Weil die Zukunft es so will

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„Damit das Licht so hell strahlen kann, muss es die Dunkelheit geben.", Francis Bacon

Ich sitze im Central Park und lausche den Vögeln, die leise vor sich hin zwitschern. Wenn ich einen Ort wählen müsste wäre es der Park, aber nicht nur weil es dort so idyllisch ist, nein, hier sehe ich mir die Zukunft meiner Mitmenschen an. Anders als ihr vielleicht denkt, besitze ich keine magische Kugel und erst Recht kein Schild auf dem geschrieben steht: ,, 5 Minuten in deine Zukunft schauen, Spezialpreis 20$ ,  Ella die unglaubliche". Ich bin ganz gewöhnlich, soweit es sowas überhaupt gibt, niemand weiß von meiner ,,Gabe" und das ist auch gut so. Mir würde eh niemand glauben und zum Schluss werde ich noch in die Anstalt eingewiesen. Wenn ihr jetzt erwartet das irgendeine plausible Erklärung darauf kommt, dann könnt ihr hier und jetzt aufhören zu lesen. Tschau, vielleicht lesen wir uns ja mal bei einer anderen Geschichte. Den anderen, die noch da sind, erzähle ich jetzt ein klein wenig mehr über mich. Ich habe braune Schulterlange Haare, Sommersprossen, eine runde Harry Potter Brille, ich bin 1,70 m groß und schon sage und schreibe 17 Jahre auf dieser Welt. 

Die Zukunft der meisten Menschen beinhaltet viel Schönes und glückliches, aber da sind dann natürlich noch diese verdammten Schicksalsschläge. Der Tod eines Kindes, eine schwere Krankheit, ein Unfall, eine Braut die vor dem Altar abserviert wird und das schlimmste für mich von allem ist, wenn irgendwas vom oben genannten in der Nahen Zukunft passiert. Wieso? Ich hätte es verdammt nochmal verhindern können! Aber es ist unmöglich das zu verhindern, manche sagen ,,ihre Zeit war Abgelaufen" oder so was ähnliches. Das stimmt nach meiner Erfahrung sogar irgendwie, die Geschichte ist wie folgt. An einem warmen Frühlingstag, ca. um 18 Uhr, beobachtete ich einen kleinen Jungen, Jake war sein Name. Mit seinen niedlichen Grübchen schenkte er mir ein Lächeln aus dem Sandkasten, neben dem ich auf einer Bank saß. Wenn mir jemand in die Augen schaut, in einem völlig unerwarteten Moment, ist es für mich fast unmöglich nicht in seine Zukunft zu blicken. Ich kann es gut kontrollieren wann und bei wem ich in die Zukunft sehe, außer es besteht besagter Augenkontakt. Selbst bei erwarteten Augenkontakt muss ich mich sehr zusammenreißen, weswegen ich solchen Kontakte eher meide und mich deshalb alle für total unsicher und ängstlich halten. So jetzt weiter zur Geschichte, ich sah also in seine noch so frische Zukunft, er war gerade einmal 4 1/2 und sollte in einer Woche mit seinem Vater an einem Autounfall mit Fahrerflucht tödlich verunglücken. Ich hatte noch Wochenlang diese Bilder im Kopf und musste mich mehrmals übergeben. Die Bilder waren so Klar, nicht so verschwommen wie bei einer späteren Zukunft. Es passiert selten, das ich einen Tod so klar sehe oder das ich ihn überhaupt sehe. Den bei weit entfernter Zukunft fällt es mir bei vielen, nicht bei allen, sehr schwer etwas konkretes zu sehen oder überhaupt etwas. Nach kurzem innehalten und verdauen des Schicksals, welches die beiden bald einholen würde, rannte ich zur mutmaßlichen Mutter und sagte das ihr Mann Paul und Jake besser nicht mit dem Auto in den Kindergarten fahren sollen. Sie sah mich verdutzt an, aber als sie verstand das ich es ernst meinte, trat sie von mir weg und verließ den Spielplatz mit dem Kleinen. Eine Woche später starben Jake und Paul an einem Busunglück, ihre Zeit war abgelaufen. Sie mussten sterben, wenn ich die Zukunft verändere würden Dinge stattdessen passieren, die noch ein viel größeres Ausmaß haben können. Ich glaube das nichts ohne Grund geschieht, auch wenn der Tod oder das Unglück noch so sinnlos aussieht. Ich glaube auch das die Zukunft seit der Geburt vorbestimmt ist, wenn auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Deshalb habe ich bestimmte Regeln: 1. Versuche nicht die Zukunft zu verändern   2. Befasse dich nicht zu lange mit der Zukunft anderer   3. Schaue niemals in die Zukunft eines dir Nahestehenden. 

