9. Kapitel - Wo Mensch und Monster sich Gute Nacht sagen

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Gerade als Vidar fragen wollte, wie lange es bis zum Dorf noch dauerte, stoppte Kito abrupt. Sie standen mitten in der Großen Schlucht, die die Neue Welt teilte. Bisher hatte Vidar sie nur von oben gesehen, wenn er per Flugdrachen reiste.

„Wir sind fast da. Hinter der nächsten Kurve liegt mein Dorf", verkündete Antara, „Lass uns die letzten Meter gehen. Kito braucht eine Pause."

Vidar folgte Antara, welche zielstrebig voranging. In seiner Brust schlug sein Herz immer schneller. Er freute sich, Antaras Heimat zu sehen, doch seine Freude wurde noch immer von Nervosität getrübt... und vielleicht auch von dem Schatten, der sich gerade vor die Sonne schob. Als er seinen Blick nach oben wandte, blieb sein Herz kurz stehen. Der Schatten stammte von einem Flugwyvern nur wenige Meter über ihnen. Seine Unterseite war beige und er besaß auffällige Flügelkrallen. Das war ohne Zweifel ein Wyvern aus der Rath-Familie. Nuro klammerte sich an Vidars Bein und knurrte.

„Nicht", warnte Antara. Dabei hatten weder Vidar noch Nuro etwas gemacht. Der Wyvern näherte sich dem Boden und entpuppte sich – dem Saphirstern sei Dank – nicht als Azurner Rathalos, sondern als einfache Rathian. Auf ihrem Rücken saß eine junge Frau mit langen blonden Haaren, die zu zwei Zöpfen geflochten waren.

„Antara!", rief sie und sprang von der Rathian. Geschickt landete sie auf beiden Füßen vor ihnen. Die schwere Waffe in Form eines Blashorns auf ihrem Rücken schien sie dabei gar nicht zu beeinträchtigen.

„Lelya! Du bist zurück!" Antara küsste die Blonde erst auf die Wange und zog sie dann in eine kräftige Umarmung. Vidar fühlte sich ein wenig überflüssig. Das war offensichtlich ein mehr oder weniger privater Moment zwischen den beiden und er wollte sie dabei nicht stören. Andererseits wollte er auch nicht einfach nur da stehen und ein Außenseiter sein.

„Ich freue mich ja dich zu sehen", erklärte Lelya und befreite sich aus der Umarmung, „Aber wer ist das?" Sie deutete zu Vidar, welcher zögerlich seine Hand zum Gruß hob.

„Ich bin Vidar", stellte er sich vor. Lelya kniff angestrengt ihre Augen zusammen.

Der Vidar?", fragte sie, „Der Vidar, dem meine Antara im Tal der Verwesung geholfen hat?" Jetzt ging das wieder los...

„Genau der bin ich", erwiderte er. War das gut oder schlecht? Er wusste es nicht. Die Rathian schien jedenfalls nicht begeistert zu sein. Sie stupste ihn mit ihrer Schnauze vorsichtig an, ehe sie verächtlich schnaubte.

„Juno, aus!", zischte Lelya, „Ich weiß, dass du heute nicht gut auf Jäger zu sprechen bist, aber er hat dir nichts getan." Dann wandte sie sich an Antara. „Möchtest du mir vielleicht erklären, warum du einen Jäger herbringst?"

Antara erzählte ihr die Geschichte vom Angriff des Azurnen Rathalos. Dabei verfinsterte sich Lelyas Blick immer weiter.

„Warum stehen wir dann noch hier?", fragte sie, „Wir müssen Nadoa sofort berichten!" Sie zog Antara am Handgelenk hinter sich her. Juno die Rathian und Kito sprangen beziehungsweise flogen den beiden hinterher, dicht gefolgt von Vidar und Nuro.

Das Dorf war wirklich nicht weit entfernt, aber auf den ersten Blick schwer zu erkennen. Die Felsen schützten es vor ungewollten Blicken.

Noch immer stoppte Lelya nicht und zog Antara mit sich. Die Einwohner, die sich gerade draußen aufhielten, starrten die Parade verwundert an. Ganz besonders schauten sie Vidar an. Ihre Blicke brannten förmlich auf seiner Haut. Er war ein Fremder, ein Eindringling. Das Zeichen der Kommission auf Waffe und Rüstung verrieten ihn.

Der Weg zur Dorfältesten führte sie mitten durch das Dorf und endete schließlich vor einem kleinen Haus aus Sandfels.

„Nadoa, bist du zuhause?", fragte Lelya, während sie anklopfte. Ihr schien das Gerenne nichts anhaben zu können. Antara hingegen keuchte schwer. Sie hatte ihre Kräfte noch nicht ganz zurückgewonnen. Eine alte Frau mit weißen Haaren öffnete die Tür.

Monster Hunter - Das Herz Eines JägersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt