Kapitel 64

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Liam's Sicht

Ich wollte nicht kommen, aber Levin schleppte mich mit in das Krankenhaus, wo er sich befand. Sein Zustand interessierte mich nicht und dennoch war ich hier. Das Rose vermutlich da war, brachte mich danach freiwillig her. Aria, Katy und Ace waren mitgekommen.

Mein Engel wich mir keine Sekunde von der Seite und hielt die ganze Zeit meine Hand, dabei blieb sie schweigsam. Ace folgte uns nur. Ich wusste nicht, warum er mitkam, doch lange dachte ich nicht darüber nach. Als wir nämlich vor einer Glaswand zum Stehen kamen, erblickte ich ihn und vergaß somit alles. Kein Ton verließ meine Lippen. Kein Muskel bewegte sich. Kein Gefühl trat hervor. Einfach nichts.

Er lag in einem Krankenbett. Komplett verunstaltet, als ob er totgeschlagen wurde. Man erkannte kaum sein Gesicht noch. Aria wandte den Blick sogar nun ab.

"Was ist mit ihm passiert?", fragte Levin den Arzt.

"Er wurde zu Hause so aufgefunden. Wir wissen nicht genau, was vorgefallen ist. Mrs Black redet nicht", ließ er uns wissen, worauf ich mich nach ihr nun umblickte.

Etwas weiter weg saß Elena mit Rose auf einem Stuhl im Gang. Sie blickte starr geradeaus und hielt dabei meine kleine Schwester fest in ihren Armen, die auf ihrem Schoß eingeschlafen war. Der Arzt redete noch und erzählte etwas über seinen Zustand, jedoch kümmerte es mich nicht. Im Augenblick galt meine Aufmerksamkeit lediglich den beiden. Als ob die Frau von ihm meinen Blick spürte, blickte sie direkt in meine Augen hinein und bei ihrem Anblick erstarrte ich.

Das Blut in meinen Adern fror förmlich ein und meine Hände begannen zu zittern. Ich hatte das starke Bedürfnis um mich herum zu schlagen, aber zugleich am Boden zusammenzubrechen, denn dieses Bild kannte ich nur zu gut. Ich krallte mich somit an Aria's Hand fest, die meine Unruhe zu bemerken schien.

"Liam?", fragte sie besorgt, aber ich konnte ihr gerade nicht antworten, denn mein Hals schnürte sich nun zu.

Elena wandte augenblicklich den Blick von mir ab und starrte erneut in die Leere hinein. Das brachte mich dazu Aria's Hand loszulassen und auf sie zu zugehen.

Mein Engel folgte mir, wobei Ace einige Schritte entfernt blieb und alles still beobachtete. Ein gewisser Schmerz entstand in meiner Brust, als ich sie verunstaltet sah. Ein angeschwollenes Auge, eine aufgeplatzte Lippe, blaue Flecken, blutige Wunden und ein unschuldiges Kind in den Armen, dass von nichts mitbekam.

Ich musste an meine Mutter denken.

An meine Mutter, die jeden Tag das erleiden musste, bis sie sich das Leben nahm. Sie verließ ihre Söhne, denn sie ertrug es nicht mehr.

"Was ist mit Ihnen passiert?", hakte Aria nach.

Sie schaute nicht einmal zu Aria, sondern blickte nun weiterhin in die Leere hinein. Elena wirkte beinahe so, als ob sie uns nicht wahrnahm. Lediglich hielt sie Rose fest in ihren Armen und das mit einer Angst. Eine Angst, die man nicht in Worte fasste. Die Angst einer Mutter, dass man ihr Kind wegnahm. Aria meldete sich erneut zu Wort, jedoch reagierte sie nicht darauf. Ihr lief nur eine einsame Träne die Wange entlang. Am ganzen Körper zitterte sie.

"Hat er dir das angetan?", wollte ich monoton erfahren.

"Du hattest Recht", flüsterte sie und schaute zu mir so.

"E-Ein...Monster. Er ist ein Monster", murmelte sie still.