Jetzt wieder mal etwas über mich, ich bin quasi ohne Eltern aufgewachsen und hatte eine Nanny die ihren Chop nicht sehr ernst nahm, das ist der Grund weshalb ich nie Schwimmen gelernt habe. Meine Eltern Arbeiten den ganzen Tag und Freunde hatte ich auch recht wenige, geschweige denn einen Freund. Die einzige das ich über Liebe weiß stammt aus Büchern. Die Leute aus meiner Schule ignorieren mich, weil sie denken das ich irgendwie spinne, weil ich Leute manchmal so lange anstarre. Wenn die wüssten!  Ich konnte schon mein ganzes kurzes Leben in die Zukunft anderer schauen, am Anfang fand ich es so legitim wie essen und schlafen. Mit 11 merkte ich dann das die anderen Leute nichts von der Zukunft anderer mitbekommen. Wie? Ich hab meine Mama darauf angesprochen und sie hat mich sofort zum Psycho Doc gebracht, ich hab dann behauptet, um aus der Sache raus zu kommen, dass das nur ein ausgedachtes Spiel von mir war. In meine eigene Zukunft kann ich nicht schauen, wieso? Keine Ahnung. Plötzlich springt mir ein Junge, ungefähr 12 vor die Augen und ich blicke in sein Morgen und Übermorgen... Er hat blonde Locken und ist etwas pummelig, sein T-shirt hängt aus seiner grauen Jogginghose und seine Finger sind rosa vom Kirschen naschen. Bald wird seine geliebte Oma Magarete sterben, ich konzentriere mich, übermorgen. STOPP! Sowas kann ich mir nicht ansehen, ich muss mich sofort ablenken. Ich fixiere ein kleines Mädchen mit Pippi Langstrumpf Zöpfen und einem Mickey Mouse Pflaster am Knie. In einem Monat und 4 Tagen wird ihr erster Zahn herausfallen und Polly, so heißt sie, bekommt einen kleinen Bruder, ich konzentriere mich, Sammy soll der kleine Mann heißen. Ich kann seine ersten Schritte mit Pollys Augen sehen, die neidisch auf ihren kleinen Bruder ist, weil er plötzlich viel mehr Aufmerksamkeit bekommt. Am 25 Dezember wird sie ihr großes, mit Einhorngeschenkpapier verpacktes Geschenk aufreißen. Ein grünes Fahrrad mit einer kleinen Klingel wird sich darin befinden, genau das gleiche, dass sie auf ihren Brief für den Weihnachtmann gemalt hat. Sammy bekommt nur ein paar kleinere Geschenke, eine Trommel, Windel und ein Schaukelpferd. Polly ist froh das ihr Geschenk größer ist, der Weihnachtsmann hat sie, wie sie denkt, mehr lieb als ihren Bruder. Ich überspringe die Schulzeit und lande bei ihrem 31 Geburtstag. Polly ist jetzt mehr als dreimal so groß und hat lange gelockte Rosa Haare, ihr Gesicht ist mit Piercings vollgekleistert und ihre weiße Haut verzieren plötzlich mehrere schwarze Tattoos. Sie trägt grüne Stiefel, die schon abgetragen sind und sie hält ein Baby im Arm. Das Baby ist erst ein paar Monate alt und hat fast noch keine Haare auf dem kleinen Köpfchen, sein Strampler ist rosa und mit Blumen bestickt. Es ist nicht Pollys Kind, sondern das Baby ihres Bruders, das sich an sie schmiegt. Dann tritt Sammy ins Bild, der jetzt von allen nur noch Sam genannt werden will, er trägt einen Pollunder mit einem weißen Hemd und Khaki Hosen. Er glättet seine perfekt sitzenden Haare und plötzlich tritt seine Frau zu ihm, die so aussieht wie sein weiblicher Zwilling, denkt Polly immer wenn sie die zwei sieht.

