Avatar - Ruinen und Rebellion

Narben der Vergangenheit

"Weil er denkt, dass Lee zur Feuernation gehört."

Sora drehte sich um und sie starrte Roku mit einem Gesichtsausdruck an, den Lee nicht sehen konnte. Allerdings konnte er aus dem Zittern ihrer schmalen Schultern erraten, dass es ein Ausdruck des Schocks war.

"Du hast es nicht bemerkt?", fragte Roku nach und betrat den Raum, als hätte er nicht gerade etwas Undenkbares gesagt. Nun, undenkbar war es nicht, aber Feuernation zu sein, war für die Menschen, die in diesen Ruinen lebten, gleichbedeutend damit, ein Teufel zu sein. Einer der Teufel zu sein, die jedem der Menschen in diesen Ruinen mindestens einen geliebten Menschen wegnahmen.

"Seine Augen.", fuhr Roku fort, der nun endlich vor dem Bett stand. Aber Lee schaute ihn nicht mehr an. Er hatte sein Gesicht der Wand zugewandt.

Es war die eine Sache, die Sora von Anfang an besonders gemacht hatte. Sie hatte es nie bemerkt. Alle anderen warfen einen Blick auf sein Gesicht und zogen eine Grimasse. Seine Teamkameraden waren eine Ausnahme, aber auch sie hatten ihn anfangs mit Schrecken angesehen. Allein sein Anblick konnte fast jedem in ihrer kleinen Rebellionstruppe das Lächeln aus dem Gesicht wischen.

"Seine Augen?", wiederholte Sora und starrte nun definitiv auf seinen Hinterkopf.

"Was ist mit seinen Augen los?", fragte sie, und das brachte Lee tatsächlich dazu, sich wieder zu ihr umzudrehen. Sie schaute ihn nicht an, sondern blickte in Richtung Roku. Lees bester Freund brach in ein breites Grinsen aus.

"Ich hab's dir gesagt", sagte er zu Lee, "es is nich so schlimm, wie du denkst."

Doch Lee konnte das nicht so einfach glauben. Nicht nach all dem Hass, den er nur wegen dieser Augen ertragen musste. Er war grün gekleidet und hatte schwarzes Haar wie so viele andere Menschen vom Erdkönigreich, aber seine Augen sagten immer etwas anderes.

Jetzt schaute Sora tatsächlich in sein Gesicht.

"Ich fand seine Augen schon immer wunderschön... So eine warme Farbe."

"Sie sind orange.", widersprach Lee, "Und orangefarbene Augen sind weder schön noch warm. Das sind die Augen der Menschen der Feuernation."

Sora musste die Bitterkeit in seiner Stimme gehört haben, aber sie kommentierte sie nicht. Stattdessen schaute sie ihm direkt in die Augen, die er so sehr hasste.

"Und? Gehörst du zur Feuernation?"

"Natürlich nicht."

"Wo ist dann das Problem?"

Schweigen. Lee könnte tausend Gründe nennen, aber sein Mund weigerte sich, sie in Worte zu fassen. Also war es wieder Roku, der aussprechen musste, was er nicht konnte.

"Weil allein n Blick in seine Augen die meisten Menschen hier daran erinnert, was die von der Feuernation ihnen angetan ham und natürlich ...", er hielt inne. Für einen Moment schien es, als wäre er sich nicht sicher, ob er sagen sollte, was als Nächstes kam, aber Lee seufzte nur und gab ihm seine stille Erlaubnis.

"Natürlich fragt sich jeder, warum er diese Augen hat. Nun, das ist nur ne Theorie meinerseits und eine, die für die meisten Leute schon schlimm genug is. Aber na ja ... weißt du ... diese Feuernationssoldaten sind meistens Männer, und manchmal, wenn Männer ein friedliches kleines Dorf überfallen, machen sie... Dinge mit den Frauen ..."

"... Dinge?", wiederholte Sora verwirrt. Sie war manchmal wirklich noch ein Kind. Einen Moment lang suchte Roku nach Worten, konnte aber keine finden, um diesem unschuldigen Mädchen von den Schrecken dieser Welt zu erzählen.

"Er sagt... dass mein Vater...", Lee hielt inne, weil ein plötzlicher Druck in seiner Kehle ihn am Sprechen hinderte. Dann riss er sich zusammen.

"Dass mein Vater wahrscheinlich zur Feuernation gehört."