Rückfahrten

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Cornelius besah sich seine Partnerin, während er aus dem Uhrenladen stürmte, um Sarafina entlang der Straße schlendern zu sehen.

Sie war nicht dumm, zumindest nicht so dumm, wie er sie anfänglich eingeschätzt hatte. Sie hatte mehrere Verbrecher laufen lassen und einem sogar angeboten, zusammenzuarbeiten und das Schlimme war, dass sie sogar zufrieden damit schien.

Sie drehte sich um und lächelte ihn galant an.

"Ach Mr. Temple, warum denn so ein Gesicht?"

"Warum so ein Gesicht? In Anbetracht der Tatsachen, dass uns soeben drei Kriminelle entkommen sind, um nicht zu sagen, wir haben sie entkommen lassen, und dass wir einem weiteren Kriminellen, dessen Sicherstellung unser Auftrag war, Zusammenarbeit angeboten haben, bleibt mir kaum ein anderes Gesicht übrig! Obwohl mir da gerade einfällt: Das waren wir ja gar nicht. Das waren ganz allein Sie!"

Sarafina blieb erstaunlich gelassen und höflich.

"Versuchen Sie es mit lächeln."

Ihr aufmüpfiger Blick verankerte sich in dem wütenden, kühlen ihres Partners. Dieser Mann.

Er versuchte, jemand zu sein, der er nicht war. Er zeigte ihr, dass er sie nicht leiden konnte, doch in Wirklichkeit war das vielleicht ganz anders. Sarafina wusste das.

Zumindest glaubte sie das.

Sie verwarf den Gedanken. Es wäre ja auch zu schön gewesen, einmal einen Mann zu finden, der sie nicht zu Tode langweilt und auch sie akzeptiert.  Ein bisschen ähnlich waren sie und Cornelius sich schon.

'Bitte, Sara', meldete sich ihre zynische innere Stimme, 'es sind doch sowieso nur seine Augen, die du so toll findest. So wie jedes x-beliebige, hirnlose Weib würdest selbst du auf ihn hereinfallen.'

Ihre Miene verhärtete sich.

"Dachten Sie wirklich, ich sei derartig dumm? Das wiederum würde mich an ihrer eigenen Intelligenz zweifeln lassen. An Paolo sind doch schon seit einem gefühlten Jahrhundert Leute dran, die ihn überwachen und aussaugen. Und wie du gesagt hast, wir sollten Denzel 'sicherstellen', das habe ich. Eine Zusammenarbeit kann nur von Vorteil sein, so haben wir ihn außerdem im Blick."

Cornelius konnte es nicht fassen, dass sie ihn dumm genannt hatte. Ebenso konnte er nicht fassen, dass er nichts von Paolos Überwachung gewusst hatte. Alle Sonderagenten wurden über alle laufenden Ermittlungen und Überwachungen genaustens informiert. Sie hatte doch nicht gelogen?

"Ich lüge ungern meine Partner an. Sie wussten nichts von der Überwachung? Warum sollte man Ihnen etwas vorenthalten? ", fragte Sarafina erstaunt, "oder haben Sie es vergessen?"

" Ich vergesse ungern", antwortete er schlicht und lief mit versteinertem Gesicht nebn ihr her.

"Na dann wär ja alles geklärt", meinte Sarafina und verfiel ebenfalls in Schweigen.

Zwischen einer Haarsträhne, die halb vor sein linkes Auge fiel, musterte sein Blick den Gesichtsausdruck der jungen Dame.

Diese plötzliche Schwankung von sanft zu hart und generell die offensichtliche Dehnbarkeit in ihrem Charakter ließ ihn darauf schließen, dass sie gute schauspielerische Fähigkeiten besaß. Ihre Einstellung, dass ihr alles einfach egal zu sein schien, ebenso wie ihre Selbstsicherheit und die fehlende Hemmschwelle konnten entweder Folgen einer sehr guten Ausbildung sein oder aber, wie Cornelius vermutete, eines Lebens auf der Straße oder in einem der ärmeren Viertel. Der Lord nahm gerne die Waisen oder Straßenkinder auf. Sie hatten gute Grundvoraussetzungen: Sie waren flink, kannten den Kampf ums Überleben, waren keine Standards gewohnt und konnten meist besser mit Tod umgehen.

Bei Sarafina war es schwer zu sagen, sie schien wohlerzogen, jedoch etwas zu frech für eine im Haus erzogene Dame.

Cornelius hatte bemerkt, dass sie obwohl sie immer versuchte, einen überlegenen Eindruck herzustellen, niemandem so richtig den Rücken zudrehte. Ihm war es vorher schon aufgefallen, dass sie jeden, dem sie den Rücken kehrte, durch Spiegel oder andere Reflexionen im Auge behielt. Kontrollzwang? Im Uhrenladen hatte sie schließlich auch die ganze Kontrolle an sich gerissen.

Oder Angst?

Angst, jemandem zu vertrauen?

Ihr Blick traf seinen und er zuckte kurz, wandte ihn aber nicht ab.

Für einen Moment schien in ihrem Blick etwas freundschaftlich Belustigtes zu liegen. Dann hob sie nur eine Augenbraue und verschnellerte mit kaltem Blick ihr Tempo.

Sie steuerte eine bereits stehende Kutsche an, steig ein und schloss die Tür, bevor Cornelius seinen Fuß dazwischensetzten konnte.

Gut, das war eindeutig.

Also wartete er auf die nächste Kutsche, während seine Partnerin mit der vorderen davonrauschte.

Sarafina hasste es, von einem Mann herablassend behandelt zu werden. Ihr schien es, als ob Cornelius gar nicht anders konnte, als sie von oben herab zu betrachten. Allein, wie er sie gemustert hatte. So abschätzig, dass sie sich vorkam, wie in der Gosse liegender Dreck.

Eine alte Erinnerung schwebte wie ein dichter Nebel durch ihr Gehirn und ließ sie an nichts anderes denken.

Kühle, eisblaue Augen, die sie musterten, wie Abschaum.
"Du bist NICHTS wert!"
Eine harsche Stimme, die sie in unglaubliche Panik versetzt.
"Genau wie deine Mutter."
'Mamaaa!'

"Miss?"

Erschrocken verpasste Sarafina dem Kutscher eine Ohrfeige und brach gleich darauf in eine Entschuldigungsrede aus.

"Es tut mir so leid, Sir, Sie haben mich zu Tode erschreckt, wissen Sie, ich bin sehr schreckhaft. Tut es sehr weh?"

"Nein", grummelte der Kutscher und rückte seinen Hut zurecht, "wir sind da."

Noch immer ein wenig durch den Wind stand Sarafina nun vor dem alten Eingang zu dem riesigen Anwesen des Lords und wollte doch lieber auf ihren Partner warten.

Sie konnte keinen Eindruck einer schlechten Zusammenarbeit riskieren.

Nach einer Weile hörte sie Hufgetrappel hinter sich und sah zu ihrem Erstaunen einen mürrischen Cornelius auf einem Pferd über die Straße reiten. Elegant schwang er sich neben sie herab und murmelte nur:

"Der Kutscher war ein Schwein."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 02, 2015 ⏰

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Die Lady, die Hosen trugWo Geschichten leben. Entdecke jetzt