Wir waren einige Blocks gelaufen, da hielt Easton neben einer leeren Tankstelle an. Der Nebel, der durch die Straßen waberte, war dichter geworden und ließ das grüne Licht, das die Leuchtreklamen ausstrahlten, stumpf und milchig wirken.
„Macht es dir was aus, wenn ich mir kurz ne Schachtel Zigaretten da raushole? Ich hab nämlich keine mehr."
Das war nicht sein Ernst?
Mein Blick wanderte zu einem alten schneebedeckten blauen Mercedes, der am Straßenrand geparkt hatte.
Für einen kurzen Moment hatte ich doch tatsächlich vergessen, dass er rauchte. Leicht genervt rollte ich meine Augen wieder zu ihm und bedachte ihn mit einem Blick, der ihm deutlich machen sollte, wie abartig ich es fand.
Easton hob abwehrend die Hände. „Waaas?"
Unbeeindruckt hob ich eine Augenbraue.
„Hab schon verstanden", brummte er dann kurz angebunden. Er packte mich bei den Schultern. „Dauert nicht lang. Bin gleich wieder da."
Und schon war er um die nächste Ecke verschwunden. Doch wirklich nicht für lange. Keine drei Sekunden später kam er zurück auf mich zu gestürmt, umfasste meine Wangen mit seinen Händen und presste mir einen bestimmten, aber kurzen Kuss auf.
Dann löste er sich ein Stückchen von mir und sah grinsend auf mich herab, während ich mit gequetschten Wangen versuchte, fassungslos den Kopf zu schütteln.
So mussten sich pummelige Hunde fühlen, die von ihren Besitzern stundenlang geknuddelt wurden, schoss es mir durch den Kopf und ich gab ein belustigtes Geräusch von mir.
Da küsste mich Easton noch ein letztes Mal. Mein Herzschlag ging schon wieder viel zu schnell, als ich ihm zusätzlich einen Schubs um die Ecke verpasste.
Kaum war er verschwunden, brachen meine wirren Gedanken über mich her.
Was war nur in ihn gefahren?
Easton Williams hatte mich geküsst. Mehrfach. Und es war atemberaubend gewesen. Allerdings hatte ich keine Ahnung, was ich davon halten sollte.
Wie hatte ich nur innerhalb von wenigen Stunden all meine Vorsätze komplett ignorieren können? Nach allem, was passiert war.
Was war nur in mich gefahren?
Eine Windböe fegte über mich hinweg und brachte mich zum Frösteln. Schnell zog ich Eastons Sakko enger um mich. Sein Geruch stieg mir in die Nase und ich seufzte.
Zwei verdammte Wochen. Wie konnten zwei verdammte Wochen so viel mit mir anstellen? Wie konnte dieser Kerl mein Herz nur so um den Finger wickeln?
Da blitzte etwas in meinem Augenwinkel auf.
Meine Finger glitzerten. Schon wieder.
Der Glitzer von meinem Kleid färbte doch nicht etwa ab?
Warte mal.
Ich hatte kaum gemerkt, dass ich mir verträumt über die Lippen gefahren war. Aber mein Lippenstift glitzerte doch auch nicht.
Verwirrt wischte ich den Glitzer an Eastons Sakko ab und fuhr mir anschließend wieder über die Lippen.
Verdammte scheiße. Wie kam dieser Glitzer auf meine Lippen?
Da durchschnitt plötzlich ein lauter schmerzerfüllter Schrei die eisige Nacht. Ich hielt die Luft an.
Bitte nicht.
„Easton?!"
Ich wimmerte. Mein Herz begann zu rasen.
Was, wenn ihm etwas passiert war?
Ohne länger nachzudenken, raffte ich mein Kleid zusammen und rannte los. Um die nächste Ecke.
Doch was sich mir dann auftat, war schlimmer als alles, was ich mir hätte vorstellen können.
Panik rauschte heiß durch meine Adern und ließ mich von innen verbrennen, als ich den leblosen Körper auf der Straße liegen sah. Eine schwarze Silhouette darüber gebeugt.
Oh Gott.
Meine Instinkte übernahmen und steuerten mich geradewegs darauf zu. Meine Knie hätten zittern sollen. Doch das taten sie nicht. Ich hätte wegrennen sollen. Doch ich konnte nicht. Ich war nicht mehr Herr meiner selbst. Mein Körper funktioniert einfach nur noch. Alles andere war unbedeutend.
„Easton." Meine Stimme war nicht mehr als ein Wispern.
Je näher ich kam, desto deutlicher konnte ich die Konturen des Körpers erkennen.
Mir stockte der Atem.
Es war nicht Easton, der da am Boden lag. Es war Piet, der mit leblosen, weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit des Nachthimmels starrte. Blut hatte sein Hemd tiefrot gefärbt.
Der Kopf der Silhouette zuckte zu mir herum.
Erschrocken stolperte ich zurück.
Easton kniete über Piets totem Körper. Sein Brustkorb hob sich unkontrolliert. Und ich meinte, mich schreien zu hören. Denn seine Augen waren nichts als weiß und beinahe genauso leer wie die von Piet.
Ein heftiger Schmerz durchzuckte meinen Schädel. Dann wurde es dunkel.
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Talking To The Stars
Teen Fiction"Jeder hat ein Geheimnis." - Aber was, wenn du von deinem eigenen noch nicht weißt, dass es existiert? Nach einem sechsmonatigen Auslandssemester kommt Annie an ihre High School in Forthcester zurück, wo sie auf den düsteren Zigaretten-Junkie Easton...