"Er hat wieder angefangen zu trinken. Fünf Jahre hielt er es aus und dann zerbrach alles. Eigentlich hatte ich noch keine Bedenken, doch vor meinen Augen war all das. Die Wahrheit. Thomas veränderte sich. Er hielt in sich solch eine Wut fest, bis sie am Ende platzte. Eine s-starke Wut. Ich erkannte ihn nicht mehr. Diese Angst wuchs nur stärker in mir, die ich in mir verbarg. All das wurde mir zu viel. Er behandelte mich wie Dreck, aber er ließ mich dennoch nicht gehen. Thomas wollte mich nicht verlieren, denn er wollte nicht einsam enden. Da dein Vater Levin und dich verlor, ließ Thomas nicht zu, dass er Rose und mich ebenso verlor. Er begann mich zu schlagen, damit ich Angst bekam und nicht ging. Er versuchte mich so zu behalten. Ich ließ mir das jedoch nicht gefallen. Ich wehrte mich. Als ihm das klar wurde und er verstand, dass das so nicht funktioniert, griff er zu einer anderen Methode zu", erzählte sie, aber dann schwieg sie und zog Rose näher an sich heran.

"Hat er-?", wollte ich fragen, doch ich konnte nur nicht.

"Nein", antwortete sie und beruhigte mich.

"Er war kurz davor es zu tun. Er wollte s-sie erwürgen, bis ich dazwischen kam. Ich hab ihn mit dem Baseball Schläger so zugerichtet", erklärte sie komplett gefasst.

Meine Augen glitten zu ihren Händen, die sehr stark bei ihrer Erzählung zitterten. Deshalb hielt sie Rose voller Angst fest, denn sie hatte Angst, dass man sie ihr wegnahm. Dass er sie ihr wegnahm. Aus diesem Grund saß sie hier im Krankenhaus, da sie wusste, dass wir kommen würden und auf Rose achteten. Levin und ich würden nicht zu lassen, dass ihr etwas geschah.

"Er wollte mir dasselbe wie bei Miranda antun", meinte sie und bei ihrem Namen kroch die Wut in mir so hoch.

"Nimm nie wieder den Namen meiner Mutter in deinen Mund. Nie wieder", warnte ich sie hasserfüllt, doch sie nahm mich nicht einmal wahr, da sie nur weiter redete.

"Du hast mich gewarnt. Du hast mir sogar erzählt, was er mit deiner Mutter anstellte", weinte sie dann stumm.

"Hör auf über meine Mutter zu reden! Hör auf!", brüllte ich zornig und Elena blieb somit komplett schweigsam.

"Liam beruhige dich", redete Aria auf mich ein.

"Nein, Aria! Ich werde mich nicht beruhigen!", regte ich mich nur noch mehr auf, wobei Ace näher zu uns kam.

"Bleib dort stehen!", befahl ich ihm, was er tat.

"Meine Mutter hat sich nicht nur wegen ihm das Leben genommen. Sie ist auch daran beteiligt! Meine schöne Mutter hatte er mit ihr betrogen und nach ihrem Tod so zur Frau genommen! Hat es sie ansatzweise auch nur interessiert, was mit ihr geschah? Nein. D-Die...H-H... von ihm war sie und ich hatte sie dennoch gewarnt vor ihm. Ich hab sie gewarnt, Aria", erinnerte ich sie daran.

"Ich weiß", flüsterte sie traurig.

"Jetzt sagt sie mir, dass er sie, Rose töten wollte", ließ ich es über meine Lippen wandern und wurde gerade zorniger, denn er wollte meine kleine Schwester töten.

"Und jetzt atmet er da drinnen noch", lachte ich.

"Liam, bitte. Du machst mir Angst", wurde Aria besorgt und ängstlich zugleich, doch ich blendete sie jetzt aus.

"Es reicht", waren meine letzten Worte und damit ging ich in die Richtung zu seinem Zimmer, wobei Ace nun mich erreichte und mich mit aller Kraft gerade festhielt.

"Liam du musst dich beruhigen", sagte er.

"Lass mich los!", wehrte ich mich, jedoch ließ er nicht.

"Ace!", wurde ich immer wütender.

"Liam hör auf!", kam nun mein Bruder dazwischen, da Levin mich zurück schubste und mich warnend ansah.

"Nein!", brüllte ich zurück und wollte vorbei, doch dies ließ er nicht zu, indem er mich am Kragen jetzt packte.

"Er ist tot!", schrie er mich an.

"Er ist tot, Liam. Tot", erklärte er schwer atmend, aber hielt mich weiterhin fest, bis er mich danach umarmte.

Das Monster ist tot.

Das HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt