Kapitel 1

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Es ist ein Tag wie jeder andere – na gut, immerhin ist heute Donnerstag und damit der Tag in der Woche, an dem ich länger Schule habe als sonst. Aber das zählt nicht. Also ist heute doch ein Tag wie jeder andere. Ich laufe von meinem Klassenzimmer zum Chemieraum. Heute laufe ich mit Phillip ein Stück vor allen anderen. Wir reden und albern herum, so wie jedes Mal, wenn wir ausnahmsweise mal gemeinsam zum nächsten Klassenraum laufen. Phillip ist der süßeste Junge aus der Klasse. Er hat einen Charakter aus Gold, ist schlau, lustig, sieht gut aus und ist wie durch ein Wunder noch single. Der Jackpot, nicht? Das haben alle Mädchen immer behauptet. Aber ich... ich habe das nie gefunden. Mehr als einen Freund habe ich in ihm nie gesehen. Aber anscheinend ist es doch unvermeidlich – vor ein paar Wochen habe ich das erste Mal versehentlich gelächelt, als ich an ihn gedacht habe. Und von dem Tag an habe ich immer öfter an ihn gedacht. Ich glaube, jetzt bin ich ihm auch verfallen, obwohl ich mich eigentlich nie mit ihm zusammen sehen konnte. Ich will ihm gerade ein Kompliment machen – den ersten Schritt in die hoffentlich richtige Richtung, als wir plötzlich vor dem Chemieraum stehen. Als wäre die Tür aus dem Nichts aufgetaucht, ist unserem kleinen Gespräch von einer Sekunde auf die nächste ein Ende gesetzt. Jetzt erwartet uns erst einmal eine endlos lange Schulstunde, in der wir an zwei verschiedenen Enden vom Zimmer sitzen werden. Nicht, als würde das Phillip irgendetwas ausmachen. Aber mir macht es etwas aus. Zu gerne hätte ich weiter mit ihm geredet.

Immerhin haben wir die sechste Stunde. Das bedeutet, in nicht mal mehr ganz einer dreiviertel Stunde werde ich in der Mittagspause hoffentlich wieder ganz viel Zeit haben, mit ihm zu reden.

Chemie ist langweilig. In Mathe bin ich gut und finde es sogar halbwegs spannend, Physik finde ich auch nicht so übel wie alle anderen, aber Chemie... Chemie konnte ich noch nie etwas abgewinnen. Wofür werde ich das in meinem späteren Leben – in dem ich Mathelehrerin oder von mir aus auch Journalistin werden will – brauchen? Das Einzige, was mich noch wach hält, ist die Aussicht auf eine wohlverdiente Mittagspause. Nach nur einer viertel Stunde stellt sich leider heraus, dass ich hätte besser aufpassen sollen. Mein Lehrer hat ein paar Buchstaben, Zahlen und Rechenzeichen an die Tafel gekritzelt und ruft ausgerechnet mich auf, um die Gleichung zu lösen. Was jetzt? Einfach irgendeinen Schrott hinschreiben, ihn mühselig mit Hilfe vom Lehrer berichtigen und mich wieder hinsetzen. So wie immer in Chemie. Ich stehe auf und trete meinen Catwalk zur Tafel an. Doch auf halber Höhe verschwindet das Klassenzimmer plötzlich und ich verliere den Boden unter meinen Füßen.

Ich bin im freien Fall, falle einfach immer weiter, müsste eigentlich schon lange im Keller der Schule angekommen sein. Verzweifelt ziehe ich meine Beine an und kneife die Augen zu, bis ich unsanft auf dem Po lande. Was zur Hölle ist los? Wo bin ich? Ich traue mich nicht, meine Augen zu öffnen – was natürlich absurd ist.

„Was haben Sie getan?!", schimpft jemand.

Ich mache die Augen schließlich doch auf. Ich sitze auf dem Boden zwischen zwei Reihen aus Pulten. Alle mit Fronten aus dunklem Holz. Da, wo keine Pulte stehen, sind Bücher. Und von überall sehen Gesichter von Jugendlichen auf mich herunter, die mir irgendwie bekannt vorkommen.

Ich schüttele mir die Haare aus dem Gesicht und bemerke erst dabei, dass mir seltsam schwummrig ist. „Wo zur Hölle bin ich?"

„In Hogwarts", sagt ein Junge. Seine Haare sind fast weiß und er kneift die Augen zusammen – was die meisten bei meinem Anblick tun. Meine Schwummrigkeit ist wie weggeblasen. Stattdessen würde ich jetzt am liebsten laut losprusten.