 ,,POLLY!", ruft eine Frau, die einem Hippie ähnlich sieht. Ich zucke kurz zusammen als der Einblick aufhört, weil ich Polly aus den Augen verliere. Die alte Dame mit dem Katzenpulli neben mir schaut mich wütend an, weil sie sich , dank mir, ebenfalls erschreckt hat. Ich schenke ihr ein entschuldigendes Lächeln, welches  sie mit einem abweisenden Blick quittiert. Ich sehe noch Polly und ihre Mom händchenhaltend durch den Park nach Hause schlendern, bevor sie hinter dem nächsten Baum verschwinden. Dann nehme ich das Buch ,,Ein ganzes halbes Jahr" aus meinem Rucksack, das ich mir gerade in einer kleinen Buchhandlung gekauft habe und fange an zu lesen. Auf Seite 108 klappe ich das Buch zu und schreibe mir die Seitenzahl mit einem schwarzen Stift auf mein Handgelenk. Das mache ich öfters wenn ich kein Lesezeichen zur Hand habe. Ich schaue auf mein viel zu teures Handy, es wird bald Dunkel und ich sollte so langsam mal Aufbrechen. Dann höre ich es, grrrrrr grrrrrr, die alte Katzenpullifrau sieht mich genervt an und wendet sich dann ab. Mein Magen knurrt wie ein wildgewordener Hund und ich erinnere mich an meine letzte Mahlzeit heute in der Schulcafeteria. Ich wühle mich durch meinen Rucksack, aber ich habe wie erwartet kein Glück. Dann muss ich wohl oder übel noch mal bei Millas Sandwich Stand vorbeischauen bevor ich in unser verlassenes Appartement gehe. Meine Eltern sind oft Geschäftlich unterwegs, weshalb ich nicht selten alleine zu Abend esse. 

An Millas Sandwich Stand stehen 8 hungrige Leute Schlange, ich stelle mich hinter einen Mann mit einem Ziegenbart und fettigen Haaren. Um mir ein wenig Zeit zu vertreiben schaue ich in die Zukunft des Fremden. Er heißt Tobey Peres und studiert hier ganz in der Nähe, in 8 Jahren wird er eine Blondine mit kurzem Minirock heiraten. Nach der zweiten Schwangerschaft wird er sich von ihr trennen und sie mit den zwei Kindern allein lassen, so ein ******. Nach der Trennung angelt er sich eine Brünette mit einem üppigen Busen die Terra heißt. Dann blinzele ich zweimal und bin wieder im hier und jetzt. Mein Magen hört einfach nicht auf nach Essen zu schreien, es wird noch schlimmer als mir der Geruch von saftigen gut belegten Sandwiches in die Nase steigt. Hinter mir brabbelt eine junge Frau vor sich hin und als ich einen Blick auf sie erhasche erstarre ich. Das ist doch die Blondine mit dem Minirock, bloß das sie statt einem Rock lange blaue Jeans und einen Oversize Pulli trägt. Aber das ist doch unmöglich! Sie schaut mich an und ich drehe mich unwillkürlich wieder zu Tobeys Rücken. Zufälle gibt's. Anstatt noch weiter darüber nachzudenken hake ich es ab und bestelle mir ein doppeltes Sandwich mit extra Tomaten. Hmmmm, wie das duftet. 

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Hey, das ist meine erste Geschichte hier auf Wattpad, ich würde mich total freuen wenn ihr mir ein Feedback in Form eines Kommentars geben würdet 😊 Eure Franzy

Because the future wants it that wayWo Geschichten leben. Entdecke jetzt