dear draco, teil 2

achtzehn

Draco konnte nicht still sitzen. Er war eine Stunde lang in seiner Wohnung herumgelaufen und dann die Gebäudetreppe hoch und runter gegangen. Dann hatte er eine kurze Hose und Turnschuhe angezogen und ist laufen gegangen - ein verdammter Lauf, nur um etwas zu tun zu haben - weil sie am Leben war und Energie durch seinen ganzen Körper floss und er nicht wusste, was er damit anfangen sollte. 

Als er von seinem Lauf kam, stellte er fest, dass er seine Wohnungstür weit offen gelassen hatte. Dann erinnerte er sich, dass er verkatert war und übergebte sich im Spülbecken. 

Er war unruhig. Er wusste nicht, wie er es geschafft hatte, Belly zu sehen, wusste nicht, wie er über eine Stunde still gesessen und sie beobachtet hatte - wie er es geschafft hatte, Fragen zu stellen, zu sprechen und wie ein normaler Mensch zu reagieren, denn jetzt wusste er verdammt noch mal nicht, wie er damit umgehen sollte -

Es schien zu schön, um wahr zu sein. Seine Gedanken bewegten sich im Kreis - sicherlich konnte es nicht sie gewesen sein, die Liebe seines Lebens, um die er in den letzten anderthalb Jahren getrauert hatte - weil sie tot gewesen war, aber dann hatte er angefangen, sie zu sehen und dann war es sie gewesen, wirklich sie, und dann hatte sie mit ihren dunklen Augen und ihrer perfekten Haut und ihren dicken Wimpern vor ihm gesessen, und entweder wurde er wahnsinnig oder eine höhere Macht hatte Mitleid gehabt und ihm eine zweite Chance gegeben. Brachte sie zu ihm zurück und sagte, diesmal sei vorsichtiger.

Aber dann war er nicht einmal wirklich vorsichtig gewesen, oder? Denn wenn er vorsichtig gewesen wäre, wäre er bei ihr geblieben und hätte sie beschützt. Wenn er vorsichtig gewesen wäre, hätte er sie nie wieder aus den Augen gelassen. 

Er griff nach seinen Turnschuhen, von denen sie weggeworfen an der Wand lagen, und zog sie an. Dann verließ er seine Wohnung - stellte diesmal sicher, dass die Tür hinter ihm geschlossen wurde - und rannte noch einmal los. 

-

Als Isobel vom Leaky Cauldron nach Hause kam, ging sie sofort in das Zimmer ihrer Mutter. Sie öffnete die Tür und steckte den Kopf hinein. Ihre Mutter blinzelte grau und hager von ihrem Bett auf und fragte, "Wo bist du gewesen?" 

"Im Laden," sagte Isobel. "Kann ich dir etwas bringen? Wasser?"

Maggie nickte und schmiegte sich zurück in ihr Kissen. "Wasser."

In der Küche wickelte Isobel Dracos Schal ab und füllte ein Glas Wasser aus dem Wasserhahn. Sie konnte immer noch seine Fingerspitzen an ihrem Nacken, ihrem Handrücken und an der Narbe an ihrem Wangenknochen spüren. Die Narbe war vernachlässigbar, praktisch unsichtbar, und er hatte es bemerkt. Es war surreal. Sie wusste nicht, was sie von ihm erwartet hatte, aber das war es nicht gewesen.

Sie hatte sich auf ein formelleres Gespräch vorbereitet; ein Informationsaustausch, Händeschütteln. Aber als er sie in diesem Nachtclub gesehen hatte - alle Tränen und verschlungenen Finger und Alkohol und Herzschmerz - wurde ihr erst dann klar, wie gebrochen er wirklich war. Wie erschüttert.  Über sie.

Und - sie hatte gewusst, dass sie sich verabredet hatten. Aber seine Augen so auf sie zu spüren, ihr Gesicht kaum zu verlassen, zu spüren, wie seine Arme sich um ihren Rücken gelegt und sich an sie geklammert hatten... Sie hatte gewusst, dass er sie gemocht hatte, aber nicht so sehr. Sie hatte gewusst, dass er verärgert war, aber nicht so, wie sie es gerade gesehen hatte. Sie hatte gewusst, dass er betroffen war, klar. Aber sie hatte nicht erwartet, dass er ihren eigenen tückischen Sturm von Emotionen widerspiegeln würde.

Sie machte einen Waschlappen nass, schloss den Wasserhahn und ging zurück in das Zimmer ihrer Mutter. Maggies - Verschlechterung, wie sie es formuliert hatte - war mehr als körperlich. Manchmal, wenn Isobel in Maggies Schlafzimmer ging, sah ihre Mutter sie mit wilden Augen an, als würde sie sie nicht erkennen. Als würde sie darauf warten, dass sich jemand einschleicht und sie angreift. Minuten später würde sie sich zurücklehnen und tief und fest schlafen.