Schwerelos

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Diese Kurzgeschichte unterscheidet sich von den anderen One-Shots, da ich mein Augenmerk auf Formulierungen und Wortspiele gelenkt und versucht habe, die Faszination, die das Eiskunstlaufen in mir auslöst, in Worte zufassen.

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Seitdem sie als kleines Mädchen die Pairs Free Skating Olympics zum ersten Mal sah, begann ein Wunsch in ihr zu keimen.
Jetzt galt es, ihn zu erfüllen.

27|11|2020

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Noch ein einziger Atemzug.
Ich schulg die Lieder auf.
Ein paar eisblauer Augen sah mich eindringlich an.
Raphaël wartete auf mein Zeichen;
ein kaummerkliches Nicken und es bagann der sagenhafte Moment.
Der, für den wir seit Kindertagen trainiert hatten.

Das Eis war glatt geschliffen, markellos.
Beim tiefen Ausatmen zeichnete sich mein Atem genau von der Luft ab.
Vor langer Zeit stand ich auf der anderen Seite der Glasscheibe, die einst Welten trennte.
Und sie jetzt als meine Geschichte verband.
Heute stand ein anderes kleines Mädchen an diesem Platz. Kam, um mir während meines Augenblicks der Innerlichkeit beizuwohnen, die Handflächen sehnsüchtig an die dünne Scheibe gepresst, auf derer anderer Seite sie sicherlich auch einst stehen würde.

Und nun stand ich hier.
Langsam nahm ich Raphaëls Hand, welche er mir in einer flüssigen Bewegung hinhielt, als Einstieg unserer Choreographie, die beim Zuschauen fühlen lassen sollte.

Mit einem kaum wahrzunehmenden Kraftaufwand zog er mich auf die Füße.
Der gemeinsame Lauf über das gefrorene Wasser begann. Synchron setzten wir den rechten Fuß leicht angewinkelt, den linken.
Ich sah in seine Augen und wusste, was bevorstand. Da legte er auch schon mitten im Lauf seine für diese Halle viel zu warmen Hände an meine Taille und warf mich.

Binnen dieser Millisekunden, in denen ich mich wie eine Schraube durch die Atmosphäre bohrte, betrat ich eine andere Welt, eine, die von Irdischem gelöst war. Es neigte sich dem Ende, alles sank auf gewohnte Augenhöhe. Mein Knie gab nach und in einer Pirouette begrüßte ich den Boden unter meinen schmalen aufblitzenden Kufen.

Gewand wie das Wasser bewegten wir uns über die sich schier endlos erstreckende Fläche. In den Hebefiguren verließen zwar meine Phersen die glänzende Einheit, doch sie empfing mich, als sei ich nie fort gewesen. Es entstanden keine abgehakten aufeinanderfolgenden Schritte, sondern fließende Übergänge wie der unaufhaltsame Strom des Wassers.

Die Balance auf ein Bein übertragend, hielten wir uns an der linken Hand, routierten regelrecht in unserer Bewegung, sanken auf das belastete Bein, während das andere ausgestreckt über dem Boden schwebte.

Noch immer uns im Kreis der Einheit bewegend, erhoben wir uns, ließen die Hand los, setzen das schwebende Glied erstmals auf, worauf als Reaktion darauf das andere Bein die Sicherheit des festen Standes verließ und sich in die entgegengesetzte Richtung erstreckte. Kaum eine Sekunde später wurde ich an eine harte Bruste gedrückt. Der Länge nach legte er mir seinen Arm um die Schultern und nahm federleicht meine in seiner mikrig wirkenden Hand in Gewahrsam und führte mich.
Seitlich Kreuzschritte vollführend bestritten wir die wütende Leere und füllten sie mit fließenden Bewegungen, in welchen ich Sicherheit fand.

Wir imitierten das Wasser als unser Element, bahnten unseren Weg, waren unaufhaltsam und ausgeglichen in unseren Bewegungen.

Da distanzierten wir uns auf einer kreisförmigen Laufbahn Pirouetten drehend von einander, bis wir am Schnittpunkt unserer Bestimmung aufeinander trafen, er durch eine kleine Geste die Distanz zwischen uns durchbrach. Nahm meine Hände, während sich jede Faser meines Körpers mit Anspannung füllte, und hob mich leicht über den Boden, einzig durch die strömende Kraft durch unsere Arme fließend verbunden, als Brücke zueinander fungierend.
Als er mich dann absetzte und wir Angesicht zu Angesicht den jeweils anderen reflektierten, weiterhin den Ruf des Laufes folgend; er setzte seinen linken Fuß hinter den rechten, ich meinen rechten hinter den linken.
Den Kontakt in Form eines intensiven Blickes haltend, wahrten wir den Kreuzschritt, bis wir schließlich die einmetrig klaffende Lücke schlossen.
Die Hände nahmen und aus der darauf beruhenden Kraft heraus mich der Ebene verwiesen, in der ich über ihm hinweg die Beine spreizte, an welchen der dünne Stoff meiner funkelnden Kostümierung mit der entgegenkommenden Luft spielte, in Form von wellenartigen Hebungen und Sekungen des Stoffes.

Währrendessen folgte er mit Hilfe seiner eigenen Achse der harmonischen Bewegung des Kreises, präsentierte mich über sich wie etwas ungemein Wertvolles und Unantastbares; er verlagerte mein Gewicht auf eine einzige Hand, mit der er mich hielt und auf seine Ebene zurückbrachte.

Wo wir uns kontrapunktierten Gesten hingaben, in denen er die Arme zu größt möglicher Spanne auf elegante Weise, in der bis zur Fingerkuppe alles kontrolliert war, von einander entfernte. Wobei ich die Arme in einer schmalen Bewegung zueinander führte und ihm zugewandt vor ihm her glitt.

Es entstand der Differenzen der Choreografien zum Trotz eine Harmonie, die von Ergänzung Offenheit, sowie Verschlossenheit zeugte.

Trotz dieser einzelnen Schrittfolgen war diese Darbietung ein Gemeinsam.

pars pro toto - eins für allesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt