"Es heißt: Liebe sei jemanden die Fähigkeit zu geben einen zu zerstören, aber darauf vertrauen, dass er es nicht tut." -Unknown
Der Abstieg über die Feuerleiter verläuft schweigend, weil niemand etwas sagt oder auch nur ein Geräusch von sich gibt. David war sofort damit einverstanden das Dach zu verlassen, das jetzt keine schönen Erinnerungen mehr in mir weckt. Er wurde von seinem Vater Misshandelt, jetzt verstehe ich ihn besser, ich verstehe seine Ängstlichkeit, seinen Schmerz, seine Mauern und sein Lachen. Ich musste zwar erstmal unsere ganzen Treffen mit dem Wissen, was ihm in der Vergangenheit zugestoßen ist, nochmal durchgehen bevor ich ihn besser verstehen konnte und das tue ich jetzt. Er weiß jetzt mein größtes Geheimnis und ich weiß auch seins, vielleicht haben wir doch eine Zukunft. Wir haben uns irgendwie durch die Stille hinweg darüber geeinigt, dass wir unser Frühstück im Park fortsetzen und sind nun auf dem Weg dorthin. Wir halten uns den ganzen Weg durch New York zum Central Park an den Händen um dem anderen Halt zu geben, damit er nicht alleine damit klarkommen muss, das Geheimnis des jeweils anderen zu verdauen und zu begreifen.
Wir breiten unsere Decke an einer Stelle aus an der nicht so viel Trubel herrscht und packen schweigend unser Frühstück aus. Die Vögel geben eine leise Melodie von sich die mir ein Gefühl der Sicherheit verschafft und mich an die vielen male im Park erinnert die ich hier alleine verbracht habe und ich von Situationen wie diesen gelesen habe. Gerade als ich von meinem Sandwich abbeißen will sehe ich ein kleines pummeliges Mädchen vorbeischlendern das die Hand ihres Vaters fest umklammert und ich muss unwillkürlich an meine Kindheit denken als ich ungefähr in ihrem Alter war. ,Dickichen' haben sie mich damals genannt, ,das Dickichen kommt wieder angerollt', haben sie immer gerufen wenn ich in die Cafeteria kam, obwohl ich eigentlich gar nicht mal so dick war, eigentlich nur pummelig. Ich habe einfach nicht den Normen entsprochen die sie aufgestellt hatten oder sie mussten einfach jemanden runter machen um sich selbst gut zu fühlen, so sind Kinder eben, vielleicht wäre ich auch so gewesen wenn ich damals dünn gewesen wäre, vielleicht. Die Folge des Mobbings war, dass ich damals rapide abgenommen habe, weil ich viel Sport gemacht und den Burger am Freitag weggelassen habe. Irgendwann war ich dann so dünn das ich nicht mal mehr eine richtige Brust hatte, weshalb mich die älteren Mädchen ausgelacht haben, ich konnte es nie jemandem recht machen und als ich das Begriffen habe, habe ich aufgehört zu versuchen den Normen zu entsprechen und mich akzeptiert, wenigstens so halb.
Ich schlucke schwer und werfe einen Blick auf meine flache Brust, aber was wenn David mich ohne Busen nicht sexy findet oder nicht fraulich genug? Schnell schlage ich diesen Gedanken von mir weg wie eine lästige Fliege und wende mich wieder an David der jetzt viel entspannter wirkt obwohl er in seinen Gedanken versunken ist. ,,Wie war eigentlich deine Schulzeit?", frage ich und bereue es sofort, ihn an seine Vergangenheit zu erinnern ist wirklich schlau von dir Ella! ,,Ich habe mich irgendwie durchgeboxt, die blauen Flecke hab ich immer mit Make-up von meiner Mom kaschiert und wegen der Schminke hielten mich alle für schwul. Schwul zu sein war besser als mich den Fragen nach dem blauen Auge und den anderen äußerlichen Verletzungen zu stellen. Wenn es um die inneren Verletzungen ging wie zum Beispiel die gebrochene Rippe hab ich immer behauptet das ich verprügelt wurde weil ich schwul bin, sonst hätten sie mich und Tommes in Pflegefamilien gesteckt und ich könnte ihn nicht mehr beschützen. So war das eben", erklärt mir David mit gefasster Stimme und gibt keine einzige Emotion preis, sind wir schon wieder hier angelangt? ,,David das tut mir so leid" Was könnte ich nur sagen um den Schmerz zu lindern, nicht viel, ich kann ihm nur zur Seite stehen und ihn von der Vergangenheit fernhalten, aber letzteres ist unmöglich. Nach diesem kurzen Gespräch ist unsere Konversation auch beendet und wir starren stillschweigend in verschiedene Richtungen und hängen unseren Gedanken nach...
...und dann sehe ich es direkt vor mir, besser gesagt sehe ich ihn direkt vor mir, David. Ich bin David. Aus meiner Hauptschlagader quillt flüssiges rotes Blut und lässt die riesige rote Pfütze neben mir rasant wachsen. In meiner Hand liegt kühles Metall einer Rasierklinge und die kälte brennt sich in meine Haut ein, der Boden ist steinhart und ich wünsche mir das ich endlich einschlafe. Dann komme ich, also Ella kommt zur Tür herein und schreit entsetzt auf, nicht schreien, denke ich, spürst du diese Müdigkeit nicht auch? Eine letzte Träne der Erleichterung rinnt mir noch über meine erkaltete Wange bevor ich endlich einschlafe und nie wieder aufwache. Nie wieder.
Was! War! DAS? Ich lasse die Paprika fallen die ich gerade in meiner Hand halte und aus meinem Gesicht weichen jegliche Farben. Ich sehe mich vor Augen wie ich David Angsterfüllt ansehe und dann schreie. War das echt? David der mal wieder von alle dem nichts mitbekommen hat sitzt noch immer mit dem Gesicht zur Sonne neben mir und hält seine Augen geschlossen, er ist so lebendig wie eh und je. Das habe ich mir nur eingebildet! Es kann doch nicht sein das ich gerade jetzt in seine Zukunft schaue, sonst hab ich dem doch auch wieder stehen können. Höchst wahrscheinlich ist das nur ein Hirngespinst, das ich bekommen hab weil ich gerade so viel von David erfahren habe, ganz sicher. Aber wenn nicht? Meldet sich eine besorgte Stimme in meinem Hinterkopf und ich behalte diese Stimme mal Sicherheitshalber im Hinterkopf ohne sie wegzuradieren. Sicher ist sicher.
Den restlichen Tag verbringe ich in Davids Armen während er mir aus einem Buch vorließt das er mitgenommen hat. Manchmal streicht er mir Gedankenverloren durchs Haar und lacht sogar wieder. Dabei macht sich ein warmes Gefühl in mir breit, doch ganz bin ich nicht bei der Sache, weil ich immer wieder aufs Neue an den blutenden David denken muss der sterben will. Wieso?, will ich ihn fragen, aber ich kann nicht.
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Because the future wants it that way
Romance--Davids Miene wird kurz Schmerzverzerrt und er muss mit sich ringen um die Mauern einzureißen die ihm zum Schutz umgeben, anfangs war es noch ein aussichtsloser Kampf doch jetzt ist David bereit, er vertraut mir so sehr um für mich gegen sich selbs...