;das ende (der welt)

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ella kam, um celeste zu sehen. sie kam dumpf und still, aber aussehen tat sie noch immer wie davor.

von weitem sah sie schon hinter dem lastwagen, der ganz befremdlich in dem kleinen dorf am meer wirkte, den blonden schopf von celeste. es war der tag der abreise und ella wusste nicht, was es zu sagen gab. sie fühlte sich unruhig und unsicher.

und plötzlich, plötzlich standen sie voreinander und alles wirkte gleichzeitig bedeutungslos und grausam. celestes gesicht nahm ihr wieder einmal den atem weg. es war fein und eben, die nase überstreut von kleinen sommersprossen, die züge feenhaft.

niemand sagte etwas, ella hasste es. sie war nicht für die stille hierher gekommen, nicht, um nur wieder an celestes gesicht erinnert zu werden.

„als du sagtest bald, dachte ich, in so zwei monaten.", brachte ella heiser und leise hervor.

celeste hatte angst, ella in jedem moment zu zerbrechen.

„ich wollte nicht, dass alles auf einmal kommt.", antwortete sie. es war kurz vor dem flüstern.

„irgendwie ist jetzt aber alles auf einmal gekommen.", behauptete ella verletzt, „irgendwie hast du-"

celeste schüttelte sachte mit einem kloß in ihrem hals den kopf und unterbrach: „das ist nicht fair."

„nein, celeste.", trotzte ella und wurde lauter. „ich rede."
sie fasste sich für einen kurzen moment, hob ihr kinn und sagte: „du gehst zurück nach cannes. du gehst zurück in dein altes leben. zurück zu deinen freunden, zu den menschen, die dich mögen, zu den orten, die du kennst, in die stadt, in der du alle freiheiten hast.
ich bleibe zurück. mit niemandem. und das ist unfair."

celeste war still geblieben. sie hatte auf den asphalt geschaut, zurück in ellas harte, weiche augen und hatte geschluckt und geschluckt, aber der kloß war geblieben.
das hier war nicht mehr so leicht, wie es angefangen hatte.

„ja.", hauchte celeste. sie nickte sachte. ihre stimme brach. „es tut mir leid, ella."

ella atmete vorsichtig die luft ein, wollte bloß nicht zittern, wollte nicht, dass celeste weinte, wollte bloß weg, wollte, dass celeste blieb, brauchte celeste, doch was brauchte sie mehr; celeste oder sich selbst?

„wir sind nicht gleich, ella. und um ehrlich zu sein, kennen wir uns nicht wirklich."

ella fror ein. die welt stoppte.

natürlich kannten sie sich. was? ella kannte jeden zentimeter ihres körpers. was war los? kannte all die dinge, die celeste von sich erzählte. das hier war falsch. sie wollte auflachen, doch kein geräusch verließ ihren mund. das hier war nicht echt, dachte sie verzweifelt, doch die welt ging weiter, ohne, dass ella es ihr erlaubt hatte.

„ich habe so gehandelt, wie ich es für mich selbst gewollt hätte. kurz und schmerzlos, um davor noch unwissend zusammen sein zu können." celeste schüttelte ihren kopf. „aber so bist du nicht. und das habe ich jetzt verstanden."

ella hatte begonnen zu weinen. es war das einzige, was ihr körper zuließ. sie hatte keinen eigenen willen mehr. aber sie war sich sicher, nichts von dem, was celeste erzählte, stimmte. „nein.", wisperte ella ungläubig, „natürlich kennen wir uns."

celeste blieb still. sie brachte bloß ein schmales lächeln hervor, schmerzte, sah ella an, sah tapfer ihre tränen, schmerzte bei jenem anblick und wünschte, dass ella ihr vergab; das alles hier verstand.
das hier wollte sie doch nicht, dachte celeste, nichts hier von war geplant.
nichts war mehr leicht.

celeste stockte und hatte angst. sie lehnte sich vorsichtig und behutsam vor, bis ihre lippen sanft die tränenbenetzten lippen ellas berührten. es war angstvoll. aber alles, nach dem sie sich sehnte. fast wie bei ihrem ersten kuss.

sanft.
zerbrechlich.
kaum da.

ella presste ihre augenlider zusammen. neue dicke tränen kamen hervor. celeste schmeckte sie salzig auf ellas lippen. sie wurde dazu gezwungen.
es zerriss ihr das herz, ließ sie wund und viel zu voll, mit viel zu viel gefühl zurück, ließ sie so nach cannes zurückkehren, in ein cannes, das nicht mehr für celeste gemacht war.
ihre händen fanden zu ellas gesicht, um sie näher an sich zu ziehen.
die münder der mädchen pressten sich leidenschaftlich aufeinander, rot und vollkommen, während jedes der mädchen doch nicht vollkommen, sondern halb durchtrennt zurückblieb.

sie trennten sich atemlos, celeste hielt noch immer ellas gesicht, wollte bloß nicht loslassen.

„wir können uns in paris treffen.", wisperte celeste hoffnungsvoll, ihr gesicht überrannt von feinen, verzweigten tränen, die man nur im sonnenlicht sehen konnte. sie sah verzweifelt zwischen ellas augen hin und her.

„nein.", erwiderte ella erstickt,
traf celeste brutal mitten in ihr herz.

ich habe zu viel angst vor der welt, als in sie hinausgehen zu können.

das ende ist einfach zu schwer."

ella nahm behutsam celestes tauben hände von ihren wangen, lächelte unter tränen, drehte sich um
und blieb in einem kleinen dorf in der normandie frankreichs zurück, in dem das ende der welt vielleicht erst später, als dort draußen eintreffen würde.

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