„Ja klar, und Harry Potter ist dein Vater, oder wie?", spotte ich stattdessen. Hogwarts. Ich habe Harry Potter zwar nie gelesen oder geschaut, aber so viel Grundwissen, um zu wissen, dass es nicht auf einer wahren Geschichte beruht, habe ich dann doch. Hogwarts existiert ganz einfach nicht. Wahrscheinlich ist das nicht mehr als ein dummer Traum.

Auf meinen Kommentar hin lachen alle, bis auf einen einzigen. Bis auf einen Jungen mit einer runden Brille und einer blitzförmigen Narbe auf der Stirn. Bis auf Harry Potter selbst.

„Du bist tatsächlich in Hogwarts", sagt ein stark kleinwüchsiger Mann, der auf einem Bücherstapel steht.

„M-hm", mache ich.

Der Mann zieht seinen Zauberstab hervor, schwingt ihn in der Luft herum und ruft ein paar seltsame Wörter. Die Schüler, die alle etwa in meinem Alter sein müssen, sehen mich alle forschend an. Keine drei Sekunden später schwebe ich in der Luft herum, und egal wie sehr ich zappele, ich komme weder zurück auf den Boden noch in eine komfortable Position.

„Sie kommt aus der Muggelwelt", stellt der Mann fest.

Der Junge mit den hellen Haaren verzieht das Gesicht. „Eww, ein Muggel."

„Malfoy, Ruhe jetzt!", schimpft der Mann. Er muss der Lehrer von dieser Klasse sein. „Sie sind dafür verantwortlich, dass sie überhaupt hier ist. Wie haben Sie es geschafft, einen Muggel hier her zu bekommen?"

Malfoy, schießt es mir durch den Kopf. Draco Malfoy. Deswegen kommen mir die Gesichter hier alle so bekannt vor – es sind genau die Leute aus den Filmen. Auch wenn sie ein bisschen anders aussehen. Vielleicht, weil das die Originale sind und keine Schauspieler. Y/N, was denkst du denn da!, schimpfe ich mich selbst. Du weißt doch selbst, dass das hier nicht echt ist.

„Und du", beginnt der Lehrer. „Ja, wie heißt du denn eigentlich?"

„Y/N. Y/N Walker", sage ich.

Endlich lässt der Lehrer mich wieder auf den Boden sinken.

„Ms. Walker, bitte folgen Sie mir. Und ihr anderen habt für den Rest der Stunde frei!", verkündet er.

All die Schüler packen energisch ihre Sachen zusammen und stürmen zur Tür. Sobald der Tumult verebbt ist, bedeutet mir der Lehrer, ihm zu folgen.

Er bleibt vor einer Tür stehen, an der in großen Buchstaben SchulleitUng steht.

„Du wartest kurz draußen", weist mich der kleine Mann an.

Ich nicke artig und stelle mich neben die Tür. Ein paar Minuten vergehen, in denen von drinnen gedämpfte Stimmen zu hören sind – jedoch kann ich kein Wort verstehen.

Irgendwann biegt der Junge mit den hellen Haaren um die Ecke. Draco Malfoy. Als er mich entdeckt, bleibt er abrupt stehen.

„Walker, ja? Ein Muggel. Du hast hier rein gar nichts zu suchen." Abschätzend ist gar kein Ausdruck mehr für den Unterton in seiner Stimme.

„Wie es aussieht, bin ich ja nur deinetwegen hier", gifte ich zurück.

Malfoy schleicht wie ein Kater auf der Lauer um mich herum, bis er seinen Weg mit schnellem Schritt fortsetzt.

Bevor ich mir noch mehr Gedanken über ihn machen kann, öffnet sich die Tür. Hinter dem kleinen Lehrer tritt ein normalgroßer Mann mit langem, weißen Bart und ebenso langen weißen Haaren aus.

„Ich bin Albus Dumbledore, amtierender Schulleiter von Hogwarts", stellt sich der Mann vor. „Ich höre, du kommst aus der Muggelwelt und bist nur wegen einem... Nun ja, einem Missverständnis hier. Leider ist es uns im Moment wegen diversen Komplikationen nicht möglich, dich zurückzuschicken, was uns natürlich sehr leid tut... Du wirst hierbleiben, bis wir einen Weg gefunden haben. Wir möchten dich gerne einem Test unterziehen, um Klarheit über deine magischen Fähigkeiten zu erlangen. Bist du damit einverstanden?"

„Ähm...", stottere ich. Was soll ich sagen? Dann schlucke ich und schließlich nicke ich. „Ja, ich bin einverstanden."

Himmel, Y/N. Was tust du jetzt nur?

Versehentlich verliebt | Draco Malfoy x Reader FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt