Vorsichtig legte Mira den Jungen auf dem Höhlenboden ab. Sollte sie ihm ein Lager bereiten? Sie selbst kam aufgrund ihrer harten Schuppen gut ohne eines aus, aber der Mensch sah aus, als würde er nur bei der Berührung mit dem kalten Steinboden wie Glas zerbrechen. Also schleppte sie in ihrem Maul Moos, Dünengras und Seetang herbei und häufte ihm damit ein zwar etwas stinkendes, aber immerhin weiches Bett. Dort lag der Mensch nun. Vorsichtig trocknete Mira mit ihrem heißen Atem seine Kleidung. Jetzt hieß es warten. Viel mehr konnte sie nicht für ihn tun. Entweder er schaffte es und wachte wieder auf, oder...Mira mochte nicht daran denken.
Langsam tappte sie aus dem Höhleneingang heraus. Die Sonne war inzwischen schon höher gestiegen. Mira schüttelte sich. Dann breitete sie die Flügel aus und hob ab. Sie musste jetzt erst mal den Kopf freibekommen.
Wie immer, wenn sie flog, breitete sich das Gefühl von Freiheit in ihr aus. Sie rauschte durch den Himmel, flog Kurven und Schrauben und hielt zwischendurch immer wachsam nach Menschen Ausschau. Schließlich landete sie beschwingt wieder vor dem Eingang ihrer Höhle und ging hinein. Dort sah sie etwas, was zugleich Freude und Wachsamkeit in ihr aufsteigen ließ: Der Mensch war aufgewacht.
Er rieb sich den Kopf, versuchte sich aufzusetzen, aber das misslang. Noch hatte er Mira nicht bemerkt. Auf Einmal hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf. Diese sagte: Wo bin ich? Mira sog scharf die Luft ein. Es war die Stimme des Menschen.
Durch das Geräusch aufgeschreckt blickte er in ihre Richtung...Und ihre Blicke trafen sich. Die Augen des Jungen wurden groß. Er versuchte wegzukriechen, aber seine Kräfte reichten nicht einmal dafür aus. Ich tu dir nichts, versuchte Mira lautlos zu sagen, aber der Mensch sah nur noch schockierter aus.
Miras Gedanken rasten. Das sie die Stimme des anderen hörte, konnte nur eines bedeuten: Sie waren Gefährten! Jeder Drache hatte einen menschlichen Gefährten. Es kam aber äusserst selten vor, dass die beiden sich trafen. Und jeder Drache konnte die Stimme seines Gefährten in seinem Kopf hören.
Wer bist du?, ertönte die leise Stimme ihres Gefährten in ihrem Kopf. Ich bin Mira, antwortete sie. Und... Warum bin ich hier?, fragte er zaghaft. Ich habe dich am Strand gefunden. Du wurdest angespült, erklärte sie ihm und trat vorsichtig einen Schritt näher. Nun klang die Stimme in ihrem Kopf nicht mehr ängstlich, sondern neugierig. Warum kann ich dich verstehen?, erkundigte sich der Junge. Weil... Mira zögerte. Weil wir Gefährten sind.
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Der letzte Drache
FantasyMira ist ein Drache. Der letzte ihrer Art. Sie lebt versteckt am Meer, in einer kleinen Höhle, und ernährt sich nur von Fischen. Bis eines Tages ein Menschenjunge angespült wird, der ihr Reiter ist, mit ihr in Gedanken reden kann und unbedingt wiede...