allen. Irgendwann wollte ich heiraten, aber nicht so und nicht mit ihm. Das war nicht mein Traum, sondern mein Alptraum und ich schaffte es nicht zu erwachen, um zu entfliehen. Ich hatte jetzt alles wichtige in meinem Leben verloren und dafür war ganz allein er Schuld, nur er. Ace.

"Wir sind da" ertönte seine Stimme.

Ich hatte es nicht einmal gemerkt, doch sagte nichts und stieg stumm aus dem Wagen aus. Mein Gesicht müsste etwas überrascht wirken, denn das war kein normales Haus, wo wir gerade angekommen waren.

Eine Villa.

Mein Blick wanderte zu Ace, der damit beschäftigt war mein Gepäck aus dem Kofferraum zu nehmen. Wenige Sekunden später kam ein Mann in einem Anzug auf uns zu gelaufen. Er nahm ihm die Koffer aus der Hand und wartete, bis wir die Villa betraten, damit er uns folgte. Ace sah mich endlich an und machte eine Handbewegung und signalisierte mir damit reinzugehen. Da ich keine andere Wahl hatte folgte ich seiner Anweisung und wir betraten das Anwesen. Es war komisch, dass ich hier jetzt war.

Ich wollte weiter reingehen, doch als er auf einmal stehen blieb, blickte ich fraglich zu ihm. Er runzelte die Stirn und schien nachzudenken, bis er seine Augen auch auf mich legte und etwas näher kam.

"Du wirst gleich meine Familie kennenlernen", gab er mir zu Wissen, wozu ich nichts sagen konnte.

"Ich habe eine Bitte an dich", begann er.

"Halte dich von Lane fern", bat er mich warnend.

"Lane?", hakte ich verwirrt nach.

"Mein kleiner Bruder", erklärte er.

Überrascht wanderten meine Augenbrauen in Höhe, da ich nicht wusste, dass er einen weiteren Bruder hatte. Das war merkwürdig, denn Liam hatte mir nie etwas gesagt. Etwas stimmte nicht und ein Gefühl sagte in mir, dass mehr hinter dieser Sache steckte.

"Warum soll ich mich von ihm fernhalten?", wollte ich jetzt interessiert wissen und er schwieg kurz.

"Es ist besser für dich", erklärte er.

"Wenn er irgendwas tut, dann sag es mir sofort", verlangte er von mir und klang sehr ernst dabei.

"Okay?", fragte er.

"Okay", nickte ich schließlich.

Ein geheimnisvoller Bruder. Als ob es nicht genug Probleme gab, tauchte jetzt auch noch dieser Lane auf. Ich bezweifelte, dass er auch nur ansatzweise normal war. Mir wurde erst jetzt bewusst, dass ich mich in einer verrückten Familie befand. Wenn ich ebenfalls den Verstand verlor, würde es mich nicht allzu sehr überraschen. Ich schüttelte diese Gedanken aus meinem Kopf und ging mit Ace an meiner Seite in das Innere, also ins Wohnzimmer.

Zwei Personen erschienen in meinem Blickfeld auf. Dale und eine ältere Dame. Ich dachte, dass seine Eltern auch hier wären, aber selbst in der Hochzeit gab es keine Spur von ihnen. Vielleicht lebten sie nicht mehr. Das interessierte mich nicht besonders, denn ich wollte keinen aus seiner Familie freiwillig kennenlernen. Gerade wurde ich gezwungen, denn niemand wusste, dass unsere Ehe nicht aus Liebe entstanden war. Das sein älterer Bruder es sich wahrscheinlich schon dachte, wunderte mich nicht, denn er wusste, dass ich Liam liebte und nicht ihn.

Wir blieben direkt vor den beiden stehen und meine Augen ließ ich bei der Frau stehen. Sie besaß, wie Ace blaugraue Augen und hatte weiße Haare. Sie war schon alt, aber hatte eine starke Ausstrahlung. Ihre Lippen waren eine gerade Linie und sie hatte nicht ansatzweise vor diese zu heben, um vielleicht netter zu wirken. Außerdem war sie zu sehr schick gekleidet, wobei ich mich ihr nicht anpassen konnte.

"Aria das ist meine Oma, Ada Allen", stellte mir Ace die ausdruckslose Dame vor, wobei ich nur nickte.

"Hallo, Aria", begrüßte mich Dale freundlich, bevor sein Bruder zu ihm wanderte und gab mir die Hand.

"Schön dich wiederzusehen", lächelte er und ich drückte seine Hand, dabei erwiderte ich nichts.

"Wo ist Lane?", fragte sich Ace.

"Ich bin schon da", erklang eine Stimme, doch sie kam mir auch bekannt vor und ich drehte mich um.

Mein Gesichtsausdruck änderte sich augenblicklich und ich blickte erschrocken zu der Person, die vor mir stand. Seine Mundwinkel hoben sich und als er mich ansah, begann er amüsiert zu grinsen. Vor Sprachlosigkeit öffnete sich leicht mein Mund und ich hatte keine Ahnung, was ich dazu sagen sollte.

Es war der Junge, der uns entführte.

Seine grünen Augen strahlten mich voller Freude an und am liebsten hätte ich laut geschrien, denn das musste ein schlechter Witz sein. Dieser kranke Typ war sein kleiner Bruder? Fassungslos über diesen Gedanken blickte ich ihn entsetzt an, denn es war absurd. Warum wunderte es mich? Er war genauso krank in seinem Kopf, wie sein Bruder. Sie passten perfekt zusammen. Wie konnte ich also nicht darauf kommen, dass die beiden auch verwandt waren?

"Hallo, Aria", sprach er zu mir und gab mir ebenfalls seine Hand zur Begrüßung, die ich nervös annahm.

"Willkommen in der Familie", grinste er teuflisch.

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